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Politik

Die dunkle Seite der Abschiebepolitik

Richard A. Fuchs
13. Juni 2017

Nach mehreren brutalen Anschlägen in Afghanistan hat Deutschland die forcierten Abschiebungen dorthin ausgesetzt - vorerst. Ausreisepflichtige Flüchtlinge, wie der 28-jährige Ramin Mohabat, haben Angst - Todesangst.

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Ein mit abgelehnten Asylsuchenden besetztes Flugzeug startet am 22.02.2017 von München in Richtung Afghanistan
Bild: picture-alliance/dpa/M. Balk

Die Geschichte, die Ramin Mohabat erzählt, ist kaum erträglich. Zwei Jahre ist es her, dass er in der westafghanischen Provinz Herat die Enthauptung eines Mitreisenden mit ansehen musste. Den dort herrschenden Taliban passte das Aussehen eines jungen Mannes nicht, der gerade aus dem Irak in seine Heimat zurückgekehrt war. Der hatte es gewagt, ohne Bart und in westlicher Kleidung ins Talibangebiet zu reisen. Ein "Vergehen", das er mit dem Leben bezahlte. Vor den Augen seiner Mitreisenden schlugen ihm die Talibanschergen den Kopf ab.

Auch heute noch zuckt Ramin Mohabat zusammen, wenn er darüber berichtet. Der 28-Jährige arbeitete damals als Kriegsreporter und Nachrichtensprecher in Herat. Mittlerweile ist Mohabat selbst einer der alleinstehenden jungen Männer, die aus Afghanistan geflohen sind. Seine Flucht nach Deutschland war für ihn eine Qual, ein Mensch starb in seinen Armen. Und über Monate war ungewiss, ob er sein Ziel Deutschland je erreichen würde.

Aus Deutschland abgeschobene Afghanen bei ihren Ankunft in Kabul (23.02.2017)
Abgeschobene Afghanen bei ihren Ankunft in Kabul: Jungen Männer, die Deutschland nicht haben willBild: picture-alliance/dap/M. Jawad

Jetzt ist er angekommen, lebt in der hessischen Kleinstadt Hofheim und jobbt für die Stadtverwaltung als Fotograf. Und er hat fast fließend Deutsch gelernt. Dennoch ist Ramin Mohabat auch einer der jungen Männer, die Deutschland nicht haben will. Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) hat über den Fall bereits entschieden - sein Asylantrag wurde abgelehnt. Eigentlich hätte der 28-Jährige schon längst ausreisen müssen. Er hatte Glück, dass ihm Menschenrechtsorganisationen Anwälte zur Seite stellten. 

Und so denkt Ramin Mohabat, bedroht von seiner eigenen Abschiebung, viel über das Schicksal jenes ermordeten Rückkehrers von damals in Herat nach. Auch Mohabat fürchtet die Rache der Taliban. Er hatte als Kriegsreporter die Zahlen getöteter Talibankämpfer veröffentlicht. "Wer das tut, zahlt mit seinem Leben", sagt der Afghane.

Es gibt keine sicheren Gebiete in Afghanistan 

Und er gibt zu verstehen, dass er die Gründe für seine Abschiebung nicht mehr nachvollziehen kann. "Vergangenes Jahr hieß es 'Refugees Welcome', dieses Jahr sagen alle tschüss und ich weiß nicht warum." Die offizielle Begründung, es gebe auch in Afghanistan sichere Gebiete, in die abgeschoben werden kann, findet Ramin zynisch. Er fragt Politiker mit solchen Argumenten dann gern, wo diese sicheren Gebiete denn zu finden seien? Und er fordert sie auf, sich mit ihm zusammen eine Stunde durch Afghanistan zu bewegen, ohne die üblichen Sicherheitskräfte und gepanzerten Fahrzeuge.

Ramin Mohabat
Flüchtling Mohabat: Von Herat nach Hofheim in HessenBild: DW/R.Fuchs

Auch wenn es von der Bundesregierung heiße, junge arbeitsfähige Männer könnten sich in den sicheren Landesteilen eine neue Existenz aufbauen, zeuge dies von erstaunlich wenig Sachkenntnis, sagt Ramin Mohabat entschieden. Fremde könnten sich in Afghanistan nämlich nicht ohne familiäre Bande in anderen Regionen niederlassen. "Die Leute in Afghanistan sehen sich jeden Tag fünf Mal in der Moschee." Wer keine bekannte Familie, keine dort bekannten Eltern habe, der würde schnell wie ein fremder Spion behandelt.

Zudem würden viele Rückkehrer leichte Beute von Erpressern und Kriminellen, die aufgrund der westlichen Kleider und Turnschuhe vermuten, ihre Opfer hätten viel Geld. In Gebieten unter der Kontrolle der Taliban sei eine Rückkehr ohnehin ausgeschlossen, sagt der 28-jährige Flüchtling. Denn wer in Europa gewesen sei, gilt für sie als Kollaborateur der Christenmenschen.

Ramin Mohabat klagt inzwischen gegen seinen Ablehnungsbescheid. Das Verfahren kann ein bis zwei Jahre dauern. So lange kann er hier bleiben, nur seine anfängliche Motivation, in Deutschland Fuß zu fassen, ist verflogen. "Warum soll ich noch lernen, wenn ich nicht bleiben darf?"