Die Umweltkatastrophe von Peru
25. Januar 2022Manuel Chapayquen hat sein ganzes Leben lang an der peruanischen Küste gefischt, schon sein Vater und sein Großvater waren Fischer am Strand von Ancón im Norden der Hauptstadt Lima. Fragt man ihn, ob er sich überhaupt einen anderen Job vorstellen könne, antwortet er nur mit einem Sprichwort: "Man nimmt einen Fisch ja auch nicht von einem Tag auf den anderen aus seinem Ozean".
Doch vielleicht ist seine Zeit als Fischer jetzt tatsächlich vorbei, denn Chapayquen muss hilflos mit ansehen, wie das Meer, sein Meer, sich plötzlich durch das ausgelaufene Öl pechschwarz färbt. Die Ölfirma Repsol? "Mörder der Umwelt! Das ist ein Verbrechen. Während wir Tag für Tag unseren Strand schützen, haben diese Kriminellen das Meer verseucht. Ancón wird nie wieder so sein wie früher."
Peruanische Fischer stehen vor dem Nichts
Chapayquen spricht für alle 1500 Fischer der Region, die nach der größten Umweltkatastrophe der letzten Jahre jetzt gerade einmal zehn Prozent ihrer normalen Fangquote erzielen und stocksauer auf den spanischen Ölkonzern sind. Ein Tankerschiff verlor beim Entladen an der größten peruanischen Raffinerie La Pampilla, die etwa die Hälfte des Kraftstoffverbrauches des südamerikanischen Landes abdeckt, 6000 Barrel Rohöl - eine Menge, die reichen würde, 25.000 Autos zu betanken.
Angesichts von 21 ölverseuchten Stränden, tausenden toten Vögeln und Fischen sowie einem riesigen Ölteppich, der sich Stück für Stück an die Küste der Hauptstadt Lima heranfrisst, hat die Regierung einen 90-tägigen Umwelt-Notstand ausgerufen. Drei Monate Zeit also, um mit dem Aktionsplan aus der Schublade die 270 Fußballfelder große Schmutzfläche zu säubern, so gut es geht. Genug Zeit aber auch, um der alles entscheidenden Frage nachzugehen, wer für die Ölpest letztendlich die Verantwortung trägt.
Krisenmanagement von Repsol in der Kritik
Der Erdölkonzern aus Madrid, der 2020 in 29 Ländern einen Umsatz von knapp 50 Milliarden Euro erwirtschaftet hat, gibt auf jeden Fall alles andere als eine gute Figur ab. Zunächst meldete er nur sieben Gallonen ausgelaufenes Rohöl, nicht mal ein Prozent der tatsächlichen Menge, und ließ verlauten, alles sei unter Kontrolle.
In den ersten 48 Stunden, als noch die Möglichkeit bestand, die Ölpest einzudämmen, blieb Repsol untätig. Und lässt jetzt freiwillige Helfer, für einen Hungerlohn und oft ohne angemessene Schutzkleidung, das ökologische Desaster aufräumen. Bittere Ironie: Unter ihnen sind ausgerechnet die betroffenen Fischer wie Manuel Chapayquen, die irgendwie ihre Familien ernähren müssen.
"Haben wir schnell genug reagiert? Nein. Uns war die Größe des Ereignisses nicht bewusst, ehe Öl an die Strände gespült wurde. Natürlich haben wir Fehler gemacht", gab der Präsident von Repsol Peru, Jaime Fernández Cuesta, jetzt kleinlaut zu. Bis Ende Februar wolle man die Strände sauber bekommen. Doch für das Unglück an sich sei nun einmal der Vulkan-Ausbruch im Südpazifik-Staat Tonga verantwortlich. "Es wurden Flutwellen und unnormale Strömungen ausgelöst. Nicht, weil ich das sage, sondern weil alle wissenschaftlichen Berichte dies belegen."
Repsol und peruanische Regierung streiten über Verantwortung
Im Ping-Pong-Spiel der Schuldfrage spielt der Ölmulti den Ball zurück an die peruanische Regierung, die keinerlei Warnung vor einem Tsunami herausgegeben habe. Die schmettert zurück: Umweltminister Rubén Ramírez droht dem Konzern, nachdem er sich per Flugzeug ein Bild von der Umweltkatastrophe gemacht hatte, mit einem Bußgeld von 32 Millionen Euro.
Die peruanische Ministerpräsidentin Mirtha Vásquez möchte sogar nicht ausschließen, Repsol die Lizenz für die Raffinerie zu entziehen. Ein Expertenteam soll jetzt die Verträge mit dem Ölkonzern genauestens unter die Lupe nehmen, um den Spielraum für mögliche Sanktionen auszuloten.
Lange Tradition von Ölunglücken in Peru
Juan Carlos Riveros glaubt nicht, dass die Umweltkatastrophe tatsächlich ernsthafte Konsequenzen für Repsol haben wird. "In dieser Raffinerie wird Diesel gewonnen, der für den öffentlichen Nahverkehr, also die Busse in den Städten, unerlässlich ist. Man kann also sagen, Peru ist eine Geisel von Repsol", sagt der Biologe und wissenschaftliche Direktor der Nichtregierungsorganisation Oceana, "außerdem haben viele der einflussreichsten Politiker hier lange Zeit für Repsol als Berater gearbeitet." Im Kongress wird ausgerechnet jetzt über eine Gesetzesänderung debattiert, die Konzessionen für ausländische Investoren von 30 auf 40 Jahre zu verlängern.
Der Super-Gau von La Pampilla hat Tradition. In den letzten 25 Jahren hat es in Peru sage und schreibe 1002 Lecks gegeben, mit Öl, das die Umwelt verseucht hat. Mehr als die Hälfte davon im peruanischen Dschungel, über 400 im Meer. Konsequenzen für die Ölmultis? Fast keine, das Geschäft muss schließlich weitergehen. "Die Bußgelder sind lächerlich, wenn man bedenkt, wie viel Geld diese Firmen bewegen, Und dann haben sie immer ein Heer von Anwälten, die das Beste für die Ölunternehmen herausschlagen, sodass sie oft sogar einen Vorteil aus den Prozessen ziehen", sagt Riveros.
Tausende vor allem junge Peruaner sind in den vergangenen Tagen auf die Straße gegangen, um harte Konsequenzen für Repsol zu fordern. Mit dabei waren auch viele Fischer, die vor den Trümmern ihrer Existenz stehen. Juan Carlos Riveros macht ihnen wenig Hoffnung; ein Artensterben, Missbildungen der Tiere und eine Kontamination über Generationen sei die Folge des Unglücks. "Das Schweröl ist toxisch, die Menschen hier werden erst einmal keinen Fisch mehr essen. Bis die Fischerei wieder auf dem Stand von vor der Katastrophe ist, kann es ein Jahr dauern. Viele Fischer werden bis dahin aufgeben müssen."