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Musik

Bruckner statt Beethoven beim Abschlusskonzert

Gaby Reucher
24. September 2018

Über 2000 Künstler haben sich in diesem Jahr beim Bonner Beethovenfest mit dem Thema "Schicksal" beschäftigt. Das Motto wurde stringent und spannend umgesetzt. Die Verkaufszahlen könnten allerdings etwas besser sein.

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Dirigent Michael Boder steht beim Schlussapplaus vor seinem Orchester Abschlusskonzert ORF Radio-Symphonieorchester
Bild: Barbara Frommann

Unterschiedlicher hätten die beiden Stücke beim Abschlusskonzert des Beethovenfestes nicht sein können. Allein die Bewegungen des Dirigenten Michael Boder, der das Symphonieorchester des Österreichischen Rundfunks dirigierte, sprachen für sich. Morton Feldmans "Coptic Light" für großes Orchester von 1986 dirigierte er verhalten präzise. Schließlich ging es darum, Klangfarben zu entfalten, bei denen die Klänge einzelner Instrumentengruppen zwar immer wieder hervortraten, aber das, ohne die Betonungen oder die Lautstärke im Klangteppich wesentlich zu verändern.

Bruckners unvollendete Neunte Symphonie

Michael Boder beim Dirigieren, Beethovenfest 2018 | Abschlusskonzert ORF Radio-Symphonieorchester
Erfahren in altem und neuem Repertoire: Dirigent Michael BoderBild: Barbara Frommann

Ganz anders Anton Bruckners 9. Symphonie in d-Moll, bei der Michael Boder mit ausladenden Bewegungen alles aus dem Orchester herausholte, was das Stück hergibt: Gewaltige Streicherpassagen, die in lieblichen Melodien münden oder disharmonische Akkorde, die sich auftürmen und dann abrupt in harmonischem Wohlklang aufgefangen werden.

Die leisen Stellen sowohl bei Feldman als auch bei Bruckner forderten gerade von den Bläsern höchste Konzentration. Ihre Leistung wurde vom Publikum mit besonderem Applaus gewürdigt. Beim anschließenden Empfang gestand Intendantin Nike Wagner, dass sie Bruckner eigentlich nie besonders gemocht habe, erst eine Aufnahme von Bruckners Neunter unter Boder habe sie überzeugt. "Er ist der ideale Interpret, um moderne Musik mit großen schweren Erbstücken des Repertoires zu verbinden", lobte sie den Dirigenten.

Zufriedenheit bei Gott und den Rheinländern

Bruckner widmete seine letzte und unvollendete Symphonie dem "Lieben Gott". Schwer erkrankt soll er sich von ihm mehr Zeit für die Vollendung seines Werkes gewünscht haben. "Der liebe Gott dürfte hoch zufrieden sein und die Rheinländer auch", sagte Nike Wagner und meinte damit nicht nur die Aufführung von Bruckners Neunter, sondern das gesamte Beethovenfest, das in diesem Jahr unter dem Motto "Schicksal" stand.

Portrait Nike Wagner, 2018 | Empfang Abschlusskonzert | Nike Wagner
Nike Wagner ist zufrieden mit der Umsetzung des SchicksalsmottosBild: Barbara Frommann

Dabei ging es um Musik, die vom Schicksal ihrer Komponisten geprägt ist, von Kriegs- oder Exilerfahrungen, von Trauer oder Krankheit. Als zentrales Werk für das Motto stand Beethovens Fünfte Symphonie, die sogenannte "Schicksalssymphonie". Ludwig van Beethoven war schon schwerhörig als er sie komponierte und wurde später taub. Sein Schicksal nahm er nicht einfach als gegeben hin, sondern kämpfte dagegen an, indem er weiter komponierte. Diesen aufklärerischen Ansatz des Schicksalsbegriffes hat Nike Wagner beim Beethovenfest verfolgt.

"Drei Wochen haben wir dem Schicksal in den Rachen gegriffen", sagte sie zum Abschluss und bezog sich damit auf ein berühmtes Beethovenzitat, "in Zahlen bedeutet das, wir haben 57 Aufführungen über die Bühne gebracht". Das Motto und das vielseitige Programm hätten viel Lob und Anklang beim Publikum gefunden, so Wagner.

Beethovenfest für Schüler attraktiv machen

Dennoch konnte auch in diesem Jahr die Auslastung die 70 Prozent-Marke nicht überschreiten. Weil die Bonner Beethovenhalle als traditioneller Veranstaltungsort immer noch umgebaut wird, hat man sich mittlerweile im World Conference Center Bonn (WCCB) eingerichtet und dort einige Maßnahmen ergriffen, den Raumklang auch für kleinere Ensembles zu verbessern.

Im großen Saal des WCCB fand das Abschlusskonzert statt, leider in diesem Jahr nicht ausverkauft. Vielleicht hätten einige zum Abschluss doch noch einmal ein fulminantes Beethovenstück erwartet, vielleicht ist es aber auch das altbekannte Problem für klassische Konzerte, ein junges Publikum zu gewinnen.

Orchester spielt vor Multimedia Leinwand Beethovenfest 2018 | Schülermanager-Konzert
Das Schülermanager-Konzert im 3-D-FormatBild: Barbara Frommann

Dabei bemüht sich das Beethovenfest in speziellen Projekten gerade um Schüler. Unter dem Motto"Ludwig und Du" gibt es verschiedene Veranstaltungen für junge Leute. So bespielten über 1000 Schülerinnen und Schüler beim Auftakt des Festes verschiedenen Bühnen in der Innenstadt. Für das Konzert von "Music:Eyes – SymFusion" waren Bonner Schüler im Alter von 15 bis 18 Jahren gefragt, die mit Unterstützung dieses Konzert eigenständig konzipiert und organisiert haben. In dem 3D-Werk wurde Beethovens Fünfte Symphonie mit elektronischen Klängen angereichert und mit der entsprechenden Software visualisiert. Außerdem besuchten verschiedene Interpreten des Beethovenfestes Schulklassen und veranstalteten Workshops oder erklärten die Stücke ihrer Konzerte.

Beethoven zu den Leuten bringen

Wie im vergangenen Jahr fanden die verschiedenen Konzerte an 25 Spielorten in Bonn und Umgebung statt. Besonders Kammerorchester und kleine Ensembles konnten in alten Schlosssälen, Kirchen oder Museumsräumen glänzen. Das Streicherensemble Camerata Bern, geleitet von der enthusiastischen barfuß spielenden Geigerin Patricia Kopatchinskaja, begeisterte mit alten und neuen religiösen Werken. Die hatte das Ensemble so inszeniert, dass trotz der verschiedenen Klänge ein spannendes Gesamtkunstwerk entstand, ohne jeden Zwischenapplaus.

Beethovenfest 2018 | Camerata Bern, Patricia Kopatchinskaja
Patricia Kopatchinskaja begeisterte nicht nur mit ihrem GeigenspielBild: Barbara Frommann

Auch die beiden Klavierduos Jost & Costa und Gerwig & Gonzales, die zusammen achthändig spielten, zogen das Publikum in ihren Bann. Nur wenige Kompositionen gibt es für acht Hände, dafür aber einige Bearbeitungen, so auch Beethovens Fünfte für zwei Klaviere zu acht Händen von Carl Burchard. Die Klavierfassung mache die Symphonie transparenter sagte Yseult Jost: "Man bekommt eine Idee der Struktur, der motivischen Arbeit und der Art, wie Beethoven mit Themen umgegangen ist." Die vier Virtuosen sind übrigens ein Beispiel dafür, dass das Schicksal auch eine glückliche Fügung haben kann. Die beiden Duos haben sich vor zehn Jahren bei einem Klavierwettbewerb in Norwegen kennengelernt. Schicksal, findet Efrain Gonzáles Ruano: "Es war Schicksal, dass wir in Norwegen beide den ersten Platz bekommen haben und es war vorherbestimmt, dass wir hier beim Beethovenfest einmal zusammen spielen würden."

Neben den großen Themen und Reihen des Festivals sind es gerade diese Entdeckungen, Begebenheiten und Experimente am Rande, die den Reiz des Beethovenfestes ausmachen. Oft beruhen sie auf Ideen von Nike Wagner.

Vor dem Jubiläumsjahr 2020 kommt Beethoven 2019

Beethovenfest 2018 | András Schiff, Pianist
András Schiff: Schon allein sein Mahagony-Flügel ist ein HinguckerBild: Barbara Frommann

Zu den großen Themen des Festivals gehörte unter anderem das Klaviersonaten-Wochenende mit dem gefeierten Pianisten Andras Schiff und seinem ehemaligen Schüler Dénes Várjon vor begeistertem Publikum. Auch der Rheinländische Schwerpunkt mit historischen Stücken, die Beethoven in seiner Zeit beeinflusst haben könnten, fand viel Anklang.

Zum Ende des Beethovenfestes sind die Weichen für das nächste Jahr bereits gestellt. Das Motto lautet "Mondschein". Nicht schwer zu erraten, dass dabei wahrscheinlich Beethovens berühmte Mondscheinsonate eine gewisse Rolle spielen wird. Das Beethovenfest Bonn 2019 findet vom 6. bis 29. September statt.