Die "positive Seite" der Spionage
8. Mai 2014Hans-Georg Maaßen hat am Donnerstag (08.05.2014) in Berlin ein Heimspiel, denn er ist Gastgeber des Symposiums "Spionageabwehr und Wirtschaftsschutz". Obwohl der Titel der Veranstaltung weniger mit Politik zu tun hat, spricht der Präsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz (BfV) am Ende seiner Rede doch über jenen Mann, dessen Enthüllungen die Welt seit fast einem Jahr in Atem halten: Edward Snowden. In der Vergangenheit hat Maaßen den früheren Mitarbeiter des US-Geheimdienstes "National Security Agency" (NSA) bevorzugt als "schillernde Figur" oder "Verräter" bezeichnet. Diese Begriffe verkneift er sich dieses Mal.
Die Zurückhaltung ist vielleicht damit zu erklären, dass es auf der ganztägigen Veranstaltung offiziell um ein anderes Thema geht. Deutschlands führende Rolle in der Weltwirtschaft weckt unter ausländischen Geheimdiensten natürlich große Begehrlichkeiten. Entsprechend aktiv sind Spione aus aller Welt, um an deutsches Know-how heranzukommen. Der Verfassungsschutz ist aus Sicht seines Chefs ein geradezu natürlicher Partner für einheimische Unternehmen, die sich vor Ausspähung schützen wollen. Deshalb spricht Maaßen verblüffender Weise sogar von der "positiven Seite" der Spionage. "Wir sind interessant, wir sind wichtig."
"Nie ist jemand richtig Freund oder richtig Feind"
Natürlich meint Maaßen damit nicht nur die Wirtschaft, sondern auch die Politik. Und eben deshalb kommt er in seiner Rede doch nicht ohne den Whistleblower Snowden aus. Dessen Dokumente hätten gezeigt, dass Spionage-Abwehr ein wichtiges Thema sei. Es gehöre ins öffentliche Bewusstsein. Dass er trotz seiner deutlichen Kritik an Snowden auch von den politisch Verantwortlichen in den USA enttäuscht ist, hat Maaßen selten so deutlich formuliert.
Das Verhältnis seiner Behörde zu ausländischen Diensten charakterisiert der Präsident des Verfassungsschutzes pragmatisch: Nie sei jemand "richtig Freund" und nie sei jemand "richtig Feind". "In Nachrichtendiensten spricht man eher von Interessen", betont Maaßen. Deshalb arbeite man bei Bedarf auch mit Diensten aus Staaten zusammen, die man eher als Gegner betrachte. Als klassisches Beispiel nennt Maaßen die Terrorismus-Bekämpfung.
Chef des Geheimdienst-Kontrollgremiums hört aufmerksam zu
Während der Chef des deutschen Inlandsgeheimdienstes über die Aufgaben seines Amtes redet, sitzt ein aufmerksamer Zuhörer in der ersten Reihe, dem der Verfassungsschutzpräsident sonst regelmäßig in einem abhörsicheren Raum des Bundestages gegenübersitzt: Clemens Binninger. Der Christdemokrat ist Vorsitzender des Parlamentarischen Kontrollgremiums für die Geheimdienste (PKG). Dieses Gremium hat seit den ersten Enthüllungen Snowdens im vergangenen Juni vor allem mit der NSA-Affäre zu tun. Damit beschäftigt sich inzwischen auch ein Untersuchungsausschuss des Bundestages, der pikanterweise tagt, als das Verfassungsschutz-Symposium stattfindet. Binninger war anfangs auch Vorsitzender des NSA-Untersuchungsausschusses, legte das Amt aber wegen Differenzen innerhalb des Gremiums nieder.
Keine Anzeichen für ein No-Spy-Abkommen
Dabei ging und geht es vor allem um die Frage, ob und unter welchen Bedingungen Snowden als Zeuge befragt werden soll. Im Gegensatz zu den meisten Mitgliedern des Ausschusses hielt Binninger eine Befragung des Whistleblowers nicht für die wichtigste Aufgabe. Damit dürfte er auf einer Linie mit BfV-Chef Maaßen liegen, der sich auf dem von ihm veranstalteten Symposium ungewohnt deutlich zum Verhalten der Amerikaner äußerte. Die gegen Deutschland gerichteten NSA-Aktionen habe er als "Tabubruch" empfunden.
Er fände es "bedauerlich", dass es keine klare Reaktion der USA auf die Äußerung der Kanzlerin gegeben habe. "Abhören geht gar nicht", hatte Angela Merkel gesagt, nachdem bekannt geworden war, dass auch ihr Handy ins Visier der NSA geraten war. Der Verzicht auf das gegenseitige Ausspionieren, ein sogenanntes No-Spy-Abkommen wäre wünschenswert, sagt Maaßen. Große Hoffnungen macht er sich aber keine, stellt er später in kleinerer Runde klar.
Innenminister de Maiziére lobt deutsch-amerikanische Kooperation
Es ist dann Maaßens Dienstherr Thomas de Maizière, der anschließend das Verhältnis zu den USA aus Sicht der Bundesregierung skizziert. Sie seien der wichtigste Verbündete, "nicht nur weil wir Freunde sind, sondern auch, weil wir gemeinsame Interessen haben". Mit Blick auf das Verhältnis zwischen deutschen und amerikanischen Geheimdiensten gibt es für Innenminister de Maizière keinerlei Zweifel: Die "hervorragende" Zusammenarbeit werde "uneingeschränkt und verstärkt" fortgesetzt. Eine klare Ansage in Zeiten der NSA-Affäre.