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Die Scharia für Brunei

22. Oktober 2013

Zwei von drei Einwohnern Bruneis sind Muslime. Für sie führt das ostasiatische Königreich das scharfe Strafrecht der Scharia ein. Während der Monarch alle Bedenken auszuräumen versucht, sind Menschenrechtler entsetzt.

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Bruneis Sultan Hassanal Bolkiah (Foto: Reuters)
Bild: Reuters

Sultan Hassanal Bolkiah sprach von einem "historischen Schritt". Die Einführung der Scharia nur für die Muslime sei eine "Pflichterfüllung gegenüber Allah". Dadurch werde sich "unsere Politik in keiner Weise ändern". Brunei bleibe ein "Mitglied der Familie der Nationen", sagte der 67-jährige absolutistisch herrschende Monarch, dessen Familie das rund 400.000 Bürger zählende Königreich seit sechs Jahrhunderten streng autoritär führt. Gemäß der Scharia kann Ehebruch mit Steinigung, Diebstahl mit dem Abhacken von Gliedmaßen und Alkoholkonsum mit Auspeitschen bestraft werden.

Die Regierung hatte zugesichert, dass vor einer Bestrafung nach Scharia-Recht äußerst hohe Hürden gesetzt würden. Die Beweisführung sei extrem anspruchsvoll und die Richter seien zu größter Zurückhaltung bei der Rechtsanwendung aufgefordert. Selbst der Sultan, der Staatsoberhaupt sowie Premierminister in Personalunion ist und als einer der reichsten Männer der Welt gilt, hatte während des Gesetzgebungsverfahrens gelegentlich Bedenken geäußert. Und auch in der Bevölkerung, die traditionell den König als unanfechtbare Autorität akzeptiert, sind Zweifel laut geworden, ob die Scharia mit der friedliebenden Kultur der mehrheitlich malaiischen Muslime vereinbar ist.

Die Sultan Omar Ali Saifuddin Moschee in Bandar Seri Begawan, der Hauptstadt von Brunei (Foto: Fotolia)
Brunei setzt mit seinen Sehenswürdigkeiten verstärkt auf den TourismusBild: Fotolia

"Abscheulich und rückwärtsgewandt"

Die Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch (HRW) kritisiert den Schritt als abscheulich und rückwärtsgewandt. "Brunei zeigt seine feudalen Eigenschaften als ein Staat des 18. Jahrhunderts, statt die eines wichtigen Mitglieds der Südostasiatischen Wirtschaftsgemeinschaft und des sozialen Konsenses im 21. Jahrhundert", sagte der stellvertretende HRW-Asienchef Phil Robertson.

Den Sultan ficht das nicht an: Brunei betrachte andere Staaten "ohne jedes Vorurteil", sagte er. "Ebenso können wir mit Recht erwarten, dass andere Brunei im gleichen Licht sehen." Das Rechtssystem in dem ehemaligen britischen Protektorat ist zweigleisig: Es verbindet seit seiner Kolonialvergangenheit eine zivilrechtliche Gerichtsbarkeit nach britischem Vorbild mit einer Scharia-Rechtsprechung für niedere Rechtsfragen wie Erbfälle und eheliche Angelegenheiten. Noch bis 1984 war Brunei britisches Protektorat.

Mit seinen Öl- und Gasvorkommen zählt das Sultanat nach dem Pro-Kopf-Einkommen zu den reichsten Ländern der Erde. Eine absehbare Erschöpfung der Quellen hat inzwischen jedoch eine stärkere Entwicklung anderer Wirtschaftsbereiche ausgelöst, etwa des Tourismus. Von den rund 415.000 Einwohnern gehören offiziell 67 Prozent dem Islam an. Darüber hinaus gibt es Minderheiten buddhistischen und christlichen Glaubens sowie Angehörige indigener Religionen.

rb/sc (afp, epd, kna)