Der Deutsche und die Sparsamkeit
9. November 2012Eins vorweg zur Klarstellung: Der Deutsche ist sparsam, aber nicht geizig. Geiz ist die Kehrseite der Gier, und sowas möchte der Deutsche sich nicht anhängen lassen. Schotten sind geizig, vielleicht auch Franzosen. Schließlich hat der Franzose Molière die klassische Darstellung des Geizigen auf die Bühne gebracht. Geiz ist Auswuchs, Übertreibung. Sparsamkeit ist Maßhalten: Maßvoller Umgang mit Geld und Gut. "Spare in der Zeit, dann hast du in der Not", sagt das Sprichwort. Oder auch: "Sparsamkeit und Fleiß machen Häuser groß."
Der gute Hausvater, dieses Sinnbild deutscher Bürgerlichkeit, ist vor allem eins: Sparsam. Er sorgt dafür, dass auch noch das letzte Milligramm Zahncreme aus der Tube geholt wird, nötigenfalls durch Aufschneiden. Er trainiert mit der Familie die Benutzung von Flüssigseife: Tröpfchen für Tröpfchen. Er achtet darauf, dass Lampen nicht unnötig brennen, dass die Dusche beim Einseifen abgestellt wird, dass Teebeutel mindestens zweimal benutzt werden und so fort. Das ist keine Übertreibung. Meine Mutter - ich komme aus dem Bergischen Land - hat Milchtüten aufgeschnitten, um sicher zu sein, dass nichts mehr drin ist vor dem Wegwerfen.
Nicht nur der Deutsche ist sparsamNatürlich ist Sparsamkeit keine deutsche Erfindung. Sie galt schon bei den Römern als Tugend, die Sparsamkeit der Schweizer ist sprichwörtlich, die der Holländer auch - aber die deutsche Sparsamkeit ist gleichsam philosophisch untermauert. "Sparsamkeit in allen Dingen ist die vernünftige Handlung eines rechtdenkenden Menschen", meinte der Aufklärungsphilosoph Immanuel Kant. Will sagen: Sparen ist nicht nur ein Akt von Lebensklugheit, von wirtschaftlicher Vernunft, sondern ein Akt der Rechtschaffenheit. In diesem Sinne hatte schon Martin Luther erklärt: "Der ersparte Pfennig ist redlicher als der erworbene."
Die Charaktereigenschaft der Enthaltsamkeit ist bei den Schwaben besonders ausgeprägt. "Wie ist der Kupferdraht entstanden?" lautet eine beliebte Scherzfrage? Antwort: "Zwei Schwaben bückten sich gleichzeitig nach einem Pfennigstück." Der Scherz geht auch mit Schotten. Und Schotten und Schwaben werden in diesem Witz zusammengespannt: "Was ist ein perpetuum mobile? - Ein Schotte, der einem Schwaben hinterherläuft, der ihm zehn Cent schuldet."
Wider der VerschwendungDas ist natürlich überhaupt nicht witzig, denn der Schwabe ist nicht mehr und nicht weniger sparsam als - sagen wir mal - der Preuße. Oder der Norddeutsche. Oder der Bayer. Alle Deutschen eint eine gleichsam angeborene Abneigung gegen Verschwendung und andere Ausschweifungen. Buchstäblich und im übertragenen Sinne. Verschwendung, das ist wieder so was Südländisches, Unzuverlässiges.
Ja, es gibt Ausnahmen: Der Rheinländer gilt im allgemeinen als wenig zuverlässig, als leichtsinnig, zur Verschwendung und lotterhaftem Leben neigend. Nicht nur zur Karnevalszeit. Aber da ganz besonders. Nur: Die südeuropäischen Einflüsse sind im Rheinland unübersehbar, Köln zum Beispiel nennt sich gerne die nördlichste Stadt Italiens. Das zählt also nicht.