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"Die Lage in Idomeni kann schnell kippen"

Jan D. Walter11. März 2016

Tausende Flüchtlinge in Idomeni sind bereits an grippalen Infekten erkrankt. Wenn sie weiter in durchnässten Zelten schlafen müssen, könnten daraus ernste Krankheiten werden, sagt Corinne Kanistra von "Ärzte der Welt".

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Griechenland Flüchtlinge an der Grenze zu Mazedonien bei Idomeni (Foto: Reuters/S. Nenov)
Bild: Reuters/S. Nenov

DW: Frau Kanistra, wie steht es um die Gesundheit der Flüchtlinge in Idomeni?

Kanistra: Inzwischen leidet die große Mehrheit der Flüchtlinge unter verschiedenen Krankheiten: In Idomeni haben 60 Prozent einen Atemwegsinfekt, auch Magen-Darm-Infekte sind sehr häufig. Wenn diese Menschen nun Regen, Wind und Kälte ausgesetzt sind, hilft ihnen das natürlich nicht bei der Genesung.

Das sind zunächst einmal keine lebensbedrohlichen Erkrankungen. Wie behandeln die "Ärzte der Welt" die Flüchtlinge?

Unsere Ärzte decken die Grundversorgung ab: allgemeine Untersuchungen, kleine Behandlungen, auch psychologische Betreuung und natürlich Erste Hilfe falls nötig. Das können wir in Kooperation mit anderen Hilfsorganisationen bisher leisten. Aber es nützt wenig, einen grippalen Infekt zu diagnostizieren, wenn die Menschen sich nicht in ein warmes Bett legen können. Bei ernsteren Erkrankungen überweisen wir die Menschen ohnehin ins Krankenhaus nach Polykastro.

Der Ort Polykastro nahe Idomeni hat etwa 12.000 Einwohner. Genau so viele Flüchtlinge befinden sich derzeit in Idomeni. Hat das Krankenhaus genügend Betten, alle zu versorgen?

Bisher scheint die Kapazität auszureichen. Aber wenn sich die Gesundheit der Menschen in Idomeni weiter verschlechtert und aus Erkältungen Lungenentzündungen werden, kann die Lage schnell kippen. Davon gehe ich im Moment nicht aus. Aber um das zu verhindern, benötigen wir dringend eine bessere Unterbringung für die Menschen, damit sie gesund werden können, bevor es zu Komplikationen kommt.

Griechenland: Flüchtlinge im Bus bei Polikastro (Foto: Getty Images/Dan Kitwood)
Vergangene Woche kamen diese Flüchtlinge im Bus nach Idomeni. Inzwischen reisen manche zurück nach AthenBild: Getty Images/D. Kitwood

Wie ist es um die Hygiene im Auffanglager bestellt?

Eigentlich sind die Sanitärenanlagen in Idomeni sehr gut. Allerdings sind sie für 2000 bis 3000 Menschen ausgelegt. Derzeit befinden sich dort aber mehr als 12.000 Flüchtlinge. Wir brauchen also dringend weitere Toiletten und Duschen für all diese Menschen.

Wie wirkt sich das auf die Gesundheit der Menschen aus?

Einen direkten Einfluss sehen wir derzeit nicht. Aber auch hier ist die Frage: Wie lange noch? Wenn sich nicht bald etwas ändert, könnten sich auch wegen der mangelnden Hygiene Krankheiten ausbreiten.

Es heißt, dass einige Flüchtlinge aus Idomeni abgereist sind, um in Athen unterzukommen und Asyl zu beantragen. Trägt das zur Entspannung der Lage bei?

Bisher sind erst ein paar Busse nach Athen abgefahren. Das ist noch keine große Erleichterung. Aber wenn in den nächsten Tagen weitere Flüchtlinge abreisen, könnte das die Lage tatsächlich entspannen.

Corinne Kanistra koordiniert den Einsatz der Hilfsorganisatione Ärzte der Welt in Idomeni.