"No Fly" in Germany
8. August 2014An deutschen Flughäfen sind Bedienstete des US-Heimatschutzministeriums aktiv. Im Jahresschnitt sind sogar über 50 Mitarbeiter des Departement of Homeland Security (DHS) in Deutschland tätig. Das geht aus einer Antwort der Bundesregierung auf eine Anfrage der Bundestagsfraktion Die Linke vom Dezember 2013 hervor. Nach einem Passagierdatenabkommen zwischen der Europäischen Union und den USA sind Fluggesellschaften dazu verpflichtet, den US-Sicherheitsbeamten Zugang zu allen Passagierdaten zu gewähren. Für die Kontrollen besteht auch eine Zusammenarbeit mit der deutschen Bundespolizei. Zum Beispiel am Frankfurter Flughafen.
Abgeordnete um Ulla Jelpke (Die Linke) wollten weitere Informationen zu den Berichten bekommen, die im November 2013 in der "Süddeutschen Zeitung" erschienen. Dort hatten Journalisten herausgefunden, dass US-Beamte an deutschen Flughäfen entscheiden, wer eine Reise in die USA antreten darf und wer nicht. Angeblich hätte das US-Personal in Deutschland sogar die Befugnis, Verhaftungen vorzunehmen. Dass sich US-Beamte dabei auf deutschem Boden unrechtmäßig hoheitliches Handeln anmaßten, konnte die Bundesregierung nicht bestätigen. Sie schreibt, dass wegen Freiheitsberaubung keine Ermittlungsverfahren beim Generalbundesanwalt anhängig seien. Die Bundesregierung räumt aber ein, dass nicht erfasst wird, ob bei Festnahmen durch die Bundespolizei zuvor Hinweise der US-Sicherheitsbehörden vorausgegangen waren.
Einschränkung der Reisefreiheit
So genannte "No-Board-Empfehlungen" werde es aufgrund der drastisch angestiegenen Datensätze in den US-Terrorverdachts-Datenbanken häufiger geben, vermuten Sicherheitsexperten. Dabei würden auch Pannen nicht auszuschließen sein, die dann völlig unbescholtene Personen betreffen könnten. Der Terrorforscher Rolf Tophoven wird deutlich: "Solche Datenmengen kann man schlicht nicht mehr bewältigen." Dass Listen mit Terrorverdächtigen, wie die Watchlist TIDE, von in Deutschland stationierten Mitarbeitern der US-Sicherheitsbehörden genutzt würden, daran besteht für Tophoven kein Zweifel.
Fälle, bei denen Namensähnlichkeiten mit Terroristen oder schlicht falsch angekreuzte Angaben für Flugverbote sorgten, seien keine Seltenheit. Der bloße Verdacht auf Verbindungen zu terroristischen Vereinigungen oder unliebsames, politisches Engagement kann schon ausreichen, um auf die "No Fly"-Liste der US-Behörden zu gelangen. So erwischte es den belgischen Juristen und Mitarbeiter des Europaparlaments Paul-Emile Dupret, der zu einer Tagung nach Mexiko fliegen wollte. Das Flugzeug, in dem er saß, erhielt keine Überflugerlaubnis über amerikanischen Boden und musste den US-Luftraum umfliegen. Dabei war nie eine Zwischenlandung in den USA geplant gewesen.
Keine Kontoeröffnung
Dass inzwischen nicht nur der Reiseverkehr, sondern auch andere Lebensbereiche in Deutschland betroffen sein können, schildert der Vorsitzende der Piratenpartei, Stefan Körner. Unlängst habe ein Mann kein Konto eröffnen können, weil sein Name angeblich auf einer Terrorwarnliste gestanden hätte. Ungewöhnlich. Denn die US-Listen mit Terrorverdächtigen sind mit dem Vermerk "Noforn" (No foreign nationals) gekennzeichnet und dürfen weder ausländischen Geheimdiensten noch anderen Institutionen zugänglich gemacht werden. Allerdings gibt die US-Regierung zu, hätten in den USA rund 4,2 Millionen Mitarbeiter von Militär, Ministerien und 16 Geheimdiensten eine Zugangsberechtigung zu den Listen mit Terrorverdächtigen. "Ich fürchte, dass das langsam Ausmaße annimmt, die alles Vorstellbare sprengen", sagt der deutsche Abgeordnete Stefan Körner.
Die Frage bleibt, in welchem Umfang deutsche Sicherheitsbehörden US-Datensammlungen nutzen. Unzufrieden ist Körner vor allem über die Angaben des Bundesnachrichtendienstes. Schon im NSA-Untersuchungsausschuss hätten Vertreter des BND nur gesagt, dass sie 20 Prozent des US-Materials verwenden würden. Worauf sich diese 20 Prozent beziehen blieb offen. Terrorexperte Rolf Tophoven stellt dazu klar: "Ich schließe aus, dass man in Deutschland die Sammelwut der USA eins zu eins übernimmt." Deutschland sei bei Hinweisen durch US-Behörden verpflichtet, sämtliche Angaben streng gegenzuprüfen. Gefährlich sei natürlich, wenn weitere Whistleblower tatsächlich Namen aus "No Fly"-Listen veröffentlichen würden. Nach Angaben der Enthüllungs-Website "The Intercept" besteht bei rund 300.000 aufgeführten Personen keinerlei Verbindung zu einer Terrororganisation.