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Die "Enzyklopädie des Wissens"

Matthias von Hellfeld

Die 35-bändige "Enzyklopädie des Wissens" sollte als Werk der Aufklärung verstanden werden. Der "mündige Bürger" solle an gesellschaftlichen Prozessen teilhaben – weder Glaube noch Unwissenheit solle das verhindern.

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Wissenschaft auf dem Vormarsch: Die Entdeckung des Planetensystems
Wissenschaft auf dem Vormarsch: Die Entdeckung des PlanetensystemsBild: DW-TV
35 Bände umfasste die "Enyzklopädie des Wissens"
35 Bände umfasste die "Enyzklopädie des Wissens"Bild: AP

Im Laufe des 17. und 18. Jahrhunderts hatten Wissenschaftler Erkenntnisse gewonnen, die das bis dahin gültige Wissen ersetzt hatten. Man hatte den Zusammenhang des Planetensystems herausgefunden, entdeckt, wie man Wasserkraft nutzen konnte, hatte fremde Kontinente erschlossen und bewiesen, dass die Erde keine Scheibe war. Immer mehr hatte sich der Grundsatz durchgesetzt, dass nicht Glaube, sondern Wissen die Suche nach Antworten auf die Fragen des Lebens bestimmen sollte.

Damit aber waren auch die Erklärungsmuster der katholischen Kirche weitgehend hinfällig. Denn deren Definition des Lebens beruhte im Wesentlichen auf einem Gott gefälligen Leben auf Erden mit der Aussicht auf reichliche Entlohnung im Jenseits. Die heilige Schrift und die apostolische Interpretation hatte den Menschen Jahrhunderte lang eine überirdische Sinnerklärung des Lebens angeboten. Damit ließen sich für die einen die irdischen Ungerechtigkeiten leichter ertragen und für die anderen besser begründen.

Wissen statt Glauben

Den Alltag sollte Wissen und nicht mehr der Glaube prägen
Den Alltag sollte Wissen und nicht mehr der Glaube prägenBild: picture-alliance/ ZB

Aber nicht nur die offensichtlichen Ungerechtigkeiten, die das Leben prägten, waren ausschlaggebend dafür, dass sich die Gedanken der Aufklärung immer mehr durchsetzten. Ketzerprozesse, Inquisition und abgrundtiefer Hass zwischen Anhängern unterschiedlicher religiöser Auffassungen hatten den Glauben insgesamt in Verruf gebracht. Eine Religion, die nicht Liebe sondern Hass hervorbrachte, und eine Kirche, die Menschen quälte und verfolgte, waren wenig glaubwürdig.

Büste des französischer Schriftsteller und Philosoph Denis Diderot
Französischer Schriftsteller und Philosoph Denis DiderotBild: picture-alliance/dpa

Wenn nicht mehr Glauben, sondern Wissen die neue Maxime war, dann mussten das Wissen und die Erkenntnisse der Wissenschaft gesammelt und für jeden zugänglich gemacht werden. Dieser Aufgabe nahmen sich seit 1751 die beiden französischen Philosophen Denis Diderot (1713 – 1784) und Jean Lerond d’Alembert (1717 – 1783) an. Sie verfassten in fast 30-jähriger Arbeit die "Enzyklopädie des Wissens", die sämtliche natur- und geisteswissenschaftlichen Erkenntnisse ihrer Zeit umfasste.

Befreiung aus der Unmündigkeit

Deutscher Philosoph Immanuel Kant
Deutscher Philosoph Immanuel KantBild: dpa

Durch Anhäufung von Wissen und einer von Vernunft gesteuerten Bildung sollten die Menschen zu eigenständigem Denken fähig und gleichzeitig mündig werden. Aberglauben oder religiöse Schwärmereien hatten in diesem Weltbild ebenso keinen Platz wie die Unterdrückung durch absolutistische Herrscher. Damit war die Enzyklopädie ein Werk der Aufklärung, die den Menschen aus der "selbstverschuldeten Unmündigkeit", wie es der deutsche Philosoph und Aufklärer Immanuel Kant (1724 – 1804) formuliert hatte, befreien wollte.

Jean-Jaques Rousseau
Jean-Jaques RousseauBild: DW

Der durch Bildung und Wissen mündig gewordene – also "aufgeklärte" - Bürger habe einen Anspruch auf Teilhabe an den politischen Entscheidungen seiner Gesellschaft. Dieser "aufgeklärte Bürger" - so die Vorstellung Jean Jacques Rousseaus (1712 – 1778) – sei so umfassend gebildet, dass er sich einem durch freie Willensbildung entstandenen "Gesellschaftsvertrag" unterwerfen werde, ohne dass er dabei seine persönliche Freiheiten aufgeben müsse. Dieser "ideale Gemeinschaftswille" ("volonté générale") beeinflusste viele Denker und Philosophen des 18. Jahrhunderts. Die Gedanken der Aufklärung verbreiteten sich rasch. In Deutschland verschlangen Immanuel Kant, Johann Gottlieb Fichte (1762 – 1814) oder Georg Wilhelm Friedrich Hegel (1770 – 1831) und später auch Karl Marx (1818 – 1883) die Werke der französischen Aufklärer. Auch wenn die Wirkung zunächst beschränkt war, gab es zumindest unter deutschen Intellektuellen eine Aufbruchstimmung. Ihrer Meinung nach widmete sie sich der Befreiung des Individuums und der unterdrückten "deutschen Nation".