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EU Finanzen

9. April 2011

Zehntausende Gewerkschafter aus 21 Staaten haben in Budapest gegen die Sparpolitik ihrer Länder und der EU protestiert. Wenige Kilometer entfernt verteidigten die EU-Finanzminister ihren Sparkurs als unverzichtbar.

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Christine Lagarde (Frankreich) im Gespräch mit Bundesbank-Chef Axel Weber (Foto: ap/dapd)
Frühlingshafte Stimmung bei den Finanzministern in GödöllöBild: dapd

Nicht nur der deutsche Finanzminister Wolfgang Schäuble, sondern viele seiner Kollegen, besonders aus Euro-Ländern mit guter Kreditwürdigkeit, bezeichneten die Rettungsaktion für das fast bankrotte Portugal bei dem Treffen in Ungarn als längst überfälligen Schritt. Damit seien die drei schwächsten Glieder des Euroraums - nämlich Griechenland, Irland und Portugal - auf den Weg einer schmerzhaften, aber notwendigen Konsolidierung eingeschwenkt.

Wolfgang Schäuble spricht (Foto: ap)
Wolfgang Schäuble: Ansteckungsgefahr ist geringer gewordenBild: AP

Schäuble zeigte sich nach zweitägigen Beratungen der EU-Finanzminister in Gödöllö am Samstag (09.04.2011) erleichtert, dass die Finanzmärkte im Moment nicht mit höheren Kapitalbeschaffungskosten zum Beispiel für Spanien reagierten. Die Gefahr, dass sich weitere Euro-Länder ansteckten, sei gebannt, meinte Schäuble. "Das sehen die Finanzmärkte so: Die Ansteckungsgefahr ist geringer geworden, wie man an allen Zahlen sehen kann - obwohl das alles, auch darüber waren wir uns einig, noch nicht vorüber ist. Für Entwarnung ist es zu früh."

Restrukturierung griechischer Schulden?

Viele Finanzmarkt-Experten erwarten, dass Griechenland und vielleicht auch Irland und Portugal, ihre Schulden, die sie jetzt angehäuft haben, aus eigener Kraft nicht zurückzahlen können. Die Europäische Union und der Internationale Währungsfonds verschaffen den überschuldeten Staaten mit dem Rettungsschirm lediglich drei Jahre mehr Zeit.

Der Präsident der Europäischen Zentralbank, Jean-Claude Trichet, antwortete auf Fragen nach einer möglichen Umschuldung für Griechenland einsilbig: "Zu Griechenland sage ich: Wir haben einen Plan, der von der internationalen Gemeinschaft und den Gremien der Europäischen Union gebilligt wurde. Und jetzt wenden wir diesen Plan an." Der Plan umfasse keine Umschuldung der rund 340 Milliarden Euro, die Griechenland inzwischen aufgenommen hat, ergänzte der EU-Währungskommissar Olli Rehn.

Währungskommissar Olli Rehn umlagert von Journalisten (Foto: dpa)
Gefragter Gesprächspartner: Währungskommissar Olli RehnBild: picture alliance/dpa

Der deutsche Finanzminister sieht Griechenland auf dem richtigen Weg. Es hat harte Sparprogramme umgesetzt. Wenn in Gödöllö über eine Umschuldung gesprochen worden sein sollte, werde das auf keinen Fall an die Öffentlichkeit dringen, um die Finanzmärkte nicht zu beunruhigen. Denn eine Umschuldung würde auch für private Anleger Verluste bedeuten. Immerhin haben die EU-Staaten die Zinsen für griechische Notfallkredite gesenkt und die Laufzeiten verlängert. Auch Irland möchte dies für sich erreichen. Mit Portugal müssen die Bedingungen für die Notkredite in den kommenden vier Wochen ausgehandelt werden.

Schäuble: "Noch nicht alle Probleme gelöst"

Trotz aller Probleme zog Schäuble ein positives Fazit: "Wir sind uns alle einig: Wir haben noch nicht alle Probleme gelöst, aber wir sind auf einem guten Weg. Insofern kann man sagen: Wir haben die Krise besser unter Kontrolle als vor einem Jahr. Wir haben aus den Erfahrungen gelernt."

International will die EU sich bei der kommenden Tagung der Gruppe der 20 führenden Industrie- und Schwellenländer für eine stärkere Regulierung und Beaufsichtigung der Finanzmärkte einsetzen. Trichet sagte in Gödöllö, man habe noch nicht alles erreicht. Es sei keine Zeit für Saumseligkeit. Vom Ziel alle Finanzprodukte und alle Märkte weltweit transparent zu machen, sei man noch weit entfernt, lautete die Einschätzung vieler Finanzminister bei der informellen Tagung in Ungarn.

In der EU laufen erneut so genannte Stresstests für Banken. Marode Geldhäuser sollen gefunden werden, um weitere Finanzkrisen möglichst früh zu erkennen. Angeblich sind 15 Banken in Europa nicht ausreichend finanziert. Was sollte mit solchen Banken geschehen? Zumindest in Deutschland sei dafür nicht mehr der Staat zuständig, erklärte Schäuble. "Wenn die Stresstests ergeben sollten, dass eine Bank zusätzliches Kapital braucht, dann ist es an den Eigentümern für das Kapital zu sorgen. Es ist nach unserer Ordnung im Grundgesetz dann nicht so, dass man dann nach dem Staat ruft."

Im Zweifelsfall sollen also die privaten Besitzer einer Bank und nicht der Staat einspringen. Diese Regelung gilt seit Jahresbeginn in Deutschland, aber sie ist in weiten Teilen der 17 Staaten mit der Währung Euro noch nicht durchgesetzt. Irland garantiert pauschal und ohne Limit für all seine privaten Banken, die viele Fachleute für überdimensioniert halten. Bundesbankpräsident Axel Weber sagte, bankrotte Banken müssten vom Markt verschwinden. Nur die Einlagen von privaten Kleinanlegern sollten gerettet werden.

Demonstration gegen Sparpakete

Menschen mit Transparenten (Foto: dpa)
In Budapest demonstrierten Tausende gegen harte SparmaßnahmenBild: picture alliance / dpa

Während die Minister in Gödöllö berieten, marschierten im zwanzig Kilometer entfernten Budapest etwa 40.000 Gewerkschafter aus ganz Europa durch die ungarische Hauptstadt. Die Gewerkschaften protestieren gegen harte Sparmaßnahmen und tiefe Einschnitte in Sozialsysteme, mit denen viele Staaten ihre Neuverschuldung drosseln müssen. Der europäische Gewerkschaftsverband ETUC hatte zu der Kundgebung aufgerufen. ETUC-Generalsekretär John Monks betonte, die Banken hätten die Krise verursacht und müssten stärker belastet werden.

Rehn zeigte Verständnis für die Demonstranten, aber am harten Kurs führe kein Weg vorbei. "Zurzeit ist es in vielen Ländern absolut notwendig, die Finanzen zu konsolidieren, weil deren Schulden die Zukunft auffressen. Sie nehmen künftigen Generationen die Möglichkeit für Wirtschaftswachstum."

Im Moment laufen gegen 20 der 27 EU-Staaten Defizitverfahren der Europäischen Kommission, weil deren Neuverschuldung zu hoch ist. Die Strafen, die am Ende eines Defizitverfahrens drohen, sollen verschärft werden. Auch darin waren die Finanzminister sich einig. Insgesamt blickt die EU mit leichtem Optimismus in die wirtschaftliche Zukunft. Die Wirtschaftsleistung wird in diesem Jahr mehreren Prognosen zufolge moderat steigen, allerdings regional sehr unterschiedlich verteilt. Deutschland bleibt demnach wohl die Wachstumslokomotive. Allerdings wird auch die Inflation steigen und die Lohnsteigerungen wieder aufzehren. Erst 2012 wird die EU nach Einschätzung des scheidenden Bundesbankpräsidenten Axel Weber diejenige Wirtschaftskraft wieder erreichen, die sie vor der schweren Finanz- und Wirtschaftskrise 2008 hatte.

Autor: Bernd Riegert, zurzeit in Gödöllö, Ungarn
Redaktion: Martin Schrader