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Die UN kann warten

Kay-Alexander Scholz27. März 2003

Der heiße Krieg im Irak beherrscht die Schlagzeilen. Der kalte Krieg der Diplomatie geht weiter. Alles dreht sich um die Frage, wer im zukünftigen Irak die Fäden in der Hand hat. Hat die UN noch eine Chance?

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Bush vor der UN - der nächste Streit kommt bestimmtBild: AP

Das Versagen der Diplomatie im UN-Sicherheitsrat ist noch ganz frisch im Gedächtnis der Weltöffentlichkeit. UN-Generalsekretär Kofi Annan spricht von einer "zerrütteten Weltordnung". Viele Pressestimmen äußern sich ähnlich pessimistisch.

Trotzdem ist die UN wieder im Gespräch. Es geht darum, wann und in welchem Rahmen die USA in den Entscheidungsrahmen der "Weltregierung" zurückkehren werden. Unabhängig davon, wie lange der Krieg im Irak noch dauern wird, muss die humanitäre Hilfe für die irakische Bevölkerung durch die UN organisiert werden. Und nach dem Sturz des Diktators Saddam Hussein muss das Land wieder aufgebaut werden. Ob die UN in diesem Zusammenhang eine Rolle spielen wird, bleibt jedoch noch abzuwarten.

US-Protektorat unwahrscheinlich

Dass sich die USA zukünftig ganz aus der aktiven Mitarbeit in der UN zurückziehen, hält der Völkerrechtler Norman Weiß von der Universität Potsdam für unwahrscheinlich: "Es kann keine Weiterarbeit geben, ohne dass die USA mitmachen," sagte er gegenüber DW-WORLD. Einen Alleingang der USA hält Weiß nicht nur wegen der immensen Kosten für nicht machbar: "Es ist davon auszugehen, dass die Iraker keine Besatzung akzeptieren werden, sondern es wird eine Ordnung geben, in der irakische Kräfte maßgeblich beteiligt sind."

Die USA handelten, sagte UNO-Experte Günter Unser im Gespräch mit DW-WORLD, nicht erst jetzt nach der Devise: "So multilateral wie möglich, so unilateral wie nötig!" Schon Bill Clinton und Madeleine Albright hätten für diese Politik gestanden. Die Gretchenfrage sei nicht, ob die USA wieder zur UN zurückkehrt: Es geht vielmehr darum, wer die Leadership-Rolle übernehmen wird, die USA oder die UNO oder möglicherweise auch die EU?

"Die USA haben schon Aufträge an US-Firmen zum Wiederaufbau von Brücken im Irak vergeben. Doch wird es eine Arbeitsteilung geben. Man wird die Europäer zur Kasse bitten", so Unser. Zudem spielten auch für die Kriegsgegner wirtschaftliche Interessen eine eindeutige Rolle. "Wenn es um die Verteilung von Aufträgen geht, werden die Franzosen auch ihr Händchen hoch halten." Und sollte es später zum Einsatz von Blauhelm-Soldaten kommen, dann wären besonders die "kriegsneutralen" Länder gefragt.

Der Sündenfall war früher

Die mögliche Rolle der USA im Irak hänge aber auch vom Verlauf des Krieges gab, so Unser. Sollten die Alliierten Massenvernichtungswaffen finden, dann wird "neu über Recht und Unrecht des Krieges diskutiert werden". Dann werde es heißen, dass die Amerikaner doch nicht so unbegründet vorgegangen seien.

Der eigentliche völkerrechtliche Sündenfall trat schon 1999 beim Einmarsch der NATO-Truppen in den Kosovo ein. "Der Einsatz im Kosovo war der erste entscheidende Schritt, die UN-Charta zu umgehen, und es gab gute Gründe dafür", erklärt Unser. Damals brach der UN-Sicherheitsrat auseinander, ohne über eine Kosovo-Resolution abzustimmen und die NATO schickte ihre Truppen ins ehemalige Jugoslawien. Offiziell wurde die Militäraktion als humanitäre Intervention betitelt, doch war es eher eine "Intervention aus humanitären Gründen", unterstreicht Unser. "Die Regeln der UN-Charta funktionieren offensichtlich nicht. Deshalb muss man darüber diskutieren, ob es nicht opportun ist, schon im Vorfeld intervenieren zu können."

Weiß warnt jedoch davor, bei einer "durchaus notwendigen" Revision der UN nur die "Rosinen rauszupicken". Eine Generalrevision wäre sehr langwierig. "Und letztlich wird es bei lockeren Regeln bleiben, auf die sich alle irgendwie einigen können."

Die nächste Resolution wird kommen

Frankreich spricht sich derzeit ausdrücklich gegen eine neue UN-Resolution zum Irak aus, da damit der Krieg der Alliierten im Irak nachträglich legitimiert würde. Dazu müsse es aber nicht kommen, erklärt Völkerrechtler Weiß. "Wenn das Regime gestürzt ist, dann sind die UN natürlich wieder gefragt und nicht jede Resolution würde automatisch den Militäreinsatz nachträglich sanktionieren." Auch Unser plädiert hier für eine realistische Sichtweise: "Wie bei der Resolution 1441 kann man in einen Text viel rein interpretieren. Jeder pickt sich das raus, was ihm passt. Aber man kann natürlich auch nicht sagen, wir machen jetzt eine Wiederaufbaukampagne und vorher war der Garten Eden."

Das UN-Hilfsprogramm für den Irak "Öl für Lebensmittel" ist auf Druck der USA zu Beginn des Krieges eingestellt worden. "Es sei widersinnig, durch die UN Geld in den Irak fließen zu lassen, damit der dann länger Krieg führen kann," meint Weiß. Das 1996 in Kraft getretene Programm ermöglichte es der irakischen Regierung - trotz der UN-Sanktionen - die Grundversorgung der Bevölkerung sicher zu stellen.

Die derzeitigen Verhandlungen zur Wiederaufnahme des Programms sind ein Indikator dafür, welche Rolle die Supermacht USA im zukünftigen Irak für sich reklamiert. Unser sagt: "Die Interessen sind andere als in Afghanistan oder in Ost-Timor – Öl spielt schon eine Rolle."