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Die 95 Thesen Martin Luthers

Matthias von Hellfeld

Mit den von ihm verfassten 95 Thesen will Martin Luther eine Reform der römischen Kirche anstoßen, wird aber zum Begründer einer zweiten christlichen Konfession.

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Gemälde von Martin Luther
Gemälde von Martin LutherBild: DW

Martin Luther (1483 – 1546) war seit 1514 als Prediger an der Wittenberger Stadtkirche. Seine Gemeinde schätzte den beliebten und rhetorisch begabten Mann. Oft war er in seinem Arbeitszimmer in die Lektüre der Bibel versunken. Luther wollte aus der heiligen Schrift das Verhältnis Gottes zu den Menschen entschlüsseln. Ein Verhältnis, das für die römische Kirche längst geklärt war: Gott sprach zu den Menschen über den Papst in Rom und in Vertretung des heiligen Vaters durch die von diesem bestimmten Priester und Bischöfe. Damit konnte die Kirche in Rom das Definitionsmonopol der Bibel für sich beanspruchen und auch die Sanktionen festlegen, die im Falle eines Verstoßes gegen die biblischen Regeln zu erfolgen hatten.

95 Thesen gegen kirchliche Missstände

Das Neue Testament von Martin Luther (Foto: AP/Franka Bruns)
Das Neue Testament von Martin LutherBild: AP

Martin Luther hingegen kam zu einer Neuinterpretation der Evangelien des Neuen Testaments und leitete daraus ein anderes christliches Paradigma ab. Für ihn gab es keine "apostolische Zwischenstation“ im Verhältnis zwischen Gott und den Menschen. Es zählte nur die Heilige Schrift ("Primat der Schrift"), Jesus Christus ("Primat Christi") und die Gnade Gottes ("Primat der Gnade und des Glaubens"). Auslöser für die "Reformation" war der Ablasshandel, mit dessen Erlös der Neubau des Petersdoms in Rom finanziert werden sollte. Zudem finanzierten die Ablassgelder auch das luxuriöse Leben von Papst Leo X. (1475 – 1521), der notorisch von der Pleite bedroht war.

Die Schlosskirche in Wittenberg, Sachsen-Anhalt - Luther nagelte die Thesen nicht an die Türe (Foto: AP/Eckehard Schulz)
Die Schlosskirche in Wittenberg, Sachsen-Anhalt - Luther nagelte die Thesen nicht an die TüreBild: AP

Als Martin Luther in der Arbeitstube seiner Wittenberger Priesterwohnung die berühmten 95 Thesen schrieb, ging es ihm lediglich darum, die Missstände (Verweltlichung, Umgehung des Zölibats) in der römischen Kirche abzustellen. Weder wollte er Streit mit dem Papst, noch wollte er eine eigene Kirche gründen. Deshalb hat er seine Thesen an jenem denkwürdigen 31. Oktober 1517 auch nicht an die Tür der Wittenberger Stadtkirche genagelt, sondern "zur Disputation" an Freunde geschickt. Er war an diesem Tag kein Revolutionär, sondern ein aufgeregter Mönch, der sich um das Seelenheil seiner Gemeindemitglieder Sorgen machte. Die Reaktion auf die sich rasch verbreitenden Thesen machte aus dem aufgeregten Mönch einen Revolutionär, der die mittelalterliche Welt nachhaltig durcheinander brachte und dessen Wirkung in der Geschichte ohne Beispiel ist.

Vogelfreier Reformator – Luther widerruft seine Thesen nicht

In diesem Haus am Andreaskirchplatz in Eisleben starb Luther am 18. Februar 1546
In diesem Haus in Eisleben starb Luther am 18. Februar 1546Bild: picture-alliance / dpa

Papst Leo X. versuchte den Wittenberger Mönch mit Exkommunikation, Bannflüchen und im April 1521 mit einem Verfahren vor dem Reichstag in Worms zur Ordnung zu rufen – ohne Erfolg. Martin Luther widerrief in Worms seine Thesen nicht, wurde mit der Reichsacht belegt und war fortan "vogelfrei". Bei seiner anschließenden Flucht vor den Häschern der Inquisition konnte er nicht nur auf die Hilfe weiter Teile der Bevölkerung zählen, sondern vor allem auch auf die Hilfe des sächsischen Kurfürsten Friedrich III. - "der Weise" - (1463 – 1525). Der Kurfürst versteckte ihn auf der Wartburg, wo er als "Junker Jörg" das Neue Testament ins Deutsche übersetzte. Seine Lehren verbreiteten sich einerseits schnell über den europäischen Kontinent. Andererseits wurde der Konflikt mit der "katholischen Kirche", wie sich römische Kirche des Papstes nun nannte, immer gewalttätiger. Beide Seiten bewaffneten sich. Dieser Religionskonflikt mündete schließlich im Dreißigjährigen Krieg (1618 - 1648), an dessen Ende die Religionsfreiheit in Deutschland und Europa vertraglich besiegelt wurde.