Die Geschichte eines Kunstkrimis
Der Fall Gurlitt bleibt aufregend, spannend und zwielichtig. Im November 2013 erfuhr die Welt zum ersten Mal von einem gewissen Cornelius Gurlitt und einem Kunstschatz in München. Ein Kunstkrimi mit brisanten Folgen.
Ein alter Mann und sein Kunstschatz
Im September 2010 kontrollieren Zollbeamte einen älteren Herren im Zug von Zürich nach München. Sein Name: Cornelius Gurlitt. Er trägt auffallend viel Bargeld bei sich. Nicht verboten, aber verdächtig: Die Grenzer geben seine Daten an die Steuerfahndung weiter. 2011 folgt ein Durchsuchungsbeschluss für seine Münchener Wohnung. Die Fahnder machen einen erstaunlichen Fund.
Nazi-Schatz inmitten von Gerümpel
In seiner Münchner Wohnung entdecken die Zollfahnder zwischen Müll und abgelaufenen Konservendosen einen unfassbaren Kunstschatz: Gemälde, Zeichnungen und Druckgrafiken, die seit Ende des Zweiten Weltkriegs als verschollen gelten. Doch die Geschichte dieser kostbaren Kunst ist mit viel Leid und Unrecht verbunden.
Raubkunst-Skandal des Jahrhunderts
Die Werke stehen im Verdacht NS-Raubkunst zu sein. Es sind Gemälde von Pablo Picasso, Henri Matisse, Marc Chagall, Paul Klee, Max Liebermann (wie im Bild: "Zwei Reiter am Strand") und anderen Meistern der Klassischen Moderne. Vermutlich wurden sie von den Nazis als "entartet" beschlagnahmt oder jüdischen Sammlern geraubt. Der Name Gurlitt ist in Kunstkreisen kein unbeschriebenes Blatt.
Beschlagnahmt, geraubt, verkauft...
Sein Vater, Hildebrand Gurlitt, handelte unter Adolf Hitler mit "entarteter Kunst" und kaufte für das geplante Führermuseum in Linz ein. Kunstwerke, die in Museen beschlagnahmt oder jüdischen Eigentümern abgepresst wurden, verkaufte der Kunsthändler ins Ausland. Nach dem Krieg gibt er an, seine private Kunstsammlung und seine Geschäftsunterlagen seien im Feuersturm von Dresden verbrannt.
Aus dem Leben eines Löwenbändigers
2011 verkauft sein Sohn Cornelius Gurlitt Max Beckmanns "Löwenbändiger": Auf der Rückseite des Bildes klebt ein Etikett der Galerie Flechtheim mit der Jahreszahl 1931 - ein Alarmsignal. Denn der jüdische Kunsthändler floh 1933 aus Deutschland und ließ zahlreiche Kunstwerke zurück. Hätte die Kunstwelt hier schon stutzig werden müssen? Das Bild wird für 864.000 Euro versteigert.
Besitzer, bitte melden!
Im November 2013 erfährt die Öffentlichkeit vom sogenannten "Schwabinger Kunstfund". Schon seit 2011 ist die Kunsthistorikerin Meike Hoffmann (im Bild rechts) damit beauftragt, die Herkunft der Gemälde zu ermitteln. Wem gehören die Bilder? Es ist kompliziert - juristisch, moralisch und kunsthistorisch.
Wem gehören die Bilder?
Provenienzforscher wie Meike Hoffmann recherchieren die Herkunft und Geschichte eines Bildes. Hinweise können Etiketten auf der Rückseite eines Werks geben oder auch Geschäftsunterlagen von Händlern und Auktionshäusern. Cornelius Gurlitt hat die Bilder von seinem Vater geerbt. Doch Nachfahren jüdischer Familien und Anwälte fordern die Rückgabe der Bilder.
Lex Gurlitt im Bundesrat
Nach deutschem Recht ist der Fall Gurlitt klar: Nach 30 Jahren sind alle Ansprüche der Eigentümer auf Herausgabe der Kunstwerke erloschen und damit der Raub seitens der Nazis verjährt. Das bayerische Justizministerium legt einen Gesetzentwurf vor, der die Verjährungsfrist aufheben soll, wenn Personen wissentlich im Besitz von Raubkunst sind - der Entwurf wird nach wie vor noch geprüft.
Tonnenschwerer politischer Druck
Die Bundesregierung und die bayerische Staatsregierung setzen eine Taskforce für den "Fall Gurlitt " ein und versprechen Aufklärung. Passiert ist bislang wenig: Nur wenige einzelne Bilder konnten als Raubkunst identifiziert werden. Die Experten unter der Leitung von Ingeborg Berggreen-Merkel recherchieren bis heute die Herkunft der Bilder. Dabei ist Eile geboten, denn die Erben sind alt.
"Ich will mein Erbe zurück!"
Der 88-jährige New Yorker David Toren verklagt Deutschland und Bayern. Er will das Bild "Zwei Reiter am Strand" aus dem Gurlitt-Fund zurück. Es gehörte einst seinem Großonkel David Friedmann, der 1942 von den Nazis umgebracht wurde. Vor allem die Nachkommen jener jüdischen Sammler, die von den Nationalsozialisten enteignet wurden, irritiert das juristische Durcheinander.
Teil zwei im Kunstkrimi Gurlitt
Dieses Mal kommt die Sensationsmeldung aus Österreich. Im verlassen wirkenden Haus der Familie Gurlitt in Salzburg stellen die Anwälte von Cornelius Gurlitt Gemälde von Monet, Manet, Corot, Courbet und Renoir sicher. Sein Sprecher sagt, es handele sich um Privateigentum. Doch auch über diesen Fund breitet sich der dunkle Verdacht, es könnte sich um NS-Raubkunst handeln.
Gurlitt will Raubkunst zurückgeben
Nach monatelangen Untersuchungen schließt Cornelius Gurlitt mit der Bundesregierung eine Vereinbarung. Er erklärt sich dazu bereit, alle unter Raubkunstverdacht stehenden Bilder freiwillig auf ihre Herkunft untersuchen zu lassen, im Gegenzug erhält er die 2012 beschlagnahmten Bilder zurück. Am 6. Mai 2014 stirbt Cornelius Gurlitt im Alter von 81 Jahren in München. Der Kunstkrimi geht aber weiter.
Der Kunstschatz soll in die Schweiz
Überraschend vermacht Cornelius Gurlitt seinen Kunstschatz dem Kunstmuseum Bern. In seinem Testament hält er fest, dass seine Sammlung in die Schweiz gehen soll. In ein Land und in eine Region, an die er gute Erinnerungen habe. Die Bundesregierung und die Taskforce begrüßen seinen letzten Willen, aber ein Teil der Familie Gurlitt fühlt sich übergangen.
Ist Gurlitts Testament gültig?
Kurz vor der Entscheidung des Berner Museums, das Erbe von Cornelius Gurlitt anzutreten oder nicht, taucht ein Gutachten auf, das Zweifel am Testament schürt. Seine Cousine Uta Werner erhebt Anspruch auf den Kunstschatz. Schon Tage vor der offiziellen Pressekonferenz des Kunstmuseums am 24.11. spekuliert die Presse: Bern wird das Erbe annehmen. Ist Gurlitts Wille damit erfüllt? Fortsetzung folgt.