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Die Polizei rüstet gegen den Terror

Peter Hille24. November 2015

Auf die Anschläge von Paris hat die Bundesregierung bislang nicht mit eiligen Gesetzen reagiert. Sie setzt stattdessen auf mehr Polizei und bessere Vernetzung zwischen den Behörden. Die jedoch lässt zu wünschen übrig.

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Polizist mit Maschinenpistole (Foto: picture-alliance/dpa/F. Gambarini
Bild: picture-alliance/dpa/F. Gambarini

30 freilaufende Schafe auf Bahngleisen bei Kassel - auch mit diesem "gefährlichen Eingriff in den Bahnverkehr" muss sich die Bundespolizei laut Pressemitteilung in diesen Tagen befassen. Die Beamten ermitteln. Stärker im Blick haben sie und ihre Kollegen von Polizei und Geheimdiensten in Deutschland derzeit aber die so genannten "Gefährder", also Menschen, die zu terroristischen Anschlägen bereit sein könnten. Was diese "Gefährder" angeht, sind die Behörden jedoch sehr weit weniger mitteilsam als bei Schafen und ähnlich harmlosem Kleinvieh.

Zumindest so viel lässt Holger Münch, Präsident des Bundeskriminalamts (BKA), durchblicken: Die Zahl der "Gefährder" sei insbesondere durch das Erstarken des "Islamischen Staats" gewachsen. "Das haben wir seit Ausrufung des so genannten Kalifats in deutlich gestiegenem Umfang", sagte Münch in der ARD-Sendung "Hart aber fair". "Wir haben deutlich mehr Syrien-Rückkehrer mittlerweile so eingestuft, denen wir zutrauen, dass sie entsprechende Straftaten begehen. Das ist eine Riesenbelastung, das ist keine Frage."

Viele Behörden, viele Hinweise

Sind die Behörden damit überlastet? Nein, sagt BKA-Chef Münch, denn auch "Gefährder" dürfe und könne man nicht 24 Stunden am Tag überwachen, solange sie nicht konkrete Anschlagspläne umsetzten. Angesichts von mehr als 40 unterschiedlichen Sicherheitsbehörden im föderal organisierten Deutschland ist die Zusammenarbeit und der Austausch von Wissen entscheidend bei der Abwehr terroristischer Anschläge.

Innenminister de Maizière und BKA-Chef Münch bei der BKA-Jahrestagung (Foto: Fredrik von Erichsen/dpa)
Sehen so viele "Gefährder" wie nie: Innenminister de Maizière (links) und BKA-Chef MünchBild: picture-alliance/dpa

Weiß etwa das Landeskriminalamt im Saarland Bescheid, wenn der Bundesnachrichtendienst Hinweise erhält, dass ein gewaltbereiter Islamist aus Frankreich einreisen könnte? Dafür soll das "Gemeinsame Terrorabwehrzentrum" in Berlin sorgen, in dem seit 2004 Beamte von Polizei und Geheimdiensten aus Bund und Ländern zusammen sitzen. "Sehr intensiv" sei die Arbeit dort momentan, so ein Sprecher des Bundesinnenministeriums gegenüber der DW. Das "Hinweisaufkommen" sei sehr hoch, man erhalte also eine Menge Anhaltspunkte zu möglichen Anschlägen.

Fünf von 28 machen mit

Nicht zufrieden scheint Bundesinnenminister Thomas de Maizière bislang mit dem Austausch von Informationen über Landesgrenzen hinweg innerhalb Europas zu sein. Tausende "reisende Dschihadisten" des "Islamischen Staats" könnten Anschläge in Europa planen, sagte de Maizère beim Treffen der EU-Justiz- und Innenminister vergangenen Freitag. "Und deswegen müssen wir wissen, wer nach Europa fliegt, wer nach Europa zurückkommt. Damit wir reagieren können."

Bislang tragen nur fünf von 28 EU-Staaten entsprechende Informationen über so genannte "Foreign Fighters" in eine gemeinsame Datenbank ein. "Dann darf man sich nicht wundern, wenn der Informationsaustausch nicht funktioniert", so de Maizière. Künftig sollen Kontrollen an den EU-Außengrenzen zurückkehrende Syrien-Kämpfer aufhalten. Bis Jahresende soll die EU-Kommission einen Vorschlag für die entsprechende Änderung des Schengener Grenzkodex machen.

Gefühlte Sicherheit mit der Maschinenpistole

Aus Sicht der Bürger in Deutschland hat sich seit den Anschlägen von Paris vor allem eines geändert: An Flughäfen, an Bahnhöfen und vor Fußballstadien stehen Polizisten mit Maschinenpistole in der Hand. Die tragen ansonsten nur die Pistole sichtbar am Gürtel. "Terrorwarnstufen" in grün, gelb oder blau wie in den USA gibt es in Deutschland nicht. Damit, so die Sorge der Verantwortlichen, würde die Angst der Menschen eher geschürt. Mehr Polizei auf Straßen und Plätzen, mit automatischen Waffen ausgerüstet - das ist ein klares Zeichen dafür, dass die Behörden von einer akuten Bedrohung ausgehen.

Spezialeinheit GSG 9 der Bundespolizei (Foto: Marius Becker dpa/lhe)
Schon da: die Spezialeinheit GSG 9 der BundespolizeiBild: picture-alliance/dpa

"Die Präsenz ist neben technischen Maßnahmen eines der einfachen Mittel, um die Sicherheit zu erhöhen", sagt der Sicherheitsexperte Frank Fiedrich im DW-Interview. "Sowohl hinsichtlich der gefühlten als auch der objektiveren Sicherheit." Darauf setzt auch die Bundesregierung: 4000 neue Stellen sollen bei den Sicherheitsbehörden in den nächsten Jahren geschaffen werden, verspricht Innenminister de Maizière.

Nach 15 Schuss ist Schluss

Allerdings sind deutsche Polizeibeamte selten so ausgerüstet, dass sie sich Terroristen in den Weg stellen könnten, die mit Kalaschnikows oder ähnlichen Schnellfeuergewehren umzugehen wissen. Ihre Fahrzeuge sind nicht gepanzert, sie tragen meist keine schusssicheren Westen oder Schutzhelme. Ein längeres Feuergefecht wäre schon allein deshalb schwierig, weil es an Munition mangelt. Bundespolizisten etwa haben kein Ersatzmagazin dabei - fünfzehn Schuss aus der Pistole müssen reichen.

Die Polizei-Einheiten der Länder haben jedoch auch einige schwerer bewaffnete Kommandos im Einsatz, die Bundespolizei zusätzlich die "Grenzschutzgruppe" GSG 9 gegen Terroranschläge und Geiselnahmen. Kommt es zu mehreren Anschlägen gleichzeitig, dann wären wohl auch sie nicht rechtzeitig an allen Tatorten. Der Bund will deshalb weiter aufrüsten: zunächst fünf neue Bundespolizei-Einheiten sollen bis Ende 2016 aufgestellt werden. Sie sollen besser bewaffnet und ausgerüstet sein als normale Bereitschaftspolizei. Schon in einem Monat könnte ein erster Anti-Terror-Trupp von 50 Mann in Blumberg bei Berlin stationiert werden, heißt es aus dem Innenministerium.