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"Die Republik Moldau ist nicht mehr erpressbar"

22. März 2024

Russland und Transnistrien haben im Bereich Energiesicherheit ihre Instrumente der Erpressung verloren, meint der moldauische Energieminister Victor Parlicov im DW-Interview. Sein Land sei resilienter geworden.

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Victor Parlicov, der Energieminister der Republik Moldau
Victor Parlicov, der Energieminister der Republik Moldau Bild: Simion Ciochina/DW

DW: Welche Rolle spielt die Energiesicherheit für die Republik Moldau im Kontext der russischen Drohungen in Richtung Chisinau und der Präsidentschaftswahlen, die in diesem Herbst stattfinden werden?     

Victor Parlicov: Die Republik Moldau war im Bereich Energiepolitik schon 2021, also noch vor Beginn der russischen Invasion in der Ukraine, in einer sehr schwierigen Situation, ist aber stärker und resilienter geworden. Der wichtigste Faktor war eine Entscheidung aus Brüssel, nur drei Wochen nach Beginn von Russlands Krieg in der Ukraine: Im März 2022 gab es grünes Licht für die Synchronisierung der elektro-energetischen Systeme aus der Moldau und der Ukraine mit den europäischen Systemen.

Normalerweise dauern solche Prozesse mehrere Jahre, aber in diesem Fall war es eine politische Entscheidung. Davor waren wir abhängig von der kritischen Infrastruktur aus Transnistrien [Anm. d. Red.: die pro-russische Separatistenregion Transnistrien hat sich Anfang der 90er Jahre mit russischer Unterstützung von der Republik Moldau abgespalten]. Von den sieben Stromtrassen, die uns mit der Ukraine verbinden, geht nur eine einzige nicht durch Transnistrien. Dank der Entscheidung aus Brüssel konnte die Republik Moldau durch eine Verbindung, die zwar technisch vorhanden, aber bis dahin nicht funktionsfähig war, nun Energie aus dem EU-Land Rumänien bekommen. Dieser technische Aspekt hat die Dynamik des Konflikts um die Transnistrien-Frage grundlegend verändert: Durch diese Synchronisierung haben Russland und Transnistrien die Instrumente der Erpressung verloren.

Aus dem Separatistengebiet Transnistrien kauft Chisinau aber weiterhin Strom für die Republik Moldau. 

Ja, wir kaufen weiterhin von dort Energie, aber es gibt einen wichtigen Unterschied: Früher hatten wir kaum andere Optionen, jetzt ist es eher ein gegenseitiges Abhängigkeitsverhältnis. Heute kaufen wir Energie aus Transnistrien in erster Linie, um die soziale Lage in der Region zu stabilisieren. Wenn wir das nicht mehr täten, würde die Separatistenregion mehr als 50 Prozent ihrer Einnahmen verlieren und zahlungsunfähig werden. Das könnte dort zu einer humanitären Krise führen, und das wollen wir nicht. Wir wünschen uns, diese Zeit zu nutzen, damit Transnistrien in den normalen Wirtschaftsraum der Republik Moldau integriert wird, auch im Bereich der Zölle und Steuern. Es geht uns um eine friedliche Integration - Schritt für Schritt.

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Meinen Sie also, dass Russland im Moment keine konkreten Instrumente mehr hat, um die Republik Moldau im Bereich der Energiesicherheit zu erpressen - auch nicht indirekt, durch Transnistrien oder die ebenfalls pro-russische autonome Region Gagausien?  

Was das Thema Energiesicherheit betrifft, hat Moskau diese Instrumente nicht mehr. Aber es gibt natürlich auch eine andere Seite: die Propaganda und den Informationskrieg. Hier hat die Russische Föderation Erfolge verzeichnet, das müssen wir zugeben. Ein zentrales Narrativ Russlands lautet: Alle Probleme der Bürger der Republik Moldau, inklusive im Bereich Energie, sind darauf zurückzuführen, dass unser Land sich für den Weg Richtung EU entschieden hat [Anm. d. Red.: die ehemalige Sowjetrepublik zwischen Rumänien und der Ukraine hat seit dem Sommer 2022 den Status eines EU-Beitrittskandidaten].

Nach diesem falschen Narrativ würden alle Probleme verschwinden, wenn die moldauische Präsidentin Maia Sandu zu Putin gehen und sich vor ihm verneigen würde, um einen guten Gaspreis zu bekommen. In Wirklichkeit haben wir aber im Jahr 2023 nicht vom russischen Konzern Gazprom Gas gekauft, sondern auf dem europäischen Markt, und die Preise waren niedriger als jene von Gazprom. Das Problem der Gaspreise wurde in der Öffentlichkeit künstlich aufgebauscht. Dies war eines der russischen Narrative, die Moskau nicht nur in der Republik Moldau, sondern auch in der Europäischen Union verbreitet hat. Alle waren in Panik beim Gedanken, was wohl passieren würde ohne das russische Gas. Wie Sie sehen, ist auch Deutschland nicht wirtschaftlich zusammengebrochen ohne russisches Gas.

Übrigens heizen 60 Prozent der Haushalte in der Republik Moldau sowieso nicht mit Gas, sondern mit Holz. Aber selbst die vielen Bürger, die gar kein Gas verwenden, waren verängstigt von den Narrativen über die Gaspreise. Wir müssen daraus lernen und den Menschen sehr deutlich erklären, dass die Geschichte von Putins billigem Gas nicht stimmt. Was uns wirklich helfen würde, damit die Gasrechnungen niedriger werden, wären nicht Verhandlungen mit Putin, sondern Investitionen in die Energieeffizienz unserer Gebäude. Mehr als 50 Prozent der Energie wird in unseren Gebäuden verschwendet. Genau hier unterstützt uns die EU mit Programmen zur Verbesserung der Energieeffizienz der öffentlichen und privaten Gebäude in der Republik Moldau.

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Inwiefern könnten erneuerbare Energien eine Lösung sein für die Republik Moldau?

Erneuerbare Energien sind der einzige Bereich der Energieproduktion, in dem die Republik Moldau einigermaßen wettbewerbsfähig sein kann. Wir haben weder Gas noch Öl noch Kohle und auch kein Potenzial für Wasserkraftwerke oder Atomenergie, also ist für uns der Übergang zu grünen Energien im Grunde genommen selbstverständlich. Bis zum Jahr 2030 haben wir das Ziel, dass 30 Prozent unseres elektrischen Stroms durch erneuerbare Energien entsteht. Ich bin mir sicher, dass wir dieses Ziel sogar übertreffen werden.

Welche konkreten Projekte gibt es im Bereich erneuerbare Energie?

Allein im vergangenen Jahr ist die Zahl der Solarpaneele, die von den Verbrauchern in der Republik Moldau installiert wurden, sehr stark gestiegen. Wir haben zur Zeit Ausschreibungen für etwa 60 Megawatt Solar- und 105 Megawatt Windenergie. Die Firma, die das wettbewerbsfähigste Projekt zum niedrigsten Preis entwickelt, wird von staatlicher Seite das Recht bekommen, diese Energie in den kommenden 15 Jahren in das moldauische Stromnetz einzuspeisen.

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Dana Alexandra Scherle Redakteur und Autor der DW Programs for Europe