Domino-Steine fallen
16. Oktober 2008Der Profi-Radsport liegt - zumindest in Deutschland - in seinem selbst geschaufelten Grab. Zugrundegerichtet von seinen dreisten Protagonisten, die sich einen Dreck um Sportsgeist, Glaubwürdigkeit, Vorbildfunktion und auch die eigene Gesundheit scherten. Immer länger wird die Liste der gefallenen Helden.
Die jüngsten Zugänge Stefan Schumacher und Bernhard Kohl zeigen, dass alle Konzepte zur Selbstreinigung versagt haben. Beide fuhren für den Rennstall Gerolsteiner, dessen Teamchef Hans-Michael Holczer sich wie kaum ein anderer für einen sauberen Radsport ins Zeug legte. Er sei gescheitert, sagt Holczer, er kapituliere vor der kriminellen Energie. Der Gerolsteiner-Chef verlässt das Metier, der Rückzug als einzige, als letzte Option.
Das sahen offenbar auch die öffentlich-rechtlichen Sender so. Ihre Kehrtwende in Sachen Tour de France kommt alles andere als überraschend. Der politische Druck stieg, die Einschaltquoten sanken. Mit dem Ausstieg aus der Live-Berichterstattung der Tour wird Profi-Radsport in Deutschland wieder zur Randsportart.
Denn es ist wie beim Domino. Fällt ein Stein, fallen die anderen auch. Wird nicht mehr intensiv über Radsport berichtet, fehlt Sponsoren die Plattform, um sich zu präsentieren. Geht das Geld aus, sterben die Veranstaltungen. Die Absage der Deutschland-Tour 2009, des wichtigsten Etappenrennens hierzulande, ist insofern eine logische Folge der Entwicklung. Weitere Dominosteine wackeln bereits bedenklich: Das einzige noch verbliebene deutsche Profi-Team Milram, die wenigen klassischen Eintagesrennen wie "Rund um den Henninger Turm" oder "Rund um Köln". Ganz zu schweigen von den vielen kleinen Amateurrennen, denen der Geldhahn abgedreht wird. Gerade hier finden sich die unschuldigen Opfer der Krise. Ob die Herren Schumacher und Kohl auch nur einmal an die radsportbegeisterten Kinder und Jugendlichen gedachten haben, die Rennen fahren wollen?