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Politik

Die Midterms: die Folgen für Nahost

Ahmed Abida | Emad Hassan | Kersten Knipp
9. November 2018

Die Kongresswahlen haben die politischen Kräfteverhältnisse in den USA neu geordnet. Die Demokraten haben nun größeren Einfluss. Mit Blick auf den Nahen Osten erwarten Experten vor allem in einem Punkt Veränderungen.

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Israel Palästina - Protest in Ostjerusalem
Trump? Nein, danke! Proteste in Ostjerusalem im Dezember 2017Bild: Reuters/A. Awad

Die Amerikaner haben abgestimmt: Die Midterms, die Wahlen zur halben Amtszeit des jeweils amtierenden US-Präsidenten, waren für Donald Trump Triumph und Niederlage zugleich. Im Repräsentantenhaus haben seine Republikaner die Mehrheit zwar verloren, im Senat konnten sie ihre Mehrheit hingegen behaupten. Dennoch wird der Präsident nun nicht mehr so frei gegen den Willen der Demokraten regieren können wie bislang. Innen- wie außenpolitisch muss er für seinen Kurs nun stärker werben.

Das wird er auch mit Blick auf den Nahen Osten tun müssen. Zu wesentlichen Änderungen der US-Politik in der Region dürften die Wahlen aber nicht führen, erwartet der an der amerikanischen Universität in Kairo lehrende Politikwissenschaftler Mustafa Kamel al-Sayyid. Denn im für außenpolitische Fragen so bedeutenden Senat blieben die Republikaner in der Mehrheit - ein Umstand, an dem auch die umgekehrten Verhältnisse im Repräsentantenhaus nicht viel ändern würden. Zwar könnten dessen Mitglieder Trump nun etwa die Finanzmittel verweigern, so al-Sayyid im Gespräch mit der DW, "ich glaube aber nicht, dass es eine grundlegende Änderung des politischen Kurses in der Region geben wird".

Rücksicht auf Israel

Entscheidend ist aus Sicht des Forschers nämlich ein anderes Kriterium: "Die Mitglieder beider Häuser nehmen bei ihren Nahost-Entscheidungen immer die Haltung Israels in den Blick. In diesem Punkt sind sich beide Parteien einig." Ein grundsätzlicher Kurswechsel sei darum zumindest in allen mit Israel zusammenhängenden Fragen nicht zu erwarten.

Israel Jerusalem Knesset Parlament
Hoch im US-Kurs: die israelischen Interessen. Blick in die KnessetBild: Reuters/R. Zvulun

Ähnlich sieht es der in den USA lebende Polit-Analyst Ahmed Ghanem. Auch er hält eine grundlegende Richtungsänderung für unwahrscheinlich. Der Grund sei einfach: Es gebe drängendere Probleme: "Gesundheitswesen, Altersvorsorge, Bildung - auf diesen Feldern hat Trump viele Ausgaben gestrichen. Um sie werden sich die Demokraten nun kümmern wollen." Erfolgen auf diesen Feldern würden sie ihr außenpolitisches Engagement unterordnen, erwartet Ghanem im Gespräch mit der DW. "Darum dürften sie sich in anderen Fragen, etwa der Sache der Palästinenser, mit dem Präsident nicht so leicht anlegen. Das gilt außenpolitisch aber generell, denn mit dem Thema lässt sich kaum punkten. Zudem ist das Wissen der meisten Abgeordneten in außenpolitischen Fragen beschränkt."

Der "Jahrhundert-Deal": ein Wahlkampfslogan

Zwar hätte im politischen Washington eine Zeit lang der Begriff des sogenannten "Jahrhundertdeals" die Runde gemacht. Der aber sei vor allem ein Wahlkampfslogan des Präsidenten gewesen, so Ghanem. Inzwischen spreche kaum jemand mehr von ihm. "Es gibt kein wissenschaftliches Forschungsinstitut in den USA, das darüber detaillierte Informationen hätte. Ebenso sieht es unter den Kongressmitgliedern aus." Trumps Schwiegersohn und Berater Jared Kushner habe den Begriff in einem Zeitungstext verwendet. "Aber im offiziellen Washington spielt er keinerlei Rolle."

Ägypten, Gefängnis
Menschenrechte in Nahost: in den USA derzeit eher ein NebenthemaBild: AFP/epa/dpa/picture-alliance

Zurückhaltung bei Menschenrechten

Auch eine andere Menschenrechtspolitik sei unwahrscheinlich, erwartet Ghanem. Den Vereinigten Staaten käme es in der Region des Nahen Ostens vornehmlich auf Stabilität an. "In diesem Punkt sind sich Demokraten und Republikaner einig wie in kaum einem anderen. Jeder Regime-Wechsel würde nur Unruhe in die Region bringen. Das wollen beide Parteien nicht, denn Unruhe widerspräche den amerikanischen Interessen." Darum wird es auch keinen höheren Druck hinsichtlich der Menschenrechte geben. Ähnlich sieht es auch Mustafa Kamel al-Sayyid von der amerikanischen Universität in Kairo. Allenfalls bei der Bewilligung neuer Hilfsgelder in der Region könnte das Thema eine Rolle spielen. "Die Mehrheit im Repräsentantenhaus könnte sich querstellen, wenn es darum geht, Hilfsmittel für Regimes zu bewilligen, die die Menschenrechte bekanntermaßen verletzen."

Der Fall Khashoggi: schwierige Zeiten für Kronprinz bin Salman

In einer Hinsicht könnte es allerdings Veränderungen geben, wenn auch nicht aufgrund der Midterms: der Beziehung der USA zu Saudi-Arabien. Die könnten nach der mutmaßlichen Ermordung des Journalisten Jamal Khashoggi im saudischen Konsulat in Istanbul neu geordnet werden. Die USA würden die Beziehung zum saudischen Königreich zwar nicht auf ein neues Fundament stellen, erwartet der libysche Politik-Analyst Mohammed Buissir. Allerdings dürften sie fortan zwischen dem Staat und dessen derzeit starken Mann, Kronprinz Mohammed bin Salman, deutlich unterscheiden. Salman wird verdächtigt, von dem Mord an Khashoggi zumindest vorab Kenntnis gehabt zu haben.

Auch Saudi-Arabien selbst dürfte an dem Kronprinzen als künftigem Herrscher kaum festhalten. "Er hat die Beziehungen seines Landes zu vielen Staaten abgebrochen. Als wirtschaftlich offenes Land mit vielen Beziehungen in die Welt kann es sich Saudi-Arabien nicht leisten, eine solche Person an der Regierungsspitze zu haben", sagte Buissir in der DW-Sendung "Massaiya".

USA Saudi Arabien Donald Trump mit König Salman bin Abdulazi
Freundschaft vor dem Umbruch: Donald Trump in Riad, Mai 2017Bild: Imago/ZUMA Press/S. Craighead

Ähnlich sieht es der ägyptische Journalist Hafez al-Mirazi. Nach dem Mord an Khashoggi seien sich Republikaner und Demokraten im Hinblick auf Saudi-Arabien einig. Die Richtung habe der republikanische Senator Bob Corker vorgegeben. Der hatte erklärt, man müsse auf Grundlage des so genannten Global Magnitsky Act - einer Übereinkunft zum Umgang mit schweren Menschenrechtsverletzungen - Sanktionen gegen alle Personen einleiten, die das gewalttätige Vorgehen gegen Khashoggi zu verantworten hätten. Dies, hatte Corker erklärt, gelte auch für Personen an der saudischen Staatsspitze. "In dieser Frage sind sich Demokraten, Republikaner und das Weiße Haus einig", resümiert al-Mirazi im amerikanischen Senat. "Dies geht zu Lasten von Kronprinz Mohammed Bin Salman."

DW Kommentarbild | Autor Kersten Knipp
Kersten Knipp Politikredakteur mit Schwerpunkt Naher Osten und Nordafrika