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Die CDU kämpft mit Angela Merkels Erbe

Ben Knight
9. September 2022

Die größte Oppositionspartei in Deutschland hat in letzter Zeit wieder an Boden gewonnen. Immerhin hat sie jetzt auch eine Frauenquote eingeführt. Aber wie sieht ihr Plan für die Rückkehr an die Macht aus?

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Deutschland, Sylt | CDU Chef Friedrich Merz
Mit dem Privatflieger zur Lindners Hochzeit: CDU-Chef Friedrich Merz und seine Frau bei der Ankunft auf SyltBild: Axel Heimken/dpa/picture alliance

Anfang Juli sorgte der CDU-Vorsitzende Friedrich Merz für Schlagzeilen in den deutschen Medien. Diesmal aber nicht aus politischen Gründen: Zur Hochzeit von Finanzminister Christian Lindner (FDP) auf der Nordseeinsel Sylt flog der Vorsitzende der christdemokratischen Partei mit seinem silbernen Kleinflugzeug an.

Es war ein Auftritt, der dem Image des 67-Jährigen als konservativer Finanz- und Kapitalexperte entsprach. Als jemandem, der die Früchte seiner temporären Karriere als Lobbyist für multinationale Investmentfonds genießt.

Doch auf dem Parteitag der CDU in Hannover (9.9.-10.9.2022) brauchte er festen Grund unter den Füßen. Es ist nicht die Zeit abzuheben, denn die Probleme vor denen nicht nur die Bundesregierung, sondern auch die größte Oppositionspartei steht, sind immens: Deutschland sieht sich wegen der Folgen des Krieges um die Ukraine einer ungeahnten Energie- und Lebenshaltungskostenkrise konfrontiert. Ganz zu schweigen von einem Sommer mit beispiellosen Dürreperioden und Waldbränden,die durch den Klimawandel verursacht wurden.

Konservative im Höhenflug

Das waren sicherlich Gründe, warum Merz in den letzten Interviews darauf bedacht war, auf der richtigen Seite der Umweltdebatte zu stehen: Er behauptete, sein kleines Propellerflugzeug verbrauche weniger Benzin als das Regierungsauto des Bundeskanzlers (was von Faktenprüfern bestritten wurde). Ob wahr oder nicht, es passt zur Botschaft, die die CDU in jüngster Zeit sendet: Ökologische Zugeständnisse bedeuten nicht automatisch Verzicht für Besserverdienende.

Hendrik Wüst (l.) und Daniel Günther (r.) feierten bei den Landtagswahlen in diesem Jahr erdrutschartige Siege
Hendrik Wüst (l.) und Daniel Günther (r.) feierten bei den Landtagswahlen in diesem Jahr erdrutschartige SiegeBild: Michael Kappeler/dpa/picture alliance

Die Episode mit dem Privatflugzeug und Merz' Bemühen um einen Imagewechsel verdeutlicht vielleicht auch, dass die CDU nach dem Weg sucht, den sie als Oppositionspartei in der Nach-Merkel-Ära gehen will. Es ist eine ungewohnte Situation für die Konservativen, die mit Abstand erfolgreichste Partei der deutschen Nachkriegsgeschichte. Zum ersten Mal, seit 16 Jahren ist sie nicht in der Regierung.

Das erste Jahr in der Opposition ist bisher nicht schlecht verlaufen: Die CDU liegt in den Meinungsumfragen bundesweit vorn und hat zwei der drei Landtagswahlen in diesem Jahr gewonnen: In Schleswig-Holstein und in Nordrhein-Westfalen.

Die nächste Wahl in Niedersachsen steht in einem Monat an, und es sieht knapper aus als von vielen erwartet: Der amtierende sozialdemokratische Ministerpräsident Stephan Weil liegt nur drei Punkte vor der CDU - was wohl auch erklärt, warum sein CDU-Gegner Bernd Althusmann den CDU-Parteitag in der Landeshauptstadt Hannover ausrichtet.

Wo steht die CDU jetzt?

Manche politische Beobachter vermuten jedoch, dass die jüngsten Erfolge der CDU oberflächlicher Natur sind. "Die Tatsache, dass die CDU in den Umfragen besser abschneidet, hat meiner Meinung nach eher mit den Schwächen der Regierungskoalition zu tun als mit der Vorstellung, dass die CDU bereits einen großen Wandel vollzogen hat", so Ursula Münch, Direktorin der Akademie für politische Bildung Tutzing in Bayern. 

Infografik Sonntagsfrage DE

Uwe Jun, Politikprofessor an der Universität Trier, ist ebenfalls nicht überzeugt: "Die Partei ist noch dabei, das Erbe von Angela Merkel zu verarbeiten", sagt er der DW. "Vor allem auf der Parteiebene sieht man, dass sie sich immer noch fragen: Wo wollen wir hin? Was sind unsere mittel- und langfristigen Ziele? Wir wissen immer noch nicht, wie die programmatischen Grundlagen der Partei in Zukunft aussehen werden."

Der Schatten der langjährigen Bundeskanzlerin und früheren Parteichefin liegt immer noch über der CDU und der Lage des Landes: Schließlich war es Merkels CDU, wie Bundeskanzler Olaf Scholz in seiner zum Teil emotionalen Parlamentsrede in dieser Woche betonte, die die deutsche Energiepolitik maßgeblich geprägt und Deutschland stärker von fossilen Brennstoffen aus Russland abhängig gemacht hat. Eine Kritik, die durch die Tatsache, dass Scholz' SPD an drei ihrer vier Kabinette beteiligt war, etwas entkräftet wird.

Die richtigen kritischen Töne finden

Natürlich gebe es viele berechtigte Kritikpunkte an den Widersprüchen und internen Querelen in der Regierung Scholz, folgert Münch. "Aber ein großer Teil der Probleme, die die Regierung jetzt hat, sind aus der (von der letzten Regierung begonnenen) Energiewende erwachsen, die sehr dilettantisch gehandhabt wurde", sagt sie. "Dies kann nicht nur der amtierenden Regierung angelastet werden. Ich denke, das behindert die Opposition."

In der Tat hat sich die CDU mit Kritik an der Politik von Scholz lange zurückgehalten: In der Frage der Ukraine zum Beispiel akzeptierte die Partei weitgehend die Position der Bundesregierung. Obwohl Merz schnellere Waffenexporte in die Ukraine forderte - wie es viele Politiker und Experten aus Thinktanks in den ersten Monaten des russischen Einmarsches taten.

Ukraine Friedrich Merz in Irpin
Oppositionsführer Friedrich Merz reiste noch vor Bundeskanzler Olaf Scholz in die UkraineBild: Efrem Lukatsky/AP Photo/picture alliance

Aber die CDU stimmte für die Verfassungsänderung, die es der Regierung ermöglichte, zusätzliche Kredite aufzunehmen, um 100 Milliarden Euro in die Bundeswehr zu investieren. "Hätte die CDU dem nicht zugestimmt, wäre das eine massive Demütigung für Scholz gewesen", urteilt Jun.

Streit um Atomkraftwerke

In der Energiepolitik und bei den staatlichen Entlastungspaketen sei die CDU dagegen etwas aggressiver gewesen. In seinem jüngsten Interview mit der ARD sagte Merz, die Regierung habe zu Recht Rentnern und Studenten geholfen. Allerdings bemängelte er, dass eine Zahlung von 1000 Euro für Geringverdiener effektiver gewesen wäre als ein paar hundert Euro für alle Bürger.

Merz prangerte an, dass die Regierung "keinerlei Antwort auf die Frage gegeben habe, woher der Strom in den nächsten Wochen und Monaten kommen soll". Die Entscheidung der Regierung, die Laufzeiten der letzten beiden deutschen Atomkraftwerke nur im Notfall zu verlängern, bezeichnete er später als "völlig absurd".

Bayern Kernkraftwerk Isar 2 | Merz und Söder
Befürworter der Kernenergie: Friedrich Merz und Markus Söder, CSU-Chef und Ministerpräsident von BayernBild: Frank Hoermann/SVEN SIMON/picture alliance

Die Frauenquote kommt

Auf dem Parteitag musste die CDU aber auch einige interne Probleme lösen und darüber entscheiden, ob sie eine Frauenquote für Führungspositionen einführen will - was bei anderen großen deutschen Parteien längst Standard ist.

Nach langen Debatten entschied sich die Partei mit großer Mehrheit für die Einführung einer abgestuften Frauenquote. Die Delegierten votierten am Freitagabend mit 559 Stimmen gegen 409 Stimmen für einen Kompromissvorschlag des Bundesvorstands.

Dieser sieht vor, dass vom kommenden Jahr an Vorstände ab der Kreisebene zu einem Drittel mit Frauen besetzt werden, ab 2024 sind es 40 Prozent und ab Mitte 2025 dann 50 Prozent.

Deutschland Friedrich Merz und Angela Merkel 2000
Langjährige Rivalen: Angela Merkel, die Gemäßigte aus Ostdeutschland, und Friedrich Merz, der stramme KonservativeBild: Michael Jung/dpa/picture alliance

"Die CDU ist in ihrer Tradition, in ihrem Menschenbild und in ihrem Weltbild eine Partei, die nicht gerne soziale Satzungen macht", sagte Münch. "Aber jetzt hat sie gelernt, dass sich die Dinge nicht von alleine ändern, jedenfalls nicht zum Besseren. Sie hat große Verluste bei den Wählerinnen. Daraus muss sie natürlich Konsequenzen ziehen."

Offenkundig hat der Abgang von Merkel der Partei in der Wählergunst geschadet. Da sie bei der Bundestagswahl 2021 nicht mehr auf dem Stimmzettel stand, verlor die Partei laut einer infratest dimap-Umfrage bei den weiblichen Wählern im Vergleich zu 2017 zwölf Prozentpunkte, bei den männlichen Wählern dagegen nur sechs Punkte.