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Die syrischen Retter von Köln

Dagmar Breitenbach, Brandon Conradis / ch18. Januar 2016

Eine amerikanische Studentin erlebt die Silvesternacht am Kölner Hauptbahnhof als Albtraum - so wie viele andere Frauen. Doch sie erlebt auch die Hilfe einer Gruppe Syrer.

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Menschenmenge im Rauch im Dunkeln vor dem Kölner Dom (Foto: picture-alliance/dpa/M. Böhm)
Bild: picture-alliance/dpa/M. Böhm

Als die Amerikanerin Caitlin Duncan in der Silvesternacht am Kölner Hauptbahnhof ihren Freund im Gewühl aus den Augen verlor, machte sie sich zunächst keine Sorgen. "Du denkst, na gut, du wirst ein bisschen mitgedrängt, aber in ein paar Minuten werden wir uns schon wiederfinden", so Duncan gegenüber der DW.

Die 27-jährige Studentin der Neurowissenschaften aus Seattle lebt seit gut einem Jahr in der baden-württembergischen Universitätsstadt Tübingen. Nach Köln war sie zusammen mit ihrem deutschen Freund zum Feiern gekommen. Doch sie fand sich dann im Bahnhof in Köln sehr bald in einer beängstigenden Lage, als ihr jemand, kurz nachdem sie ihren Freund in der Menge verloren hatte, die Mütze vom Kopf riss und andere sie anfassten. Nachdem Duncan die Männer weggestoßen hatte, suchte sie Hilfe: "Ich war ziemlich erschüttert. Ich versuchte erstmal, möglichst vom Bahnhofseingang wegzukommen, weil das Gedränge dort am größten zu sein schien."

Mohammad hält die Arme um Duncan und ihren deutschen Freund (Foto: Privat)
Caitlin Duncan mit Hesham Ahmad Mohammad und ihrem deutschen FreundBild: Privat

"Ich hatte ganz schön Angst"

Doch von den Polizisten auf dem Vorplatz kam keine Hilfe. Sie hatten bereits genug damit zu tun, die Lage dort unter Kontrolle zu bringen. So zwangen die Polizisten die junge Frau schließlich wieder zurück in die Menge. Die Studentin fand sich dort von einer anderen Gruppe junger Männer umringt, die anfingen, sie zu begrapschen, ihr an den Haaren zu ziehen, und versuchten, sie zu Boden zu werfen. "In dem Moment hatte ich ganz schön Angst", sagt sie.

Nachdem es ihr gelungen war, auch dieser Gruppe zu entkommen, wandte sich die Amerikanerin noch einmal an die Polizei, die erneut nicht in der Lage schien, ihr zu helfen. Verängstigt und verzweifelt ging sie auf die Suche nach ihrem Freund, der ihr Portemonnaie und ihr Handy hatte, und hielt sich am Rand des Gedränges.

In dem Moment näherte sich ihr ein weiterer arabisch aussehender Mann und fragte auf Deutsch, ob er ihr helfen könne. Da sie kein Deutsch sprach und er kein Englisch, rief der Mann einen seiner Freunde herbei, Hesham Ahmad Mohammad, der Englisch sprach.

"Wir können Ihnen helfen"

Mohammad, ein 32-jähriger ehemaliger Lehrer, war zusammen mit seinen Freunden von seiner syrischen Heimat über die Türkei, Griechenland, Ungarn und Österreich geflohen, bis sie schließlich im bayerischen Passau landeten. Das war vor sechs Monaten. Die fünf Männer, die alle in verschiedenen westdeutschen Städten lebten und sich deshalb seit ihrer Ankunft in Deutschland nicht mehr gesehen hatten, hatten sich für Silvester in Köln verabredet. Doch als sie am Kölner Hauptbahnhof ankamen, waren sie schockiert. Die Leute seien extrem gewalttätig gewesen, sagt Mohammad, er habe sogar einen versuchten Raub miterlebt.

"Wir wussten (kurz nachdem wir angekommen waren), dass das ein gefährlicher Ort für uns werden könnte, denn wir sahen, dass viele getrunken hatten und außer Kontrolle waren." Als er und seine Freunde die Amerikanerin erblickten, hätten sie gesehen, dass sie weinte und ganz klar "Angst vor allen Männern hatte".

Nach einer Weile konnte er Duncan überzeugen, dass sie von ihm nichts zu befürchten hatte - und sie ließ sich helfen. "Sie sagte mir: 'Ich habe meinen Freund verloren und bin allein. Ich bin Amerikanerin.' Ich sagte ihr: 'Sie müssen nicht weinen, wir können Ihnen helfen.'" In Begleitung von Mohammad ging sie erneut auf die Suche nach ihrem Freund. Mohammad erzählt, zehn Männer hätten versucht, sie zu belästigen, aber er habe sie von ihnen abgeschirmt. Er und seine Freunde hätten schließlich einen Ring um sie gebildet.

Demonstranten mit Spruchband "kriminelle Ausländer raus" (Foto: DW/D. Regev)
Die Silvesternacht in Köln hat die Stimmung im Land verändertBild: DW/D. Regev

"Etwas Gutes in dieser schlimmen Nacht"

Schließlich, so Mohammad, habe er Duncans Freund an seinem markanten weißen Rucksack erkannt, wie Caitlin Duncan ihn beschrieben hatte. Der Syrer trat an den jungen Deutschen heran und sagte: "Ich habe jemand für Sie. Es ist Ihre Freundin." Die Wiedersehensfreude und die Erleichterung waren riesig.

Duncan rechnet den Syrern die Hilfe hoch an. "Sie sagten: 'Wir waren so glücklich, Ihnen helfen zu können', und ich war natürlich sehr denkbar", sagt die Amerikanerin. Mit den Syrern ist sie in Kontakt geblieben.

Ahmad Mohammad sagt, er und seine Freunde seien am nächsten Morgen schockiert gewesen, als sie von den massenhaften Übergriffen erfahren hätten. Doch vor den Folgen hat er keine Angst, denn er weiß, dass er selbst nichts falsch gemacht hat. "Wir haben in dieser Nacht etwas Gutes getan."

Der Syrer sagt, Menschen wie er seien im allgemeinen für die Chance, in Deutschland zu leben, dankbar. Die Deutschen sollten verstehen, die meisten Flüchtlinge kämen nicht den weiten Weg nach Europa, um hier die Gesetze zu brechen. Doch manchmal sei die kulturelle Anpassung für Migranten einfach zu schwierig. Daher hofft er, dass er Neuankömmlingen über das Leben hier etwas beibringen kann. "Ich finde, das Leben in Deutschland ist ein gutes Leben, aber wir müssen dieses Leben respektieren."