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Wechsel- oder Gleichstrom

Fabian Schmidt15. Februar 2014

Wenn viel Strom über lange Distanzen transportiert werden soll, ist Gleichstrom das Mittel der Wahl. Aber Wechselstrom in Gleichstrom umzuwandeln und wieder zurück, ist gar nicht so einfach.

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Überland-Stromleitungen (Foto: dpa)
Bild: picture-alliance/dpa

Für Deutschland ist die Windkraft einer der wichtigsten erneuerbaren Energieträger: Während Solaranlagen nur bei Sonnenschein und tagsüber Energie liefern, weht der Wind vor allem an der norddeutschen Küste fast ununterbrochen. Und weil im Norden viele Windräder stehen und auch immer mehr gebaut werden, gibt es dort einen Stromüberschuss. Also muss die Energie nach Süden gebracht werden – und zwar möglichst effizient.

Verlustfrei über hunderte Kilometer

Dafür eignet sich die Hochspannungsgleichstromübertragung (HGÜ) besonders gut, denn Gleichstrom lässt sich mit viel weniger Verlust über lange Strecken transportieren als Wechselstrom. Je höher die Spannung des Gleichstromnetzes, desto geringer werden dabei die Verluste. Bei einer 800 Kilometer langen Leitung und einer Spannung von 500 Kilovolt liegen die Leitungsverluste bei nur noch knapp 6 Prozent.

Eine vergleichbare Wechselstromleitung, die mit Hochspannungsmasten geführt wird, verliert bei solch einer Strecke etwa 9,4 Prozent, so eine Berechnung der Firma Siemens. Bei Kabeln die unter der Erde oder im Meer verlegt sind, seien die Verluste noch stärker. Bereits nach etwa 80 Kilometern Länge käme bei Wechselstrom auf der anderen Seite praktisch nichts mehr an.

Ein aufgeschnittenes Untersee-Stromkabel (Foto: dpa)
Ein Unterseekabel zur Anbindung eines Off-Shore WindparksBild: picture-alliance/dpa

"Die Netzverluste kann man daran messen, dass die Kabel sich erhitzen", erklärt Georg Erdmann, Professor am Lehrstuhl für Energiesysteme der Technischen Universität Berlin. "Die Energie des Stroms wird teilweise in Wärme umgewandelt." Bei Gleichstrom werde diese Erhitzung deutlich geringer gemessen.

Wechselstrom gut wandelbar

Trotz dieser Nachteile bei der Übertragung hat sich die Wechselstromtechnik bereits seit Ende des 19. Jahrhunderts weltweit in fast allen Stromnetzen durchgesetzt. Auch dafür gibt es gute Gründe: Die Spannung lässt sich mit relativ einfach konstruierten und robusten Transformatoren gut an den jeweiligen Bedarf vor Ort anpassen: So wird zum Beispiel aus Hochspannung, die vom Kraftwerk kommt, in Europa eine übliche Haushaltsspannung von 220-250 Volt, in Amerika von 110 Volt.

Viel schwieriger ist es, große Mengen Wechselstrom in Gleichstrom umzuwandeln und wieder zurück. "Das ist wie eine größere Fabrik, die mit Leistungselektronik ausgestattet ist" beschreibt Erdmann die dazu nötigen Anlagen. So muss der eingespeiste Wechselstrom hohe Qualitätsanforderungen erfüllen: Die Frequenz und die Phasen des Stromes müssen synchron mit dem Strom im gesamten restlichen Stromnetz schwingen und zwar auf die Millisekunde genau, in weiten Teilen Europas: "Das Verbundnetz reicht von Dänemark bis Sizilien, von Spanien bis zur polnischen Ostgrenze", so Erdmann.

Wechselstrom, so wie ihn der der Physiker Nikola Tesla Ende des 19. Jahrhunderts erfunden hatte, wird heutzutage fast überall als Drehstrom mit einer Frequenz von 50 Hertz (z.B. in Europa) oder 60 Hertz (z.B. in Amerika) geliefert. Der Strom kommt dabei durch drei Kabel im Haushalt an. Die Sinuskurve des Wechselstroms ist dabei in jedem Kabel zum nächsten um 120 Grad verschoben. Auch das ist wiederum ein Grund, weshalb sich der dreiphasige Wechselstrom gegenüber dem Gleichstrom behauptet hat: Damit lassen sich gut leistungsfähige Drehstrommotoren z. B. in Werkstätten betreiben.

Geheime und private Gleichstromnetze

Der Siegeszug des Wechselstroms konnte allerdings den - von Teslas Zeitgenossen, dem Erfinder Thomas Edison favorisierten - Gleichstrom nicht überall besiegen. So gibt es im kalifornischen San Francisco noch heute ein weitgehend unbekanntes 250 Volt - Gleichstromnetz, an das etwa 900 Stromkunden angeschlossen sind. Der Grund: In den 1920er und 1930er Jahren war es nur mit Gleichstrommotoren möglich, schnell fahrende Aufzüge zu bauen, die auch sanft anfahren und abbremsen konnten.

DerBahnhof in Voerde (Foto: dpa)
Die Deutsche Bahn hat ein eigenes WechselstromsystemBild: picture-alliance/dpa

Ein weiterer Vorteil dieser Aufzugmotoren: Sie dienten gleichzeitig als Dynamo und waren in der Lage, Strom, den sie beim Hochfahren verbrauchten, beim Herabgleiten wieder zurückzugewinnen und ins Netz einzuspeisen. Ähnlich funktionieren heutige Elektro-Autos, die beim Abbremsen ihre Batterien wieder aufladen. Dass es diese gleichstrombetriebenen Aufzüge in San Francisco auch nach gut 100 Jahren heute noch gibt, ist vor allem den hohen Preisen zuzuschreiben, die der Einbau ganz neuer Fahrstühle - im Vergleich zur Wartung der alten - gekostet hätte.

Aber auch in Deutschland gibt es noch heute Netzabschnitte mit Gleichstrom. Sie kommen überall dort zum Einsatz, wo verschiedene Wechselstromnetze nicht synchron schwingen: "Es gibt zum Beispiel das Bahn-Netz. Das hat eine andere Frequenz. Und wenn die Bahn für ihr Netz Strom aus dem Verbundnetz beziehen will, brauche ich dazu erstmal so eine Gleichstromverknüpfung" erklärt der Energie-Systemexperte Erdmann.

Auch in der Zukunft könnten kleinere Gleichstromnetze durchaus interessant sein, meint er. Insbesondere dort, wo Hauseigentümer oder Firmen mit Photovoltaikanlagen eigenen Gleichstrom produzieren, könnten diese gut zum Einsatz kommen. Anstelle Gleichstrom zuerst aufwendig mit Wechselrichtern in Wechselstrom umzuwandeln, könnte man ihn doch gleich für viele Geräte nutzen.

Solche Gleichstromverbraucher gibt es im Haushalt und in Werkstätten schon heute viele: Computer, Stereoanlagen, Fernseher, Beleuchtungen, aber auch motorgetriebene Geräte, wie zum Beispiel energiesparende Lüfter in der Haus- und Klimatechnik, und sogar viele Werkzeugmaschinen laufen ohnehin bereits mit Gleichstrom.