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Gesellschaft

Bundeswehr im Kampf gegen Corona

11. Februar 2021

Tausende deutscher Soldaten helfen in Alten- und Pflegeheimen im Kampf gegen die Pandemie. Und ernten viel Lob. Doch allmählich werden Bedenken laut.

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Berlin Bundeswehr-Soldaten in Heimen im Einsatz
Schutzanzug über der Uniform: Stabsunteroffizier Sabine Wittwer mit einem KameradenBild: Privat

"Die Reaktionen sind immer positiv. Die Leute sind überrascht, dass sie uns hier sehen." Sabine Wittwer ist Stabsunteroffizier der Bundeswehr. Doch seit einigen Tagen ist ihr Arbeitsplatz keine Kaserne, sondern eine Seniorenresidenz an der Apollofalterallee im Osten Berlins. Und über der olivgrünen Uniform trägt sie einen blauen Schutzanzug und Handschuhe.

Wittwer ist sonst, wie sie selbst sagt, "Schreibtischsitzerin" bei der Truppe, zuständig für Materialbeschaffung. Nun meldete sie sich freiwillig für die Hilfe in einem Heim, Hilfe angesichts der Corona-Pandemie. Am Anfang habe sie "einen Tag Lampenfieber" gehabt und sich Gedanken gemacht. Aber das sei längst vorbei.   

Apollofalterallee, so ein typischer Berliner Straßenname, der doll klingt und doch nur Straße meint. Kurz vor Weihnachten tauchten Fotos in Berliner Zeitungen auf, die zahlreiche Rettungs- und Notarztwagen vor der Seniorenresidenz "Biesdorfer Höhe" zeigten. Das Virus hatte sich dort ausgebreitet. Es folgte das übliche Prozedere: neben der medizinischen Versorgung die Abschottung des Komplexes.

"Das hat sich schon gelohnt"

Nun der Einsatz der Bundeswehr. Er erleichtert es der Einrichtung, wieder Besucher ins Haus zu lassen und jeden Besucher und immer mal wieder auch Mitarbeitende einem Schnelltest zu unterziehen. "Das müssten sonst Mitarbeiter machen, die eh total gefordert sind", sagt die 36-jährige Wittwer. Pro Tag bewältige sie an die 40 Tests. Und, ja, es sei auch schon vorgekommen, dass ein Test auffällig, ein Besucher positiv getestet worden sei. "Und wenn unter 100 Gästen nur ein Infizierter wäre… Dann hat es sich schon gelohnt", sagt sie und betont, wie wichtig Kontakte für die Bewohner seien.     

Bald nach Beginn der Corona-Pandemie vor einem Jahr begannen in Deutschland einzelne Unterstützungseinsätze der Bundeswehr. Mit der schlimmeren zweiten Welle nahm dieses Engagement deutlich zu. Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer schwor die Truppe Ende Oktober mit einem Tagesbefehl ein: "Zum Selbstbild der Bundeswehr gehört es, Krisen engagiert und auch furchtlos entgegenzutreten. Daraus erwächst ihr auch eine Vorbildfunktion in dieser besonderen gesellschaftlichen Notlage."

Bundeswehr in Ulmen I  Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer
Verteidigungsministerin Kramp-Karrenbauer: Vorbild der Truppe für die GesellschaftBild: picture-alliance/J. Krick

Heute sind bundesweit an die 12.000 Bundeswehr-Angehörige im Einsatz, allein in Berlin knapp 1400. Sie unterstützen Gesundheitsämter bei der telefonischen Nachverfolgung von Infektionsketten, helfen in Impfzentren und impfen auch selbst, führen Schnelltests durch, engagieren sich in Alten- und Pflegeheimen. Und wen man auch fragt: Immer zeigen sich die Bundeswehr-Kräfte beeindruckt von dankbaren Rückmeldungen.

Pflegepersonal wird entlastet

So wie Feldwebel Niklas Türschmann. Der 25-Jährige, stationiert an einem Fliegerhorst 90 Kilometer südlich von Berlin, sitzt derzeit am Besuchertelefon eines Pflegeheims im Prenzlauer Berg und nimmt Anrufe jener entgegen, die ins Haus kommen wollen, die aber von der Online-Meldung überfordert sind.

Die Mitarbeiter, sagt er, reagierten "durchweg positiv" auf die Unterstützung. "Für gewöhnlich müssten die selbst jemanden dafür abstellen, der dann andernorts in der Versorgung fehlen würde. Wir entlasten." Die Lage sei "prekär". Der Personalmangel, erläutert er, habe schon vor Corona bestanden, "das wird auch nach Corona nicht besser sein".

Berlin Bundeswehr-Soldaten in Heimen im Einsatz
Feldwebel Niklas Türschmann: "durchweg positive" ReaktionBild: Privat

Türschmann hat bereits Corona-Fälle in seinem eigenen Bekanntenkreis erlebt. Deshalb hilft er gerne. Und wenn er nicht Telefondienst leistet, geht er auch mal – wie jetzt ein Kollege – durchs Haus und desinfiziert Türklinken und Geländer.

Eingeschränkte Einsatzbereitschaft?

Kramp-Karrenbauer hat das Corona-Kontingent der Bundeswehr kürzlich auf 25.000 Kräfte aufgestockt. Es wird der größte Inlandseinsatz in der Geschichte der Bundeswehr.

Die Hilfe ist wichtig, aber in der militärischen Führung meldet sich auch Besorgnis. So forderte am Wochenende Generalleutnant Martin Schelleis ein baldiges Ende der Hilfe von Soldaten in Heimen. Die Einsatzbereitschaft der Truppe leide darunter. Sicher, die Bundeswehr könne schnell und flexibel Nothilfe leisten, aber "Amtshilfe ist kein Dauerzustand", erklärte er. Schon müssten Übungen und Lehrgänge bei Heer, Marine und Luftwaffe eingeschränkt werden.

Wertschätzung

Oberstabsgefreiter David Koschollek, im niedersächsischen Diepholz stationiert, kümmert sich in einer Seniorenresidenz in Berlin-Steglitz um "Fürsorge für Ältere". Er hilft bei der Essensausgabe, geht mit Bewohnern an die Luft, spielt auch mal mit ihnen ein Karten- oder Brettspiel. "Die Mitarbeiter sind sehr nett und dankbar, die zu Pflegenden auch. Supernett", sagt der 39-Jährige. Die Menschen seien einsamer wegen Corona, die Besucherzahl gering. Deshalb empfänden sie die Hilfe von ihm und einigen Kameraden "als Riesending".

Berlin Bundeswehr-Soldaten in Heimen im Einsatz
Oberstabsgefreiter David Koschollek hilft bei der Essenausgabe, geht mit Bewohnern spazieren oder macht mit ihnen ein BrettspielBild: Privat

Und er spürt auch die Wertschätzung für die Männer und Frauen in Uniform. "Das Ansehen der Bundeswehr ist ja ein bisschen angeschlagen. Da ist es gut, wenn sich das mal ändert." Er wisse von Kameraden, die wegen der Uniform in früherer Zeit in der Öffentlichkeit schon mal "angemacht" worden seien.

Die Pandemie "stellt das Land auf die Probe"

Corona, sagt Koschollek, "stellt das Land auf die Probe". Wenn er fast auch ein wenig plaudernd erzählt, sagt das, wie auch bei Wittwer und Türschmann, viel über ganz unterschiedliche Dinge. Zum einen über die schwierige Personallage in deutschen Alters- und Pflegeheimen, die durch Corona nur verschärft wurde.

Zum anderen spricht daraus das Staunen darüber, dass Soldaten in Deutschland auch Lob erfahren. "Sonst wird ja gern mal schlecht geredet", sagt er. Dabei war Koschollek, der seit zehn Jahren in der Bundeswehr ist, zweimal bei Auslandseinsätzen. Und 2020 zog er mit 50 Kameraden zur Borkenkäferbekämpfung in den Sachsenforst. Auch auf die beiden anderen warten in diesem Jahr noch weitere Jobs. Sabine Wittwer will im Laufe des Jahres mit ihrer Einheit nach Jordanien gehen.