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Taskforce Schwabinger Kunstfund legt Abschlussbericht vor

Stefan Dege14. Januar 2016

Fast vier Jahre sind seit dem spektakulären "Schwabinger Kunstfund" vergangen. Vom Staat bestellte Experten überprüften die Sammlung von Cornelius Gurlitt auf Raubkunst. Warum nur fällt ihr Ergebnis so dürftig aus?

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Zwei Reiter am Strand aus dem Schwabinger Kunstfund (vermutlich bis 1939 Sammlung David Friedmann, Breslau)
Bild: gemeinfrei

Rund 1500 wertvolle Kunstwerke – Zeichnungen und Gemälde – lagerten in der Münchener Wohnung von Cornelius Gurlitt, Sohn des für Hitler tätigen Kunsthändlers Hildebrand Gurlitt. Staatsanwälte beschlagnahmten die millionenschwere Sammlung und verloren kein Wort darüber. Als Monate später - im November 2013 - das Magazin "Focus" darüber berichtete, staunte die Kunstwelt nicht schlecht. Bis heute beschäftigt der "Fall Gurlitt" Erben, Kunstsammler, Richter, Politiker und Journalisten rund um den Globus. Ein Ende ist nicht absehbar.

Einen Schlusspunkt setzte jetzt immerhin Deutschlands Kulturstaatsministerin Monika Grütters. In Berlin legte sie den Abschlussbericht der Taskforce vor, die aufgelöst wird, und zog eine positive Bilanz. Es bleibe Ziel der Bundesregierung, die Herkunft aller Gurlitt-Bilder aufzuklären, betonte Grütters. Taskforce-Chefin Ingeborg Berggreen-Merkel sagte, zu sämtlichen Werken aus dem Münchner Bestand seien die Grundrecherchen abgeschlossen. Das Material stehe nun für weiterführende Recherchen zur Verfügung.

Rund 25 Monate sind seit Einrichtung der Taskforce durch die Bundesregierung und den Freistaat Bayern vergangen. Fast zwei Millionen Euro wurden für die Herkunftsforschung ausgegeben. Mittlerweile hat Grütters ein Zentrum für Kulturgutverluste in Magdeburg gegründet. Es soll die Arbeit der Taskforce-Forscher fortsetzen. Auf sechs Millionen Euro wurde der Etat für Provenienzrecherche aufgestockt.

Kulturstaatsministerin Monika Grütters Kulturgutschutzgesetz
Kulturstaatsministerin Monika GrüttersBild: picture-alliance/dpa/S. Stache

"Taskforce" sollte Aufklärungwillen beweisen

Welche Werke der Gurlitt-Sammlung sind Nazi-Raubkunst? Welche Bilder gehörten Menschen, die vom NS-Regime verfolgt wurden? Das Vorgehen der bayerischen Justiz, vor allem aber ihr Stillschweigen, hatte den Eindruck erweckt, Deutschland habe wenig Interesse an einer Aufklärung möglicher Raubkunstdelikte. Dann die Berufung des Forschergremiums - Berlin bewies Aufklärungswillen. Der Titel "Taskforce" sollte Kompetenz und Schlagkraft suggerieren. Doch die Taskforce unter Leitung der Kunstwissenschaftlerin Ingeborg Berggreen-Merkel produzierte mehr Fragen als Antworten - und eine Aufklärungsquote von einem Prozent.

Gerade mal fünf von insgesamt 499 verdächtigen Werken hat sie zweifelsfrei als NS-Raubkunst identifiziert. Vier davon wurden an die Erben der einstigen Besitzer restituiert, darunter die "Zwei Reiter am Strand" von Max Liebermann und die "Sitzende Frau" von Henri Matisse. 70 Jahre nach Kriegsende erhielt David Toren Liebermanns "Reiter" zurück. Toren ist Erbe und Großneffe des jüdischen Unternehmers David Friedmann. Der hatte das Bild 1905 erworben und besaß es, bis es von den Nationalsozialisten geraubt wurde. Matisses "Sitzende Frau" ging an die Erben des Pariser Kunsthändlers Paul Rosenberg.

David Toren
Freute sich über die Rückgabe von Liebermanns "Reiter am Strand": David TorenBild: DW/S. Czimmek

Gurlitt-Erbschaft für Bern umstritten

Unmut erweckte die Öffentlichkeitsarbeit der Kunstaufklärer. Nur wenig drang nach außen. Warum eine solche Geheimniskrämerei? Erst unlängst bat Taskforce-Leiterin Berggeen-Merkel vor dem Kulturausschuss des Bundestags um Verständnis für das verdeckte Vorgehen und verwies auf Persönlichkeits- und Eigentumsrechte von Privatpersonen, die einem "verständlichen Wunsch nach Offenheit" entgegenstünden. Gleichwohl war Cornelius Gurlitts Sammlung bereits zu seinen Lebzeiten im Internet veröffentlicht worden - gegen alle Unschuldsvermutung und Persönlichkeitsrechte.

Ingeborg Berggreen-Merkel Archiv 2013
Leitete die Taskforce "Schwabinger Kunstfund": Ingeborg Berggreen-MerkelBild: picture-alliance/dpa

Cornelius Gurlitt, der 2014 starb, hat seine Sammlung einer Schweizer Stiftung in Bern vermacht - als Alleinerbin. Deutschland, Bayern und das Kunstmuseum Bern vereinbarten: Auch künftig werden alle Bilder auf Raubkunstverdacht überprüft. Sollten Herausgabe-Prozesse gegen die Schweizer Stiftung angestrengt werden, übernimmt Deutschland die Kosten. Als Gegenleistung gibt die Stiftung Raubkunst zurück. Es ist eine Abmachung nach dem Geschmack der deutschen Politik. Doch hängt sie am seidenen Faden. Denn Gurlitts Cousine ficht das Testament an. Gurlitt sei wegen seines geistigen Zustands nicht testierfähig gewesen, argumentiert sie. Voraussichtlich im Februar entscheidet das Oberlandesgericht München.

Aus den Fehlern der Taskforce habe man gelernt, versicherte unlängst Uwe Schneede, Stiftungsvorstand des Magdeburger Zentrums. Auf der ersten Konferenz seines Hauses Ende November in Berlin versprach er, künftig werde "schneller und transparenter" gearbeitet. Einstweilen sollen, wie Staatsministerin Grütters ankündigte, rund 200 Datenblätter zu einzelnen Zeichnungen und Gemälden im Internet veröffentlicht werden, außerdem die Korrespondenz des Kunsthändlers Hildebrand Gurlitt. Kunsthistoriker, vor allem aber mögliche Anspruchsteller weltweit, sollen Einblick erhalten und eigene Erkenntnisse hinzufügen können. Ende 2016 will man erstmals mehrere hundert Werke der Sammlung Gurlitt, deren Herkunft ungeklärt ist, in der Bonner Kunst- und Ausstellungshalle einem größeren Publikum präsentieren.

Wie es dann im "Fall Gurlitt" weitergeht, steht noch in den Sternen. Ungeklärt bleibt auch, ob Deutschland die Verjährungsfrist für NS-Vermögensverluste aufhebt. Wann gibt es ein Gesetz, nach dem Alteigentümer NS-Raubkunst von jedem Besitzer zurückverlangen können? Diese und andere Fragen bleiben offen.

"Sitzende Frau" von Henri Matisse aus der Gurlitt-Sammlung
"Sitzende Frau" von Henri Matisse aus der Gurlitt-SammlungBild: picture-alliance/dpa