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Enttäuschung über Kiew

10. Dezember 2009

Jerzy Buzek, Präsident des Europäischen Parlaments, reist bald in die Ukraine. Noch vor der Präsidentenwahl will er dort Gespräche führen. Im DW-Interview äußert er sich enttäuscht über die Reformpolitik in Kiew.

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Jerzy BuzekBild: AP

Deutsche Welle: Herr Buzek, Europa hat vor kurzem den 20. Jahrestag des Falls der Berliner Mauer begangen. In Ihren Ansprachen weisen Sie immer darauf hin, dass man Europa nach 20 Jahren nicht mehr in ein "altes" und "neues" teilen sollte. Wie steht es denn um die östlichen Nachbarn der EU, insbesondere die Ukraine?

Jerzy Buzek: Vor kurzem habe ich mich mit dem ukrainischen Parlamentsvorsitzenden Lytwyn, und Präsident Juschtschenko getroffen. Wir haben darüber gesprochen, wie man die Europäische Union nicht für die östlichen Nachbarn verschließen könnte. Aber sehr viel hängt von den künftigen Wahlen in der Ukraine ab: Sie müssen transparent, fair und ehrlich sein. Wichtig ist auch, dass sich die ukrainischen Spitzenpolitiker verständigen und sich in den wichtigsten Fragen einigen, vor allem in denen, die eine Annäherung an die Europäische Union betreffen.

Was sollte das künftige neue ukrainische Staatsoberhaupt für die europäische Integration leisten?

Sehr wichtig ist, dass die EU keine Schwierigkeiten bei den Gaslieferungen im Winter zu spüren bekommt. Das würde ernsthaft signalisieren, dass man in der Lage ist, Abmachungen zu treffen. Ich weiß, dass dies nicht nur von der ukrainischen Seite abhängt. Aber wenn die Ukrainer alles unternehmen würden, um stabile Lieferungen zu garantieren, dann wäre dies eine große Hilfe – umso mehr, weil die EU der Ukraine mit Investitionen ins Erdgas-Transportsystem helfen möchte. Eine weitere, sehr wichtige Sache ist die Entwicklung der Zusammenarbeit im Rahmen von Euronest – dem Netz für interparlamentarische Zusammenarbeit in Europa. Genauso wichtig ist die Zusammenarbeit im Rahmen der Östlichen Partnerschaft. Die Europäische Union widmet seinen nächsten strategischen Partnern besondere Aufmerksamkeit. Gerade solch strategische Beziehungen wollen wir mit der Ukraine aufbauen.

Vor kurzem ist der Vertrag von Lissabon in Kraft getreten, der die EU handlungsfähiger machen soll. Früher hatte man in Brüssel eine künftige Erweiterung der Gemeinschaft auch von dieser Reform abhängig gemacht. Wird sie sich auf eine EU-Beitrittsperspektive für die Ukraine auswirken?

Die Tür zur Europäischen Union ist offen. Aber die Umsetzung der Beitrittskriterien ist sehr schwierig. Heute konzentriert sich die Aufmerksamkeit der EU auf den Westbalkan. Die Länder dieser Region haben wesentliche Fortschritte bei der Umsetzung der Kopenhagener Kriterien erzielt. Wenn wir über die Ukraine sprechen, muss man feststellen: in den vergangenen fünf Jahren ist hier kein wesentlicher Fortschritt erzielt worden. Ich sage das mit großer Enttäuschung und Trauer. Wir hatten uns bedeutend größere Fortschritte erhofft bei der Annäherung der Ukraine an die Grundlagen, auf denen die Europäische Union basiert. Ohne diese Kompatibilität ist es auch schwierig, überhaupt von einer engeren Zusammenarbeit zu sprechen.

Welche Bedeutung hat für eine weitere Annäherung an die EU, wer nächstes Staatsoberhaupt der Ukraine wird?

Die Persönlichkeit des Präsidenten spielt immer eine gewisse Rolle in solchen Angelegenheiten. Aber noch wichtiger ist die Haltung der Ukrainer - der Bürgergesellschaft, der Nichtregierungsorganisationen. Die Ukrainer müssen sich noch mehr dem Westen öffnen.

Autor: Eugen Theise / Markian Ostaptschuk
Redaktion: Bernd Johann