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"Die Situation in Turkmenistan hat sich nicht verbessert"

14. Februar 2008

Vor einem Jahr übernahm nach dem Tod von Präsident Saparmurat Nijasow sein Nachfolger Gurbanguly Berdymuchammedow in Turkmenistan die Macht. Michael Laubsch von der Eurasian Transition Group (ETG) zieht Bilanz.

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Zentralasien-Experte Michael LaubschBild: Michael Laubsch

DW-Zentralasien: Westliche Politiker haben nach dem Machtwechsel in Turkmenistan vor einem Jahr ihre Haltung gegenüber Aschgabad gelockert, in der Hoffnung auf Reformbereitschaft von Seiten des Präsidenten Berdymuchammedow. War die Strategie richtig?

Michael Laubsch: Es macht keinen Sinn, dass wir jetzt der neuen Regierung unter Präsident Berdymuchammedow direkt Steine in den Weg legen. Man sollte erst einmal eine gewisse offenere Politik gegenüber Turkmenistan machen, die aber in der Basis die gleichen Grundprinzipien hat wie unter Nijasow. Man muss auch weiterhin auf die Menschenrechtssituation und auf die Demokratisierungsbestrebungen oder Nicht-Bestrebungen in Turkmenistan achten. Jedoch sollte man Berdymuchammedow nicht gleich vor den Kopf stoßen, indem man, wie bei Nijasow, eine Dialogbereitschaft grundsätzlich ablehnt. Deshalb denke ich, dass die Strategie Westeuropas dahin geht, dass man versucht, einen Wandel in Turkmenistan durch eine Annäherung zu erreichen. Man muss aber abwarten, wie substantiell die Reformbereitschaft der neuen Regierung ist.

Aber die ETG hat vor kurzem gerade die Reformbereitschaft Turkmenistans kritisiert.

Wir haben in verschiedenen Berichten deutlich gemacht, dass das meiste, was Präsident Berdymuchammedow versprochen hat, nicht in die Realität umgesetzt wurde. Man kann es festmachen an dem Beispiel der politischen Häftlinge im Land. Es ist nicht so, dass durch eine große Amnestie viele politische Häftlinge freigekommen sind, außer einer Hand voll Oppositioneller, die man eher als Regimekritiker aus der Zeit Nijasows bezeichnen kann. Es ist nichts Substantielles passiert. Im Gegenteil. Es wird ein neues Gefängnis gebaut, unter strengsten Sicherheitsmaßnahmen. Geplant wird, dort politische Häftlinge unterzubringen. Die Situation hat sich überhaupt nicht verbessert. Das Internationale Rote Kreuz hat immer noch nicht die Möglichkeit, politische Häftlinge, oder auch andere Häftlinge, in Turkmenistan zu besuchen. Das ist ein Versprechen, das nicht erfüllt wurde.

Eines der Versprechen Berdymuchammedows war, den Turkmenen den Zugang zum Internet zu ermöglichen. Was ist daraus geworden, wie ist die Lage der Medien insgesamt?

Es hat sich gezeigt, dass dieses Versprechen zwar realisiert wurde, jedoch in Wirklichkeit nicht jeder turkmenische Bürger freien Zugang zum Internet hat. Es sind nur spezielle Internetcafes, die besucht werden dürfen. Die Preise für einen Internetzugang sind so hoch, dass es sich nur eine reiche Oberschicht überhaupt leisten kann. Die Personen, die in ein Internetcafe gehen, müssen eine Registrierung vom Sicherheitsdienst über sich ergehen lassen. Name und Adresse werden notiert. Und man kann genau beobachten, welche Internetseiten besucht werden. Teilweise sind Internetseiten weiter blockiert. Was die Medien angeht, so ist es eigentlich genau dasselbe. Man hat in letzter Zeit viel in der Presse gelesen, dass die Satellitenschüsseln in den Städten jetzt abgebaut werden sollen, mit der Begründung, sie störten die Ästhetik des Stadtbildes. Es gibt weiterhin keine Entwicklung zu einer freieren, unabhängigeren Presse.

Wie schätzen Sie die tatsächliche Reformbereitschaft Berdymuchammedows ein?

Ich gehe davon aus, dass er grundlegende Reformen eigentlich nicht will, weil das bedeuten würde, dass er auch einen großen Teil seiner Machtposition im Lande aufgeben würde. Er ist prinzipiell daran interessiert, die sehr großen Gasvorkommen in Turkmenistan an mehrere Seiten zu verkaufen, sich verschiedene Optionen offen zu lassen, so dass auch entsprechend auch große Finanzmittel ins Land fließen. Deshalb ist er darauf angewiesen, gewisse Reformvorhaben zumindest vorzuschlagen, damit auch westeuropäische Staaten und die USA dann wieder ein vermehrtes Interesse am Land selber zeigen. Aber unter dem Strich ist dies eher eine Strategie, mögliche Investoren ins Land zu holen, ohne dabei die faktischen Versprechen auch umzusetzen. Neben der wirtschaftlichen Gesundung auf internationalem Gebiet findet keine politische Gesundung des Staates statt. Ein echter Transformationsprozess hin zu mehr Demokratie, Rechtstaatlichkeit und Pluralismus hat nicht eingesetzt.

Das Gespräch führte Vitali Volkov, DW-Zentralasien