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PolitikEuropa

Die polnische Klimabewegung ist weiblich

Lukasz Grajewski Warschau
15. November 2022

Die polnische Klimabewegung organisiert regelmäßig Demonstrationen und Streiks. Vor allem junge Frauen und Männer kämpfen gegen Vorurteile und Anfeindungen - und eine sture politische Klasse.

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Polnische Umweltaktivisten demonstrieren im Oktober 2022 in Warschau gegen die Untätigkeit der Regierung
Polnische Umweltaktivisten demonstrieren im Oktober 2022 in Warschau gegen die Untätigkeit der RegierungBild: Wojtek Radwanski/AFP/Getty Images

Schweden hat Greta Thunberg, Uganda hat Vanessa Nakate, Deutschland hat Luisa Neubauer - und Polen hat Dominika Lasota. Wie ihre deutsche Mitstreiterin ist Lasota jung: Mit ihren 21 Jahren gilt sie als Hauptorganisatorin der Klimastreiks in ihrer Heimat. Sie ist regelmäßig in polnischen und ausländischen Medien zu sehen und zu hören, und sie reist auch zu internationalen Konferenzen, wo sie junge Klimaschützer und Umweltaktivistinnen aus anderen Ländern trifft. Neubauer und Lasota etwa kennen sich gut und arbeiten zusammen.

Von links nach rechts: Vanessa Nakate (Uganda), Mitzi Jonelle Tan (Philippinen), Precious Kalombwana (Sambia) und Dominika Lasota (Polen) halten bei der Klimakonferenz COP27 in Scharm el-Scheich Schilder mit der Aufschrift: "Show us the money"
Von links nach rechts: Vanessa Nakate (Uganda), Mitzi Jonelle Tan (Philippinen), Precious Kalombwana (Sambia) und Dominika Lasota (Polen) bei der Klimakonferenz COP27 in Scharm el-ScheichBild: Peter Dejong/AP Photo/picture alliance

Und im Unterschied zu Greta Thunberg, die ihre Teilnahme an der COP27 in Scharm el-Scheich abgesagt hat, sind die beiden Klimaaktivistinnen nach Ägypten gereist, um dort als Vertreter der Jugend ihren Sorgen Ausdruck zu verleihen und auf die Politik einzuwirken.

In den wenigen Tagen, die seit Beginn der Klimakonferenz vergangen sind, ist es Lasota in dem ägyptischen Bade- und Konferenzort bereits gelungen, mit Spitzenpolitikern zusammentreffen. So konnte sie mit der Chefin der Europäischen Kommission, Ursula von der Leyen, und dem polnischen Präsidenten Andrzej Duda sprechen. Ihm warf sie vor, dass die Energiewende in Polen zu langsam vorankomme. 

In dem auf Twitter veröffentlichten Video von der Begegnung sieht man den polnischen Präsidenten, der der jungen Frau leicht schmunzelnd antwortet, er wisse nicht, wie er 30 Jahre Vernachlässigung dieses Themas in kurzer Zeit wiedergutmachen solle. Lasota insistiert, Polen müsse sich "im Bereich der sauberen Energie so weit wie möglich entwickeln". Darauf antwortet Duda, dass er sich wünsche, "dass es in den Bergen schneit und in den Niederungen warm ist" und beendet damit abrupt das Gespräch.

"Darauf war ich vorbereitet", sagt Lasota im Interview mit der DW. "Der Präsident ignoriert uns, die Klimabewegung, konsequent und will sich nicht mit uns treffen. Und wenn er überhaupt über Klimafragen spricht, dann hauptsächlich, um das Problem lächerlich zu machen."

Frauen dominieren in der Umweltbewegung

"Dominika Lasota ist das Gesicht der polnischen Klimabewegung", erklärt Paulina Sobiesiak-Penszko im Gespräch mit der DW. Sie leitet das Programm für nachhaltige Entwicklung und Klimapolitik am Warschauer Institut für öffentliche Angelegenheiten (ISP), einer der größten Organisationen Polens, die die Entwicklung der Zivilgesellschaft unterstützt. "Internationale Studien zeigen, dass Frauen sensibler und engagierter für den Umwelt- und Klimaschutz sind. Auch in Polen sind es meist Frauen, die solche Aktionen starten und leiten."

Umweltaktivistin Dominika Lasota im Dezemer 2020 bei einer Pressekonferenz in Warschau mit Gesichtsmaske hinter Mikrofonen
Dominika Lasota im Dezemer 2020 bei einer Pressekonferenz in WarschauBild: Grzegorz Banaszak/ZUMA Wire/picture alliance

Das ISP schult Frauen in Kommunikation und im Umgang mit öffentlichen Konfrontationen. Sobiesiak-Penszko weist darauf hin, dass Politik und Energiewirtschaft von "alten weißen Männern" dominiert würden, die junge Aktivistinnen oft respektlos behandelten. Jüngstes Beispiel sei das Gespräch zwischen Präsident Duda und Lasota am Rande des Klimagipfels.

Der Einfluss von Greta Thunberg

Die Geschichte der polnischen Klimabewegung ist ähnlich verlaufen wie in anderen Ländern. Der Schulstreik von Greta Thunberg in Schweden im Jahr 2018 inspirierte auch viele junge Polinnen und Polen, aktiv zu werden. Vor allem in Warschau, aber auch in anderen polnischen Städten, bildeten sich Basisgruppen, die sich dem Jugendklimastreik anschlossen. Bald begannen auch radikalere Aktivisten, die mit der globalen Extinction Rebellion-Bewegung verbunden waren, auf die Straßen zu gehen. "Es ist der Verdienst der Klimabewegung, dass die Auswirkungen des Klimawandels in der Öffentlichkeit bekannt wurden", meint Sobiesiak-Penszko.

Dichter Rauch steigt aus den Türmen der polnischen Kohlemine in Turow an der Grenze zu Tschechien auf
Verwüstete Landschaften: Türme der polnische Kohlemine in Turow an der Grenze zu Tschechien Bild: Radek Petrasek/CTK/dpa/picture alliance

Im Juli 2018 organisierten Klimaaktivisten das erste Klimacamp in Polen. Es fand nahe der Stadt Konin statt, in einer Region, in der es mehrere Braunkohletagebaue und Kraftwerke gibt und deren Landschaft von den Folgen des Abbaus besonders deutlich gezeichnet ist.

Wenig Zuspruch für die Klimabewegung

Trotz der offensichtlichen Verwüstungen durch den 200-jährigen Abbau von Kohle, trotz der Luftverschmutzung und der Energieunsicherheit zogen die Freitagsdemonstrationen des polnischen Klimastreiks nie Menschenmengen an wie in anderen europäischen Ländern. Auch der letzte Mobilisierungsversuch endete mit nur mäßigem Erfolg: Am 28. Oktober 2022 gingen während des Klimastreiks in Warschau nur einige hundert Menschen auf die Straße.

"In den letzten Jahren ist eine ganze Welle großer Proteste (z.B. zum Thema Abtreibungsverbot, Anm. d. Red.) durch Polen geschwappt", erläutert Sobiesiak-Penszko. "Die Pandemie, der Krieg und die Inflation - all das hat das Gefühl der persönlichen Sicherheit stark beeinträchtigt und dazu geführt, dass wir alle ein wenig abschalten und mehr an unsere eigenen Probleme denken", fügt sie hinzu.

Der Schritt aus der Blase

Lasota setzt sich intensiv dafür ein, das Thema Klimawandel in die breite Öffentlichkeit zu tragen. Sie und ihre Mitstreiter und Mitstreiterinnen gründeten die Initiative "Wschod", zu Deutsch: "Ost". Im Polnischen bezeichnet das Wort sowohl die geografische Richtung als auch den Sonnenaufgang. Die Gruppe bringt Aktivisten aus der gesamten mittel- und osteuropäischen Region zusammen und zeigt, dass die aktuellen Krisen - der Krieg in der Ukraine und die Energiekrise - weitgehend eine Folge der Abhängigkeit des Kontinents von fossilen Brennstoffen sind. Zu ihrem jüngsten Streik haben die Aktivisten auch Vertreter der Landwirte eingeladen.

Junge polnische Klimaaktivisten und -aktivistinnen mit einem Plakat von Greenpeace recken die Fäuste in die Höhe, Warschau im Dezember 2020
Klimaaktivisten in Warschau im Dezember 2020Bild: Grzegorz Banaszak/ZUMA Wire/picture alliance

Im Vergleich zu den Aktionen ihrer westlichen Kollegen seien die polnischen Klimaaktivisten eher zurückhaltend, betont Sobiesiak-Penszko. "Ich halte das für eine gute Strategie, denn wenn sie den Kampf gegen das Klima beispielsweise mit dem Antikapitalismus oder dem Kampf für LGBTQ-Rechte kombinieren würden, würden sie sich einfach in ihrer Blase verschließen. Und in Polen ist die Polarisierung der Gesellschaft das Hauptproblem." Jetzt müsse alles getan werden, um zu verhindern, dass der Klimawandel zu einem weiteren spaltenden Thema werde.

Der Feind ist anderswo

Doch wenn man die Kommentare unter Artikeln über die Aktivitäten von Lasota liest, gewinnt man schnell den Eindruck, dass das Thema die polnische Gesellschaft bereits gespalten hat. Denn meist fordern diese Kommentare von der jungen Aktivistin Berichte über ihren Lebensstil oder weisen auf kleinste Widersprüche zwischen den von ihr erhobenen Forderungen, einschließlich der Reduzierung des Konsums, und ihrem Verhalten im Alltag hin.

"Im Moment bekomme ich die meisten Fragen zu meiner Reise nach Ägypten", sagt Lasota der DW. Sie ist von Polen aus mit Zug und Bus in die Türkei gereist - und von dort aus mit dem Flugzeug nach Scharm el-Scheich geflogen, was ihr Kritik eingebracht hat. "Auf dem Landweg hätten wir Syrien durchqueren müssen. Und das ist aufgrund des dort herrschenden Krieges gefährlich", erklärt sie und fügt hinzu: "Warum werden die Verantwortlichen in Politik und Wirtschaft nicht nach ihrer Art des Reisens oder nach ihren Finanzierungsquellen gefragt? Denn ohne Geld für Essen oder für die Anreise kann ich nicht tun, was ich tue. Ich weiß nicht, warum so viele Menschen in mir den Feind sehen. Der wahre Feind sitzt in den Ministerien und in den Zentralen der Energieunternehmen."

Lukasz Grajewski Lukasz Grajewski ist Korrespondent für DW-Polnisch