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Die Deutschen und die Bürokratie

Peter Zudeick14. Dezember 2012

Die Bürokratie nützt den Deutschen, raubt ihnen aber ab und zu auch den letzten Nerv. Dabei haben sie daraus ein wahres System gemacht. In seiner achten Kolumne widmet sich Peter Zudeick der deutschen Bürokratie.

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Eine Frau sitzt in Straubing hinter Akten und einem Stempelhalter, während sie telefoniert (Foto: dpa)
Bild: picture-alliance/dpa

Jawoll, da sind wir aber sofort und freudig dabei: Bürokratie, das ist was richtig Deutsches. Also jetzt nicht in dieser gehässigen Übersetzung "Herrschaft der Verwaltung" oder gar "Beamtendiktatur". So ein Quatsch. Bürokratie heißt: Die Gesetze gelten für alle, vor dem Gesetz sind alle gleich, und Heerscharen treuer Staatsdiener sorgen dafür, dass die Gesetze eingehalten werden. Und darauf sind wir Deutschen ganz schön stolz.Ja, gut, der Begriff Bürokratie kommt aus dem Französischen, und die Sache selbst haben die Ägypter erfunden. Die hatten schon 3000 Jahre vor Christus eine hochentwickelte Bürokratie. Aber die Deutschen haben daraus ein System gemacht, das alle Lebensbereiche aufs Wunderbarste und zum Nutzen aller regelt.

Ein telefoniert in einem Büro mit zwei Telefonen (Foto: Picture-Factory)
Überleben im Bürokratie-DschungelBild: Picture-Factory/Fotolia

Bürokratie regelt das Leben

Zunächst regelt Bürokratie natürlich Leben und Wirken der Bürokraten. "Stirbt ein Bediensteter während einer Dienstreise, so ist damit die Dienstreise beendet." Diese verständliche Einsicht finden wir im Kommentar zum Bundesreisekostengesetz. Und die Bundeswehrverwaltung hat schon vor Jahrzehnten festgestellt: "Der Tod stellt aus versorgungsrechtlicher Sicht die stärkste Form der Dienstunfähigkeit dar." Da sage noch einer, Beamtendeutsch sei abstrakt und unverständlich.Aber auch das Alltagsleben der Menschen wird von einer ordentlichen Bürokratie aufs allerfeinste definiert und geregelt. "Margarine im Sinne dieser Leitsätze ist Margarine im Sinne des Margarinegesetzes." So spricht das deutsche Lebensmittelbuch. Und in einer Postdienstvorschrift ist eins der schönsten Exemplare amtsdeutscher Sprachkunst versteckt: "Der Wertsack ist ein Beutel, der auf Grund seiner besonderen Verwendung im Postbeförderungsdienst nicht Wertbeutel, sondern Wertsack genannt wird, da sein Inhalt aus mehreren Wertbeuteln besteht, die in den Wertsack nicht verbeutelt, sondern versackt werden."

Ein Geschäftsmann versinkt in Akten (Foto: Nomad_Soul - Fotolia.com)
Hilfe! Manchmal erstickt man in der BürokratieBild: Nomad_Soul - Fotolia.com

Keine Gondoliere ohne Führerschein

Nun beschränkt sich das segensreiche Tun der Bürokratie natürlich nicht auf die Sprache. Die Taten sind's, genauer die Vorschriften, die unser Herz stets höher schlagen lassen, wenn wir solche Dinge hören: Ein Gastwirt in Leipzig wollte seine Gäste von zwei echten Gondolieri aus Venedig auf dem Fluss rudern lassen, der neben seiner Kneipe liegt. Das Ordnungsamt forderte von den Italienern einen Gondelführerschein. Das hat doch was. Oder die Beschattungsabgabe, die in Bayern gezahlt werden muss, wenn eine Markise in den Luftraum über dem Bürgersteig ragt. Das wollen wir auf keinen Fall missen.Natürlich hat es immer mal wieder Versuche gegeben, dieser wundervollen deutschen Bürokratie den Garaus zu machen. "Bürokratie-Abbau" heißt dieses böse Tun, das den Freund der Bürokratie freilich nicht wirklich schrecken muss. 1983 berief Bundeskanzler Helmut Kohl die erste Kommission zur Entbürokratisierung, die viele Jahre munter Papiere produzierte. Wesentliches Ergebnis: Ein Entbürokratisierungs-Büro in Bonn mit zweieinhalb Stellen und viele, viele schöne Broschüren. Diese Kommission hat seither landauf-landab viele Nachahmer und Nachfolger gefunden. Die Ergebnisse blieben im Wesentlichen gleich. Was wir aufs schärfste begrüßen.

Gondolieri im Spreewald (Foto: DW / José Ospina-Valencia) Bild wurde von José Ospina-Valencia in Burg am 16.09.2012
Ein Versuch war es wert: Keine Gondolieri in DeutschlandBild: DW/J.Ospina-Valencia