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"Die Todesstrafe ist brutal und sinnlos"

Das E-Mail Interview führte Stefanie Duckstein27. Oktober 2004

In Montreal findet derzeit der zweite Weltkongresses gegen die Todesstrafe statt. Ein DW-WORLD-Interview mit Claudia Roth, der Menschenrechtsbeauftragten der Bundesregierung.

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Zum Tode Verurteilter in ChinaBild: AP

DW-WORLD: Frau Roth, haben Sie in Ihrer Funktion als Menschenrechtsbeauftragte der Bundesregierung schon einmal Kontakt zu zum Tode Verurteilten gehabt?

Claudia Roth: In meiner Funktion als Menschenrechtsbeauftragte nicht, aber ganz intensiv in meiner Funktion als Vorsitzende des Bundestagsausschusses für Menschenrechte und Humanitäre Hilfe im Jahre 1999. Ich besuchte die Brüder La Grand in der Todeszelle. Dieser Besuch hat das grausame Schicksal der Verurteilten leider nicht ändern können. Wir haben aber im Nachhinein erreicht, dass die USA die weltweite Geltung des Völkerrechts akzeptiert haben. Bis dahin praktizierten die USA die absolute Ignoranz des Rechts der ausländischen Bürger auf konsularische Beratung.

Befürworter der Todesstrafe argumentieren, sie verhindere Verbrechen. Wie ist Ihre Einschätzung?

Dass die Todesstrafe eine abschreckende Wirkung habe, ist von zahlreichen Studien widerlegt worden. Ich führe gerne Kanada als Gegenbeispiel an: dort wurde 1976 die Todesstrafe abgeschafft, und die Zahl der Mordfälle pro 100.000 Einwohner lag 2001 erheblich unter der von 1975. Auch andere Studien zeigen, dass sich das Abschreckungsargument nicht halten lässt. US-Staaten wie Illinois und Missouri haben eine deutlich höhere Mordrate als ihre Nachbarstaaten Wisconsin und Iowa, die die Todesstrafe abgeschafft haben.

Eines der stärksten Argumente, das für die Todesstrafe angeführt wird, ist der Gedanke der Sühne. Können Sie diesem Argument folgen?

Meines Erachtens verstößt die Todesstrafe gegen unveräußerliche Menschenrechte: gegen das Recht auf Leben und Menschenwürde, gegen das Verbot von grausamen und erniedrigenden Strafen. Mit einer Hinrichtung für eigene Taten zur Rechenschaft gezogen zu werden, hat für mich nichts mit "Sühne" zu tun, im Gegenteil: das ist ein Menschenrechtsverstoß mit Todesfolge – brutal und sinnlos.

Worin bestehen Ihre Handlungsmöglichkeiten als Menschenrechtsbeauftragte der Bundesregierung, etwas gegen die Todesstrafe zu unternehmen?

Claudia Roth für Frauengalerie
Claudia Roth, Menschenrechtsbeauftragte der BundesregierungBild: AP

Ich versuche zusätzlich zu der formalen Ebene mit europäischen Partnern in bilateralen Gesprächen mit betroffenen Ländern ein gewisses Problembewusstsein zu fördern. Auch wenn sich das nach einer Sisyphos-Arbeit anhört – die fortdauernde Aufmerksamkeit der Bundesregierung und das beständige Vertreten unserer Haltung haben eine nicht zu unterschätzende Signalwirkung.

Was unternimmt Deutschland gegen die Todesstrafe?

Mit unseren europäischen Partnern kämpfen wir seit Jahren, und sehr erfolgreich, für die Abschaffung der Todesstrafe. Das geschieht einerseits über gemeinsame Abkommen, wie etwa dem 13. Protokoll der Europäischen Menschenrechtskonvention, über Resolutionen, etwa in der Menschenrechtskommission, oder dem Statut des Internationalen Strafgerichtshofs. Durch unsere gemeinsame Vorgehensweise ist natürlich die Außenwirkung weit größer als im Alleingang.

Warum wird diese Problematik von deutschen Spitzenpolitikern in bilateralen Gesprächen häufig umgangen?

Diese Problematik haben wir in allen bilateralen Gesprächen thematisiert, wenn es um unser Verständnis von Menschenrechten ging. Im April dieses Jahres war das in Genf auf der 60. Jahrestagung der Menschenrechtskommission der UNO einer der Schwerpunkte der deutschen Delegation. Es gibt zum Glück auch Fortschritte in diesem Bereich: Die Türkei hat die Todesstrafe abgeschafft, in Russland ist sie durch die Bemühungen des Europarates auf Eis gelegt. Im Falle von China ist das ein Thema, das immer auf der Liste unserer Gesprächsthemen steht. Und die USA: da haben wir uns sowohl politisch als auch aus humanitären Grundsätzen heraus in vielen Einzelfällen zu Wort gemeldet.

Was unternimmt Außenminister Joschka Fischer mit seiner Außenpolitik gegen die Todesstrafe?

Der Außenminister ist der höchste Repräsentant einer Politik, die das Auswärtige Amt mit der Fülle seiner Arbeit für die weltweite Ächtung und für die Abschaffung der Todesstrafe leistet. Er äußert diese persönliche Überzeugung ganz klar und deutlich bei vielen Gelegenheiten und Foren, wenn es um Menschenrechte geht.