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Die Empörung in der islamischen Welt wird politisch instrumentalisiert

Ibrahim Mohamad 3. Februar 2006

Anstatt die Menschen zu beruhigen, unterstützen die arabischen Regierungen die wütenden Proteste gegen die Mohammed-Karikaturen - und das nicht aus religiösem Eifer. Eine Analyse von Ibrahim Mohamad.

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Demonstration in Westjordanland gegen DänemarkBild: AP
Gewehre für den Glauben
Bewaffnete Besetzung der Europäischen Kommision in GazaBild: AP

Die Veröffentlichung der Mohammed-Karikaturen in der dänischen Zeitung "Jyllands-Posten" provozierte und beleidigte die Gefühle vieler Muslime. Nach ihrem Glauben darf der Prophet Mohammed nicht abgebildet werden. Die Darstellung seines Kopfes in Form einer Bombe hat die Empfindung der Muslime tief getroffen. Sie sahen darin eine unmittelbare Verbindung ihres Propheten und ihrer Religion mit dem Terrorismus.

Wütende Reaktionen

Die Reaktionen in der arabischen Welt auf die Karrikaturen blieben nicht bei friedlichen Protesten: Wütende Menschen in mehr als 25 Ländern gingen auf die Straße. Sie verbrannten dänische Fahnen und riefen zum Boykott dänischer Produkte auf. Es gab sogar zahlreiche Drohungen, darunter auch Bombendrohungen, gegen westliche Bürger und diplomatische Missionen. Manche, wie der kuwaitische Islamgelehrte Scheich Nasem Almisbah, forderten sogar den Tod der Karikaturisten.

Die meisten arabischen Regierungen unterstützen die Proteste, statt die Leute auf der Straße zu beruhigen. Länder wie Saudi-Arabien, Kuwait und Libyen haben sogar ihre Botschafter aus Kopenhagen abberufen und forderten eine harte Bestrafung der Verantwortlichen sowie eine Entschuldigung der dänischen Regierung.

Solche Forderungen zeigen offensichtlich, dass die arabischen Regierungen nicht in der Lage sind, die Beziehung zwischen Staat und Meinungsfreiheit in Europa zu verstehen. Während die Meinungsfreiheit in Europa in der Verfassung verankert ist und eine klare Trennung zwischen Staat und Religion den Alltag bestimmt, spielt der Islam eine dominierende Rolle im arabischen Alltag. Und so fühlen sich viele Muslime persönlich beleidigt, sobald ihre Religion auf diese verletzende Weise dargestellt wird. Hinzu kommt, dass sie nicht verstehen, dass Politiker im Abendland keinen direkten Einfluss auf die Presse ausüben dürfen, wie es in der arabischen Welt üblich ist.

Scharfe Reaktionen

Die Reaktionen auf diesen Vorfall überschreiten die üblichen Grenzen des Protests. In der arabischen Welt und vor allem im Irak werden immer wieder Menschen ermordet und ihre Moschen und Kirchen zerstört. Dagegen gab es weder Massendemonstrationen auf den arabischen Straßen noch offizielle Proteste von arabischen Regierungen.

Die Vermutung liegt nahe, dass sich hinter den überzogenen Reaktionen keine religiösen, sondern eher politische Motive verbergen: Islamistische Gruppen versuchen, dadurch Hass gegen den Westen zu schüren und somit ihren politischen Einfluss zu festigen. Durch ihre scheinbare Solidarität mit der Protestwelle versuchen die arabischen Regierungen und Machthaber von ihrem innenpolitischen Versagen abzulenken und westliche Rufe nach Reformen in deren Ländern zu diskreditieren.

Politisches Kapital

Dass aus den Karikaturen Kapital geschlagen wird, zeigten die Ereignisse in den palästinensischen Gebieten: Die Proteste wurden nicht etwa von der Hamas oder dem Islamischen Dschihad angeführt, sondern von den Al-Aksa Brigaden, dem militärischen Flügel der säkularen Fatah. Sie wollen offensichtlich die Gunst der Stunde nutzen, um ihrer Frustration wegen der verlorenen Parlamentswahlen Ausdruck zu verleihen. Die arabischen Regierungen wiederum dürften die Gelegenheit wohl für einen Angriff auf die Pressfreiheit nutzen.

Der Umgang der arabischen Medien mit dem Karikaturenstreit ist bisher recht unterschiedlich: Während bekannte Medienanstalten wie Al-Dschasira das Thema an der vordersten Stelle behandelten, wurde es in der renommierten, transarabischen Zeitung Alhayat in der zweiten und dritten Reihe platziert. Sowohl die regierungsnahen als auch die relativ unabhängigen Medien waren sich mit ihren Lesern schnell darin einig, dass diese Art der Darstellung des Propheten entwürdigend und zugleich beleidigend ist.

Schwieriger Dialog

Kritische Stimmen blieben weitgehend die Ausnahme. Der Kommentator der jordanischen Zeitung Al-Shihan fragte provozierend nach: "Was schadet dem Islam am meisten: diese Zeichnungen oder Bilder eines Geiselnehmers vor laufender Kamera, der die Kehle seines Opfers durchschneidet und ein Selbstmordattentäter, der sich bei einer Hochzeit in Amman in die Luft sprengt?"

Europa und insbesondere Deutschland haben in den vergangenen Jahren ihre Dialogbemühungen mit der arabischen und islamischen Welt intensiviert. Seitdem die arabische Welt Ehrengast der Frankfurter Buchmesse im Jahr 2004 war wurde einiges erreicht. Nun stellen diese Karikaturen mit ihren Folgen einen Rückschlag in diesem Dialog dar. Nach Ansicht vieler arabischer Kommentatoren fördern solche Veröffentlichungen nur die extremistischen Gruppen, die keinen Dialog mit dem Westen wollen. Zielgerichtete Beleidigungen wie diese vergifteten die Beziehungen zwischen dem Islam und den Westen, meint Abd Albari Atwan, Chefredakteur der in London erscheinenden, panarabischen Zeitung Al-Quds Al-Arabi. Mit der Veröffentlichung der Karikaturen in anderen europäischen Ländern dürfte der Graben zwischen Orient und Okzident noch tiefer werden.