Die Farben der "Urkatastrophe"
Nachkoloriert? Von wegen! 100 Jahre nach Ausbruch des Ersten Weltkriegs zeigt ein Fotoband die einzigen Farbfotografien des Krieges. Die Bilder sind gleichermaßen Zeitzeugnisse und Kunstwerke.
Von verwüsteten Städten ...
Im Ersten Weltkrieg diente die Fotografie in erster Linie militärischen und propagandistischen Zwecken. Das Bild zeigt den Blick über die Maas auf das zerstörte Verdun. Allein auf deutscher Seite waren im Herbst 1916 400 Mitarbeiter mit der Aufnahme und Auswertung von Luftbildern beschäftigt. Auch privat fotografierten einige und dokumentierten ebenso Momente der Freude.
... zum Sonnenuntergang im Frieden
Der TASCHEN-Verlag zeigt in dem Buch "Der Erste Weltkrieg in Farbe" (Hg. Peter Walther) mehr als 320 Farbfotografien - zusammengetragen aus Archiven in Europa, den USA und Australien. Sie halten die Ereignisse dieser Kriegsepoche mit den Mitteln der Fotografie fest - von der Mobilmachung im Jahr 1914 bis zu den Siegesfeiern in London, New York und Paris am 14. Juli 1919 am Arc de Triomphe.
Fotos in Farbe - eine Neuheit
Fotografiert wurde mit der Autochrom-Technik, die sich die Brüder Lumière bereits 1904 hatten patentieren lassen. Winzige farbige Stärkepartikel dienten als Farbfilter - ähnlich den Pixeln heutiger Digitalfotografie. Die Punktierung gibt den Bildern bis heute ihren gemäldeartigen Charme. Im Bild ist das französische Luftschiff "Alsace" zu sehen, das am 3. Oktober 1915 abgeschossen wurde.
An der Front
Da das Autochrom-Verfahren relativ lange Belichtungszeiten erforderte, zeigen die Bilder zumeist sorgfältig komponierte Szenen, die in Frontnähe aufgenommen wurden. Zugleich erhalten wir einen Einblick in den Alltag der Menschen und die Schrecken, denen sie ausgesetzt waren. Im Bild: Motorisierte Lafette mit einem Geschütz zur Luftabwehr in Verdun 1916.
Aufruf zur Spende
Dieses Foto eines Munitionslagers in Frankreich wurde 1918 im Auftrag des American Committee for Devastated France (1917-1924) aufgenommen. Das Komitee versuchte, das Leid der französischen Kriegsflüchtlinge zu lindern. Die Fotos wurden genutzt, um den US-Amerikanern die Situation zu veranschaulichen und Spenden einzuwerben.
Privataufnahmen für die Familie
Zum ersten Mal in einem Krieg wurden neben der offiziellen Fotografie zu Propagandazwecken auch millionenfach Privatbilder zur persönlichen Erinnerung oder zur Veranschaulichung des Frontlebens für die Familie aufgenommen. In der französischen Armee war das Fotografieren offiziell verboten, kontrolliert wurde diese Regelung offenbar nicht. Im Bild posiert ein Soldat in einem Betonschützengraben.
Krieg aus der Luft
Im Ersten Weltkrieg spielte zum ersten Mal der Krieg aus der Luft eine Rolle. Das Bild zeigt ein französisches Kriegsflugzeug. Briten und Franzosen verfügten zu Beginn des Krieges zusammen über etwa gleichviele Flugzeuge wie die Deutschen. Die Luftaufklärung durch das Royal Flying Corps trug wesentlich dazu bei, dass der deutsche Vorstoß an der Marne gestoppt werden konnte.
Rollende Panzer
Die ersten Panzer wurden im Herbst 1916 von den Briten eingesetzt, um die festgefahrenen Fronten aufzubrechen. Fotografiert wurde der englische Panzer im Bild in Péronne bei Amiens. Bis zu 6.000 Panzer konnten die Alliierten bis 1918 aufbieten. In Deutschland wurde die neue Waffe zunächst unterschätzt. Erst im Frühjahr 1918 kam der einzige selbstentwickelte Panzer "A7V" zum Einsatz.
Die Schnelligkeit des Krieges
Der Erste Weltkrieg brachte eine ganze Reihe neuer Waffen hervor: Vom Panzer über den Krieg aus der Luft bis zum Einsatz von Giftgas. Die Motorisierung machte es zugleich aber auch zum ersten Mal im großen Stil möglich, Verwundete relativ schnell zu den medizinischen Sammelpunkten zu transportieren - zum Beispiel mit dem englischen Ambulanzwagen von 1914.
Kunstwerk und Zeugnis zugleich
Den Fotopionieren gelang es, die Photochromplatten über die vier Kriegsjahre hinwegzuretten. Ihre Aufnahmen sind nicht allein Zeugnisse der "Urkatastrophe des 20. Jahrhunderts", sie sind vor allem große Kunst. Es wurde Zeit, dass sie wiederentdeckt werden. "Der Erste Weltkrieg in Farbe", Hg. von Peter Walther, TASCHEN, Hardcover, 384 Seiten, 39,99 Euro.