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Die Römischen Verträge – 25. März 1957

Matthias von Hellfeld21. Juli 2009

Mit den Römischen Verträgen zur Gründung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft (EWG) wird die Jahrhunderte alte Feindschaft zwischen Frankreich und Deutschland beendet und die europäische Einigung begonnen.

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Gründung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft (Foto: wikipedia)
Gründung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft
Vertragsunterzeichnung Konrad Adenauer (links) und der Staatssekretär im Auswärtigen Amt, Walter Hallstein
Vertragsunterzeichnung Konrad Adenauer (links) und der Staatssekretär im Auswärtigen Amt, Walter HallsteinBild: dpa

Was an diesem 25. März 1957 im Saal des Kapitolinischen Museums in Rom geschah, wäre einige Jahre zuvor undenkbar gewesen. Der deutsche Bundeskanzler Konrad Adenauer (1876 – 1967) und seine Amtskollegen aus Frankreich, Italien und den Benelux-Staaten setzten ihre Unterschriften unter die Römischen Verträge. Damit war die Gründung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft besiegelt. Aber mehr als das wog die neu entstandene Freundschaft zwischen den Deutschen und ihren ehemaligen Kriegsgegnern – gerade mal 12 Jahre nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs. Besonders das deutsch-französische Verhältnis war Motor dieser europäischen Einigungsbewegung geworden. Deutsche und französische Politiker sind fortan die treibenden Kräfte beim Ausbau erst der EWG, ab 1965 diverser "Europäischer Gemeinschaften" (z.B. Euratom, Montanunion oder "Europäische Politische Zusammenarbeit") und schließlich seit 1992 der Europäischen Union. Mit ihrer politischen Haltung signalisierten sie, dass eine freundschaftliche Beziehung zwischen Deutschland und Frankreich die unruhige Mitte des europäischen Kontinents stabilisiert.

Wirtschaftliche Zusammenarbeit

Franz. Außenminister und später Präs. des Europaprlaments Robert Schuman
Franz. Außenminister und später Präs. des Europaprlaments Robert SchumanBild: picture-alliance / akg-images

Die Idee, einen gemeinsamen europäischen Markt zu schaffen, reichte bis ins Jahr 1951 zurück. Damals wurde die "Montanunion" ins Leben gerufen, um den Mitgliedsländern während des Wiederaufbaus nach dem Zweiten Weltkrieg zollfreien Zugang zu Kohle und Stahl zu gewähren. Die "Montanunion" stellte sich in der Folgezeit einerseits als Schwungrad für den deutschen Wiederaufbau heraus. Andererseits aber erfüllte sie auch eine andere wichtige Funktion. Nach der Überzeugung des französischen Außenministers Robert Schuman (1886 – 1963) könnte der innereuropäische Frieden nur dann nachhaltig gesichert werden, wenn die kriegswichtigen Güter Kohle und Stahl unter gemeinschaftlicher Kontrolle ("Vergemeinschaftung") stehen. Zudem waren mit dem gleichberechtigten Zugang zu den wichtigsten Produktionsfaktoren die Grundbedingungen für den Wiederaufbau in Westeuropa sichergestellt. Besonders die junge Bundesrepublik Deutschland profitierte von der "Montanunion". Mit deren Beginn endete das britische Besatzungsrecht im Ruhrgebiet, das damals über die größten Kohlevorkommen verfügte. Ebenso endeten die Sanktionen der Siegermächte des Zweiten Weltkriegs.

Politische Zusammenarbeit

In Rom versammelten sich die Regierungschefs, langer Tisch mit Abgeorndeten
In Rom versammelten sich die RegierungschefsBild: picture-alliance / akg-images

Die "Montanunion" hatte maßgeblichen Anteil am Wiederaufbau des europäischen Kontinents. Nun folgte mit den Römischen Verträgen nach der wirtschaftlichen die politische Zusammenarbeit. Die Verhandlungen waren schwierig, sie standen mehrfach vor dem ergebnislosen Abbruch. Aber Anfang Juni 1955 auf der Konferenz von Messina in Sizilien gelang der Durchbruch: Die Vertreter der sechs Staaten (Deutschland, Frankreich, Italien und Benelux-Staaten) beschlossen, einen europäischen Binnenmarkt zu schaffen und die Europäische Atomgemeinschaft (EURATOM) zu gründen. Innerhalb von zwei Jahren wurden die Verträge ausgearbeitet. Die Römischen Verträge sorgten für den Abbau von Handels- und Mengenbeschränkungen, für die Harmonisierung von Sozialstandards und den ungehinderten Dienstleistungs-, Personen- und Kapitalverkehr. Gemeinsam sollte in Zukunft die Handels- und Wirtschaftspolitik gegenüber Drittstaaten organisiert werden. Gemeinsamen ("Supranationale") Institutionen wachten über den möglichst reibungslosen Ablauf der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und über die gemeinsame friedliche Nutzung der Kernenergie, die – Ende der 50er Jahre – von vielen als die Energiequelle der Zukunft angesehen wurde.

Aus Feinden werden Freunde

Symbolkarte Frankreich-Deutschland
Freundschaft statt Konkurrenz

Neben den wirtschaftlichen Vorteilen, die der europäische Zusammenschluss – bis heute – für alle Beteiligten bot, war die Tatsache, dass fünf europäische Länder Deutschland die Hand der Versöhnung entgegengestreckt hatten, das Entscheidende. Anders als mit dem Versailler Vertrag nach dem Ersten Weltkrieg sollte nicht Konfrontation, sondern Zusammenarbeit die Folgen des Krieges beseitigen. Den deutschen Kriegsverursachern wurde im Rahmen einer gemeinsamen europäischen Entwicklung die Chance des eigenen Aufstiegs eingeräumt. Die Deutschen ergriffen diese Chance mit erstaunlichem Elan und schufen das weltweit bestaunte "Wirtschaftswunder", das ohne die europäische Vernetzung der deutschen Wirtschaft nicht vorstellbar ist. Die Römischen Verträge vom 25. März 1957 sind die Geburtsurkunde eines geeinten Europa, das gut 50 Jahre später auf dem Weg zu einer politischen Union ist.