Die Bundestagswahl in Zahlen: Ein geteiltes Land
28. September 2021Wo sind die einzelnen Parteien stark?
Deutschland war im Wahlverhalten ein stark geteiltes Land. Beim Blick auf die Zweitstimmen für die Parteien, nach denen ihr Anteil im Bundestag berechnet wird, ergibt sich folgendes Bild: Ganz grob gesagt, dominieren im Süden und Teilen des Westens die Unionsparteien CDU und CSU, im Rest Deutschlands die SPD, außer im südlichen Teil Ostdeutschlands, den die AfD beherrscht. Die Grünen haben ihre Hochburgen in den Groß- und Universitätsstädten über ganz Deutschland verstreut.
So ist fast ganz Bayern immer noch CSU-Stammland, auch wenn die CSU das schlechteste Ergebnis seit 1949 einfuhr. Einzige Ausnahme ist München, wo die Grünen stärkste Kraft geworden sind. Baden-Württemberg im Südwesten mit seiner grün geführten Landesregierung hat ganz überwiegend für die CDU gestimmt. Auch hier sind es vor allem die Universitätsstädte Freiburg, Tübingen und Heidelberg mit vielen jungen Wählern, die die Grünen holen konnten.
Interessant ist das - von CDU und FDP regierte - Nordrhein-Westfalen im Westen, das sozial und wirtschaftlich gesehen eine Art Deutschland im Kleinen ist: Die SPD ist in den alten Industrierevieren im Ruhrgebiet stark, die CDU vor allem in den ländlichen Gebieten.
Ganz in rot erscheinen dagegen die Bundesländer Mecklenburg-Vorpommern und Brandenburg, hier hat die SPD in allen Wahlkreisen am stärksten abgeschnitten, ähnlich wie im größten Teil Schleswig-Holsteins und Sachsen-Anhalts.
Das Phänomen AfD
Und dann die AfD: Deutschlandweit hat sie an Zustimmung verloren, vor allem im Westen blieb sie oft einstellig. Doch es gibt einen rechtspopulistischen Gürtel im Südosten Deutschlands: Die AfD beherrscht fast ganz Sachsen sowie den südlichen Teil von Thüringen und den Südzipfel von Sachsen-Anhalt.
Im CDU-geführten Sachsen wurde sie mit Abstand stärkste Partei, fast jeder vierte Wähler stimmte hier für die AfD, während die früher dominierende CDU sogar noch hinter die SPD auf Platz drei rutschte. Auch in Thüringen steht die AfD auf Platz eins.
Wer holte wo Direktmandate?
Bei den Direktmandaten, die durch die Erststimme für einzelne Bundestagskandidaten vergeben werden, decken sich die Werte weitgehend mit denen der Zweitstimmen. Bemerkenswert ist zum Beispiel, dass die Linkspartei drei Direktmandate gewonnen hat, zwei in Berlin und eins in Leipzig, was ihr den Einzug in den Bundestag ermöglicht, obwohl sie bei den Zweitstimmen knapp unter der Fünfprozenthürde liegt.
Robert Habeck, der Co-Vorsitzende der Grünen, hat den Wahlkreis Flensburg-Schleswig ganz im Norden gewonnen, es war das erste grüne Direktmandat in Schleswig-Holstein. Die grüne Spitzenkandidatin Annalena Baerbock unterlag dagegen in ihrem Brandenburger Wahlkreis in Potsdam. Sie hatte allerdings mit SPD-Kanzlerkandidat Olaf Scholz auch einen denkbar starken Rivalen. Unions-Kanzlerkandidat Armin Laschet war in keinem Wahlkreis angetreten.
Bitter für die CDU ist, dass sie in Sachsen, Thüringen und zum Teil in Sachsen-Anhalt viele Direktmandate an die AfD verlor. 16 Wahlkreise gingen an die Rechtspopulisten. Auch die Grünen errangen 16 Direktmandate, im Gegensatz zur AfD allerdings über ganz Deutschland verteilt.
Warum haben Menschen die jeweilige Partei gewählt?
Insgesamt spielten bei der Wahlentscheidung der Menschen die Themen soziale Sicherheit, Umwelt und Klima sowie Wirtschaft und Beschäftigung die wichtigsten Rolle, allerdings - je nach Parteipräferenz - mit sehr unterschiedlicher Gewichtung.
Unionswähler entschieden zum Beispiel vor allem nach wirtschaftlichen Themen, während ihnen Umwelt und Klima weniger wichtig war. Grünen-Wählern dagegen ging es zu über 80 Prozent um die Klima- und Umweltpolitik, SPD- und Linken-Wählern vorwiegend um soziale Sicherheit, während AfD-Anhängern das Thema Zuwanderung besonders wichtig war.
Wählerwanderung
Nicht immer waren die bisherigen Anhänger von "ihrer" Partei überzeugt. Sie sind zu einer anderen Partei "gewandert".
Besonders getroffen hat diese Wählerwanderung die CDU. Sie hat gut eineinhalb Millionen Wähler an die SPD verloren, fast eine Million an die Grünen, fast eine halbe Million an die FDP und ebenso viele ihrer bisherigen Anhänger haben gar nicht mehr gewählt.
Bei der SPD, die stark zugelegt hat, fällt auf, dass sie viele bisherige Wähler der Linkspartei und auch einen Teil früherer AfD-Anhänger überzeugen konnte. Verloren hat die SPD fast nur an die Grünen, die ebenfalls deutlich hinzugewonnen haben.
Die Grünen wiederum haben frühere Wähler aller anderen Parteien im Bundestag an sich gezogen, darunter auch 60.000 von der AfD.
Wahlbeteiligung nach Einkommen
Die Wahlbeteiligung der 60,4 Millionen stimmberechtigten Deutschen lag laut dem Bundeswahlleiter bei 76,6 Prozent und fiel damit geringfügig höher aus als bei der Wahl vor vier Jahren, als sie 76,2 Prozent betrug.
Der Wert schwankt zwischen Duisburg II im Ruhrgebiet mit 63,3 Prozent Wahlbeteiligung und München-Land mit 84,8 Prozent. Es gibt kaum einen wohlhabenderen Wahlkreis als den im Süden von München, während Duisburg II ein sozialer Brennpunkt ist - eine Bestätigung der These, dass sich soziale Unterschiede auf die Wahlbeteiligung auswirken: Je reicher Menschen sind, desto eher gehen sie wählen. Wahlsiegerin in München-Land war die CSU, gefolgt von den Grünen. In Duisburg II wurde die SPD stärkste Partei, gefolgt mit großem Abstand von CDU und AfD.
Durchweg hohe Wahlbeteiligungswerte verzeichnet das wohlhabende Bayern, generell niedrige die ärmeren Bundesländer Sachsen-Anhalt und Mecklenburg-Vorpommern.
Wahlverhalten in Stadt und Land
Vor Jahrzehnten konnte man in Deutschland am Wahlergebnis meist klar ablesen, ob es sich um eine Großstadt oder eine ländliche Gegend handelte: Die Union beherrschte das Land, die SPD die Städte. Bis auf die kleinere FDP spielten andere Parteien vor dem Aufkommen der Grünen um 1980 meist keine Rolle.
Ein wenig von diesem Gegensatz ist noch da: CDU und CSU sind immer noch etwas stärker auf dem Land. Die SPD dagegen ist keine Stadt-Partei mehr.
Heute haben die Grünen eine vorwiegend städtische Klientel, ebenso die Linkspartei, während die AfD ihre Basis vorwiegend in ländlichen Gegenden (im Süden Ostdeutschlands) hat.
Wahlverhalten nach Alter
Stärkere Unterschiede in der Wählerschaft ergeben sich nach Altersgruppen. Die alten Volksparteien SPD und CDU/CSU sind tatsächlich auch eher die Parteien der Alten, während sich nur wenige Jungwähler zu ihnen hingezogen fühlen. Berücksichtigt man, dass Deutschland relativ viele alte und wenige junge Menschen hat, wird klar, wie abhängig SPD und Union von älteren Wählern sind.
"Junge" Parteien sind nicht nur, wie oft vermutet, die Grünen, sondern auch die FDP, in etwas geringerem Ausmaß die Linkspartei. Die AfD wird vor allem von "mittelalten" Menschen gewählt.
Wahlverhalten nach Geschlecht
Wählen Frauen anders als Männer? Zum Teil offenbar schon. Aber das hängt von der Partei ab.
Während so unterschiedliche Parteien wie CDU/CSU und Linkspartei von Frauen und Männern gleichermaßen bevorzugt werden, haben zum Beispiel die Grünen bei ihrer Wählerschaft einen leichten Frauenüberhang. Dagegen sind FDP und in noch stärkerem Maße die AfD ausgesprochene "Männerparteien", was die Wähler angeht.
Frauenanteile im Bundestag
Das spiegelt sich bei vielen Parteien in der Zusammensetzung der Fraktionen im neuen Bundestag wider. Die von mehr Frauen gewählten Grünen haben auch in ihrer Bundestagsfraktion mehr Frauen als Männer.
Auf der anderen Seite besteht die AfD-Fraktion im Bundestag mit einem Anteil von 87 Prozent ganz überwiegend aus Männern. Sie wird ja auch mehrheitlich von Männern gewählt.
Andes das Bild bei den Unionsparteien: Zwar wählen gleich viele Frauen und Männer CDU und CSU, die gewählten Frauen im Bundestag sind aber mit nur 23 Prozent deutlich in der Minderheit.