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Die Causa Böhmermann im Netz

Marco Müller13. April 2016

#humorlosekackbratze - einer der aktuell meist gebrauchten Hashtags bei Twitter. Wie so Vieles dieser Tage, hat auch dies mit Böhmermanns "Schmähkritik" auf Erdogan zu tun. Auch in den DW-Foren wird heftig diskutiert.

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Porträt von Jan Böhmermann (Foto: Imago/Star-Media)
Bild: Imago/Star-Media

Die meist genutzten Hashtags bei Twitter dieser Tage hatten überwiegend etwas mit der Causa Böhmermann zu tun. #boehmermann, #erdogan, #freeboehmi, #satiredarfalles - und eben #humorlosekackbratze - waren die Top-Hashtags hierzulande. Schon an diesen Schlagworten lässt sich erkennen, wie emotional die Diskussion geführt wird.

Hnmann S. fragt im Forum unserer englischen DW-Seite: "Wenn jemand dich beschuldigt, ein Pädophiler zu sein, würdest du lachen, nur weil es ein Comedian gesagt hat?" Ähnlich sieht es Bart M. auf der englischen Facebook-Seite: "Jemandem perverse, pornografische, mörderische sexuelle Handlungen anzudichten, hat nichts damit zu tun, einen Dialog zu zu führen. Es ist pure Beleidigung." Antonieta F. sieht es anders. Böhmermann solle geheiligt werden, nicht bestraft, sagt sie. Und George R. aus den USA fragt: "Darf in Europa nur Charlie Hebdo Witze machen?"

Erdogan gegen Böhmermann - wer gewinnt?

Die Frage "Erdogan gegen Böhmermann - wer gewinnt?" zu einem Artikel auf unseren deutschen Foren hat Facebook-Nutzer Oliver S. aus Saarbrücken für sich klar beantwortet: "Erdogan gewinnt, weil die deutschen Gesetze die Bestrafung für so etwas vorsehen." Er sieht allerdings auch Milderungsgründe, da es seiner Meinung nach eine indirekte Beleidigung zu Demonstrationszwecken war. Zudem würde nicht Böhmermann bestraft, sondern das ZDF, "denn auch für Herrn Böhmermann gelten Mitarbeiterschutzgesetze", so Oliver. Schließlich sei er nicht alleine daran beteiligt gewesen, sondern auch seine Redaktion. Olivers Fazit: "Es wird zu einer Geldstrafe gegen das ZDF kommen."

Bildkombo Jan Böhmermann und Recep Tayyip Erdogan (Foto: picture-alliance/dpa/R. Ghement)
Wer zuletzt lacht, lacht am besten. Aber wird am Ende noch jemand lachen?Bild: picture-alliance/dpa/R. Ghement

Für Amira S. kommt es bei der Frage, wer am Ende als Sieger dasteht, auf die Deutungshoheit an: "In Deutschland Böhmermann, in der Türkei Erdogan." Susanne S. aus Hong Kong formuliert die Frage einfach um: "Ich weiß, wer verliert: Angela Merkel." Auch Google+-Nutzer Kai J. aus Hamburg würde unsere Frage umformulieren: "Erdogan gegen demokratische Werte, trifft es besser." Google+-Nutzer Cesar K. meint, dass das Foto unseres Artikels schon eine Tendenz angibt: "Die zwei Fotos oben sagen doch schon alles, oder?" (siehe Bild links)

"Satire braucht keine Beleidigungen"

Ulrich B. zieht in seiner Meinungsäußerung in dem Diskussionsforum unserer DW-Startseite einen Vergleich zu einem anderen Fall. 2001 machte sich TV-Moderator Stefan Raab über eine 16-Jährige lustig, über deren Bewerbung bei einer Miss-Wahl zuvor ein TV-Sender berichtet hatte. Die Miss-Anwärterin hieß Lisa Loch. Über ihren Namen machte Raab in mehreren Sendungen obszöne Witze, die von Lisa Lochs Umfeld aufgegriffen wurden. Sie wurde daraufhin gemobbt und musste sich schließlich einer Psychotherapie unterziehen. Sie klagte - und bekam 70.000 Euro Schadenersatz zugesprochen. DW-Leser Ulrich schreibt dazu im DW-Forum: "Das OLG Hamm meinte zu Recht: 'Satire könne einen beachtlichen Freiraum beanspruchen, dürfe eine Person aber nicht im Kernbereich verletzen."

Stefan Raab moderiert eine Show (Foto: dapd)
Stefan Raab hat oft gewonnen, vor Gericht hat er verloren.Bild: dapd

Was Satire seiner Meinung nach darf und was nicht, äußerte ein User mit dem Namen "troll" in unserem Forum: "Eine gute Satire braucht keine Beleidigungen und Sprüche unter der Gürtellinie. Sie wirkt durch raffinierte Überspitzung und benötigt keine plumpe Ansage im Vorfeld. Böhmermann hat einfach nur Mist gebaut, um Aufmerksamkeit zu erregen. Die hat er jetzt zur Genüge. Die Reaktion sämtlicher Journalisten böte jetzt reichlich Stoff für eine Satire. Mutige vor!"

Ein Journalist, sogar ein sehr bekannter, hat heute weiteren Satire-Stoff geboten. Bild-Herausgeber Kai Diekmann hat am Morgen ein frei erfundenes Interview mit Jan Böhmermann veröffentlicht. Später hat er dann den "Spaß" aufgelöst.

Das Netz schwappt in die Realität

Das Netz ist allerdings nicht nur digital, nein, die Hashtags drängen auch ins analoge Leben. So konnte man heute in einem beleuchteten Werbekasten vor der türkischen Botschaft in Berlin ein Plakat mit der Aufschrift "#mimimimimimi" lesen. "Mimimimi" benutzt man umgangssprachlich, wenn man sich über jemanden lustig macht, der beleidigt ist. Unter diesem Ausspruch standen die Hashtags "#freeboehmi", "#satiredarfalles" - und eben "#humorlosekackbratze".

Eine Sprecherin der Wall AG, die den Werbekasten betreibt, teilte auf Anfrage der Berliner Morgenpost mit, dass es sich bei dem säuberlich in dem Kasten aufgehängten Plakat um keine offizielle Anzeige handelt. Das Service-Team sei informiert und werde das Plakat entfernen. Die Fotos von dem Plakat bleiben allerdings im Netz erhalten.