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"Die Ohnmacht der Diplomatie"

27. Juli 2006

Wie kommentiert die internationale Presse den Nahost-Konflikt? DW-WORLD.DE bietet einen täglichen Überblick.

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Israelische Pressestimmen:

Bei "Ynetnews", der englischsprachigen Website der Yedioth Group, schreibt David Grossman:

"Ein Ende der Besatzung wird niemanden im Nahen Osten dazu bringen, uns zu lieben. Sogar danach wird Israel von den meisten arabischen Ländern als fremdes Implantat in der Region betrachtet werden. Aber eine vernünftige Absprache mit den Palästinensern wird den Druck in den meisten Konflikten in Israel mindern, wird Israel die Möglichkeit geben, seine innerstaatlichen Wunden zu heilen und wird die Israelis daran erinnern, was wirklich wert ist, dafür zu kämpfen."

Europäische Pressestimmen:

Die britische Tageszeitung "The Daily Telegraph" hält die diplomatischen Bemühungen für eine Waffenruhe im Nahen Osten nach dem Treffen in Rom für vorerst gescheitert:

"Die Ohnmacht der Diplomatie war selten so offensichtlich wie am Mittwoch in Rom. Der so genannte harte Kern der Libanon-Berater verbrachte im italienischen Außenministerium viel Zeit mit der Frage, ob das Wörtchen 'unverzüglich' dem Ruf nach einer Waffenruhe hinzugefügt wird. Möglicherweise haben sie aus Angst, sich lächerlich zu machen, darauf verzichtet. Derweil gingen Israel und die Hisbollah weiterhin so aufeinander los, dass die Fetzen flogen. Man wundert sich, welchen Zweck die Reise von Condoleezza Rice nach Europa und in den Nahen Osten hatte. Beim Anblick von ihr und den anderen Beteiligten kann man sich dem Eindruck der Sinnlosigkeit kaum entziehen."

Die linksliberale französische Zeitung "Libération" meint:

"Die Konferenz in Rom über den Krieg im Libanon hat, obwohl mit ihr von vornherein keine Illusionen verknüpft waren, eine Maus geboren. Der israelische Generalstab konnte im Voraus auf das stillschweigende Einverständnis der Amerikaner zählen, die trotz der spektakulären Reise von Condoleezza Rice in die Region keine Eile haben, diplomatische Erfolge einzufahren. Das Scheitern der Konferenz von Rom, zu der Israel nicht eingeladen war, lässt Israel etwas mehr Ellenbogenfreiheit, und es sind nicht die Warnungen der Europäer angesichts sich häufender Fehlleistungen, die es zu beeindrucken scheinen. Währenddessen und während sich die Blicke verstärkt auf den Libanon richten, geht ein anderer mörderischer Krieg in Gaza weiter. Dort ist die humanitäre Lage nicht besser. Die Hamas übertreibt aber die Provokation nicht, so als ob sie Distanz zur zweiten Front im Norden halten möchte. Als ob sie sich nicht in einen drohenden regionalen Konflikt hineinziehen lassen möchte."

Der liberale Wiener "Der Standard" befasst sich mit der Machtlosigkeit der Europäer und der UN angesichts der Gewalt in Nahost:

"Zu vermitteln gibt es für die internationale Gemeinschaft unter diesen Umständen nichts, zu bekämpfen auch nicht: Eine UN- oder Nato-geführte Truppe würde gegen die Guerilla der Hisbollah militärisch derzeit wohl nicht erfolgreicher sein als die israelische Armee. Was die internationale Gemeinschaft allerdings kann, ist Zeitrahmen zu setzen, Erwartungen zu formulieren, politischen Druck aufzubauen, humanitäre Hilfe zu organisieren. Das hat sie in Rom versucht, doch auch dies ist ihr nur halb gelungen. Denn die Wahrheit ist, dass Israels Bombardierung des Libanon den Westen spaltet, die Europäer gegen die US-Regierung stellt. Und mehr noch: dass der 'Neue Nahe Osten', den die amerikanische Außenministerin nun trotzig nochmals ausruft, den Europäern nur als Scherbenhaufen einer verfehlten Politik der USA seit 9/11 und dem Irakkrieg erscheint."

Zur Libanon-Konferenz in Rom meint die Mailänder Zeitung "Corriere della Sera":

"Es gab die Hoffnung, dass bei der römischen Konferenz ein Waffenstillstand im israelisch-libanesischen Konflikt erzielt würde, so wie Prodi gefordert hatte - obwohl man diesen natürlich nicht offiziell hätte ausrufen können, da beide Kriegsparteien abwesend waren. Auch erschien es möglich, die internationale Truppe - die mittlerweile alle Seiten akzeptieren - besser zu definieren, so wie Kofi Annan es gefordert hatte. Man hatte darauf gesetzt, dass die Position der USA etwas klarer würde - eventuell sogar darauf, dass Condoleezza Rice Israel bedrängt hätte, während andere auf Syrien und Iran Druck ausgeübt hätten. Aber am Ende ist eine Bilanz des Treffens schwierig, da kein Zeitrahmen gesetzt wurde.

Das "Luxemburger Wort" sieht in dem Ergebnis der Rom-Konferenz eine erste Etappe auf dem Weg zum Frieden im Libanon:

"Tatsächlich wäre es unrealistisch gewesen, einen Durchbruch in Rom zu erwarten. Angesichts der diplomatischen Gräben war der gemeinsame Appell zu einer schnellstmöglichen Waffenruhe der kleinste gemeinsame Nenner. Offenbar setzen alle Beteiligten darauf, dass Israels Offensive im Libanon bald von allein ausläuft. Parallel dazu ist man bemüht, eine Stabilisierungstruppe auf die Beine zu stellen. Bei diesem heiklen Thema halten sich jedoch potenzielle Kandidaten, ob UN, EU oder NATO bedeckt. Die Gefährlichkeit einer solchen Mission hat gerade der Tod von vier UN-Beobachtern durch israelisches Feuer vor Augen geführt. Noch dominiert die Logik des Krieges, doch wissen alle Beteiligten, dass die Logik des Politik wieder greifen muss. Die einstige Schweiz des Nahen Osten muss politisch stabilisieren werden, wenn die schon brisante Gemengelage in der Krisenregion nicht vollends außer Kontrolle geraten soll."

Arabische Pressestimmen:

Fast alle libanesischen Zeitungen machen die USA für das Scheitern der Nahost-Konferenz in Rom verantwortlich. Unter dem Titel "Rice gegen Schweigen der Waffen" schreibt die Tageszeitung "Al Safir":

"Alle arabischen und internationalen Appelle vor und während der Konferenz von Rom konnten die USA nicht davon abhalten, ihre uneingeschränkte Unterstützung für die israelische Aggression gegen den Libanon einzustellen. Die USA zwangen die Delegierten dazu, die Frist für Israels militärische Operation zu verlängern. Diese spontane und überraschende Konferenz war mysteriös von Anfang an und daher war sie zum Scheitern verurteilt. Nach drei Wochen israelischen offenen Krieges gegen den Libanon konnte die libanesische Widerstandbewegung vollendete und für die Israeli und Amerikaner bittere Tatsachen im Schlachtfeld schaffen, die bei allen Beteiligten an der Konferenz in Rom präsent waren."

Die in Jordanien erscheinende regierungsnahe und Auflagenstarke Zeitung "Al Ra'i" macht sich lustig über die im Libanon stationierte Friedenstruppe "UNIFEL" und kritisierte den UN-Generalsekretär Kofi Annan sehr scharf:

"Die Friedenstruppe UNIFEL, was für ein lustiger Witz! Wer glaubt an diese Lüge mehr? Die UNIFEL existiert seit 1978 und seit dieser Zeit hörten die israelischen Grenzüberschreitungen und Verletzungen der libanesischen Souveränität nie auf. Die Friedenstruppe hat nichts Besseres zu tun gehabt, als die israelischen Attacken und Überschreitungen aufzuzählen. Nun soll das Mandat dieser Truppe um einen weiteren Monat verlängert werden, bevor sie endgültig aufgelöst werden soll. Im Verlängerungsauftrag sprach der UN-Generalsekretär Kofi Annan von den 'Einschränkungen auf der Arbeit der Truppe.' Aber welche Einschränkungen meint er? Und wer hat diese Einschränkungen vorgeschrieben? Wie lange will sich Annan allgemein und undeutlich ausdrücken? Diese vage Formulierung schadet der UN in ihrer Rolle, Frieden und Sicherheit zu wahren. Die Tage von Annan in seinem Amt sind gezählt; trotzdem beharrt er darauf, sich blind an der Seite Washington zu stellen, gleichgültig wie er in die Geschichtsbücher eingehen wird."

Die regierungsnahe ägyptische Zeitung "Al Ahram" empfiehlt den Arabern, den Ratschlag des ägyptischen Präsidenten zu berücksichtigen:

"Alle Beteiligten am Konflikt im Libanon und Palästina sollen endlich mal auf den Präsidenten Mubarak hören und seinen Ratschlag annehmen, wenn sie tatsächlich an einem Ende des Konfliktes und einer Wiederkehr der Sicherheit und Stabilität in der Region interessiert sind. Mubarak hatte in Gesprächen mit den Chefredakteuren der ägyptischen Zeitungen und Nahost Nachrichtenagentur (MENA) den Arabern davor gewarnt, sich von den emotionalen und unüberlegten Abenteuern, deren katastrophalen Folgen für die friedlichen Menschen nicht abzusehen sind, abtragen zu lassen. (…) Die Entscheidung des Präsidenten war absolut souverän und nicht auf Druck von Außen gefallen. Es ist Zeit für alle Beteiligten, zwischen leeren Kampfparolen und der vernünftigen, sich an den Nationalinteressen orientierten Arbeit zu unterscheiden. Im Endeffekt zielt die ägyptische Rolle darauf ab, die Interessen und das Wohl der unschuldigen und friedlich lebenden Arabern zu schützen und zu wahren, während die Anderen zielen auf eine unendliche Verlängerung des Konfliktes, gleichgültig welche Ausmaß an Zerstörung dieser Konflikt mitbringt."