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Die Straßburger Eide vom 14. Februar 842

Matthias von Hellfeld

Es war ein klirrend kalter Tag, als die Heere der Brüder Ludwig "der Deutsche" und Karl "der Kahle" vor Straßburg erschienen. Der ostfränkische und der westfränkische König schworen an diesem Tag die Straßburger Eide.

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Strassburger Eide (Nithard, Historiarum libri IV Ms.lat.9768, fol.13 r, Paris, Bibliotheque Nationale.)
Das Schriftstück der Strassburger EideBild: picture-alliance/dpa

Seit dem Tod Karls des Großen (ca. 747 –814) am 28. Januar 814 herrschte Unruhe im Frankenreich. Die Enkelgeneration des Reichsgründers kämpfte um das Erbe. Es ging um die Rolle, die Ludwig "der Fromme" (778 – 840) – der Sohn Karls – seinem Sohn Lothar I. (795 –855) zugedacht hatte. Er war schon 817 zum Mitkaiser erhoben worden, während Ludwig "der Deutsche" (806 –876) und Karl "der Kahle" (823 –877) als Könige mit der Ost- bzw. Westhälfte des Frankenreichs bedacht worden waren. Daraus entwickelte sich – mit wechselnden Koalitionen – eine Dauerfehde unter den Karolingern.

Grundstein für die Staaten Frankreich und Deutschland

Blick auf Straßburg
Blick auf StraßburgBild: dpa

Um dem Bruderzwist eine Ende zu bereiten und gleichzeitig eine Koalition gegen Lothar zu schmieden, trafen sich Ludwig und Karl mit ihren jeweiligen Heeren am 14. Februar 842 in Straßburg. Die auf dem Straßburger Marktplatz geschworenen Eide stellten nicht nur eine Wende im karolingischen Erbfolgestreit dar, sondern markieren auch aus einem weiteren Grund einen Meilenstein in der europäischen Geschichte. Denn zum ersten Mal ist dokumentiert, dass sich die Bewohner der östlichen und der westlichen Hälfte des alten Frankenreichs nicht mehr in einer Sprache verständigen konnten.

Karl der Kahle (Stahlstich, 1845, von Charles Amedee Colin (1808-1873) nach dem Gemaelde, 1837, von Carl von Steuben (1788-1856) Ch.Gavard, Galeries Historiques de Versailles)
Karl der KahleBild: picture-alliance/dpa

Die Eidesformel, die erst Ludwig etwas langatmig und umständlich den beiden Heerscharen vortrug, stellte den gemeinsamen Bruder Lothar als gänzlich ungeeignet für das hohe Amt des Kaisers dar. Seine angeblich unbezähmbare Streitsucht treibe die Teile des großen Frankenreiches auseinander und dieser Zustand sei nicht hinnehmbar. Deshalb wolle er hier und jetzt mit seinem Bruder einen Eid ablegen, der beide untrennbar gegen Lothar I. verbinde. Ludwig "der Deutsche" verwendete dabei die "romana lingua", aus der sich später die französische Sprache entwickelte. Karl "der Kahle" schloss sich in der "teudisca lingua", der Grundlage der deutschen Sprache, an. Beide leisteten den Straßburger Eid also in dem Dialekt des jeweils anderen – damit die Krieger des jeweils anderen den Eid verstehen konnten.

Die Aufteilung Mitteleuropas – bis heute Gesicht des Kontinents

Vertrag von Verdun, 843 (F. Buelau, Deutsche Ge- schichte, 2. Bd., Dresden 1862.)
Vertrag von VerdunBild: picture-alliance / akg-images

Diese sprachliche Entwicklung wurde an diesem 14. Februar 842 erstmals urkundlich festgehalten. In den folgenden Jahren wurden weitere Verträge geschlossen, die die Aufteilung Mitteleuropas besiegelten und dem Kontinent das bis heute bekannte Gesicht gaben. Im Vertrag von Verdun 843 erhielt Ludwig "der Deutsche" das ostfränkische Reich, das an seiner westlichen Seite ungefähr durch den Lauf des Rheins, im Süden entlang einer Linie von Genf nach Chur und im Osten bei Regensburg, Magdeburg und Hamburg begrenzt war. Die Mitte Europas wurde Kaiser Lothar I. zugeschlagen und reichte von Friesland über Lothringen, Burgund und die Lombardei nach Italien. Karl "dem Kahlen" wurde der Westen des Reiches zuerkannt – in Grenzen, die im Wesentlichen dem heutigen Frankreich entsprechen.

870 wurde im Vertrag von Meersen der mittlere Teil, also die heutigen Benelux-Staaten bis zum damaligen Burgund, aufgelöst und in fast gleichen Teilen dem ost- bzw. westfränkischen Reich zugeschlagen. Das Reichs Lothars wurde nach dessen Tod aufgelöst und im Süden zum Königreich Italien unter einem langobardischen König erklärt. Die endgültigen Grenzen zwischen dem späteren Frankreich und Deutschland wurden 880 im Vertrag von Ribemont gezogen: Auch der Westteil des ehemals von Lothar I. regierten Teil wurde nun dem ostfränkischen Reich zugeteilt.

Die heute so oft beschworene deutsch – französische Partnerschaft, die als Motor für die europäische Entwicklung unverzichtbar sei, hat ihre Wurzeln im frühen 9. Jahrhundert, als aus einem Reich zwei Teilreiche wurden, die sich im Laufe der kommenden Jahrhunderte eigenständig entwickelten.