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Embargo als Druckmittel

Das Gespräch führte Erning Zhu28. Oktober 2006

Die EU-Kommission hat eine neue China-Strategie vorgelegt. Franco Algieri, der China-Experte der Europäischen Union, erläutert im Gespräch mit DW-WORLD die wichtigsten Neuerungen.

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Franco Algieri
Franco AlgieriBild: Franco Algieri

DW-WORLD: Wann war das letzte Mal, dass die EU eine vergleichbar umfangreiche China-Strategie vorgelegt hat?

Franco Algieri: Das letzte vergleichbar umfangreiche China-Papier datiert aus dem Jahr 2003. Diesmal ist es nicht ein umfassendes Papier, in dem alles festgelegt ist, sondern es sind zwei: Da ist ein Papier, in dem es um die Partnerschaft zwischen der Europäischen Union und China sowie um die gemeinsame Verantwortung geht. Das zweite konzentriert sich sehr stark auf die handelspolitischen Aspekte.

Darum scheint es meistens zu gehen. Man hat bisweilen den Eindruck, dass die Beziehungen zwischen der Europäischen Union und China ausschließlich durch die Wirtschaftsinteressen bestimmt sind.

Das war in der Vergangenheit so. Heute ist die Ökonomie immer noch der wichtige Punkt in der Partnerschaft. Aber dass sie nur durch die Ökonomie bestimmt sei, ist nicht mehr richtig, weil bei politischen Dialogen zunehmend sicherheitspolitische Aspekte, Fragen der Entwicklung in Europa und Asien und auch globale Fragen aufgegriffen werden. Sowohl Europa als auch China haben erkannt, dass es im 21. Jahrhundert Herausforderungen gibt, die nur gemeinsam gelöst werden können. Die Europäer, und das kommt in beiden Dokumenten deutlich zum Ausdruck, haben erkannt, dass China im 21. Jahrhundert Global Player ist, an dem nichts vorbei führt. Das Interessante an dem ersten, dem politischen Dokument ist, dass dort explizit angesprochen wird, dass sich Europa und China gemeinsam um Afrika kümmern müssen. Beide haben Interesse an Afrika als Kontinent im Blick auf die Stabilität, möglicherweise auch auf die Ressourcen. Die beiden Akteure wollen sich gemeinsam dieser Aufgabe stellen.

Spielen Werte wie Demokratie, Menschenrechte und Rechtsstaatlichkeit eine Rolle?

Früher gab es immer diese Kritik: Die Europäer sind gekommen, um den Handel zu betreiben, während die Demokratie, Menschenrechte und Rechtsstaatlichkeit vergessen werden. Hier ist das politische Dokument klarer geworden, in dem gesagt wird: Wir Europäer müssen feststellen, dass wir in dieser Dialogform große Defizite haben und dass wir in der Vergangenheit nicht das erreicht haben, was wir wollen.

Welche Defizite meinen Sie?

Verbesserung in der Menschenrechtslage, im System der Rechtsstaatlichkeit in China sind wohl nicht so weit gegangen, wie sich die Europäische Union erhofft hat. Das wurde im Papier indirekt zugegeben. Die Partnerschaft zwischen der EU und China ist auf Werte gestützt. Nun ist das große Problem: Wer bestimmt die Werte? Die Europäer oder die Chinesen? Im Bezug auf die Werte finden wir den Satz, dass weiterhin Unterschiede bestehen, weswegen die Dialoge weiter geführt werden. Man hat erkannt, dass man hier nicht das einheitliche Wertebild hat. Um diese Unterschiede zu überwinden, gibt es eine Reihe von Maßnahmen. Jetzt wird etwa großer Wert auf Förderung der Zivilgesellschaft und Weiterführung der Menschenrechtsdialoge gelegt.

China wünscht sich mindestens zwei Dinge von der EU: Anerkennung Chinas als Marktwirtschaft und Aufhebung des Waffenembargos.

Zur Marktwirtschaft interpretiere das ich so, dass die EU-Kommission sagt: Es gibt zu viele Probleme - insbesondere die Intervention des Staates in den ökonomischen Prozess - als dass China als Marktwirtschaft zu bezeichnen wäre. Den Status Marktwirtschaft zu bekommen, ist im Moment für China noch sehr schwierig. Zum Waffenembargo wird in einem Papier ausdrücklich gesagt, dass dieses Thema noch nicht abgeschlossen ist und die beiden Seiten darauf hin arbeiten sollen, Bedingungen für eine Einigung zu schaffen.

Sowohl die Frage Marktwirtschaft als auch das Waffenembargo werden im Moment von den Europäern als Verhandlungsmasse benutzt, um gegenüber China europäische Interessen durchzusetzen. Es soll auch das neue Partnerschafts- und Kooperationspartner-Abkommen zwischen der EU und China abgeschlossen werden - das jetzige Abkommen basiert auf einem vom Jahr 1985, das ist einfach nicht ausreichend. Es werden ganz klare und harte Verhandlungen geführt werden: Was gebt ihr uns und was kriegt ihr dafür. Die Fragen Marktwirtschaft und Waffenembargo sind natürlich gute Verhandlungspunkte, sie sind Joker, die man in der Hand hat. Umgekehrt hat China auch seine Joker.

Welche sind das?

Ein Joker ist beispielsweise die Verbesserung des Zugangs für die europäischen Investoren, und überhaupt Marktzugang als solches. Gerade ist der Kauf von 150 Airbus-Flugzeugen durch China beschlossen worden und weitere Käufe wurden in Aussicht gestellt wurden. Das sind natürlich Dinge, mit denen die Europäer gelockt werden.

Franco Algieri ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am Centrum für angewandte Politikforschung (C.A.P) in München und lehrt am Geschwister-Scholl-Institut der Ludwig-Maximilians-Universität München. Er ist außerdem Gastprofessor an der Renmin Universität in Peking. Zahlreiche Veröffentlichungen zur Außenpolitik der EU und den Beziehungen EU-Asien mit Schwerpunkt China.