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"Die USA haben nur eine vage Macht über das Internet"

12. November 2005

Wie viel Macht haben die USA über das Internet? Sabine Dolderer, Vorstand bei denic, erklärt im DW-WORLD-Interview, wie und ob die US-Regierung das weltweite Netz kontrolliert.

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Höchstleistung im RechenzentrumBild: dpa

DW-WORLD: Kurz vor dem Weltinformationsgipfel in Tunis ist der Streit um die Macht im Internet voll entbrannt. In der Kritik ist die US-Regierung. Es heißt, sie wolle ihre unilaterale Kontrolle nicht aufgeben. Was bedeutet das konkret: Wie mächtig sind die USA wirklich?

Sabine Dolderer: Die US-Regierung ist derzeit verantwortlich für den Betrieb des zentralen Servers des Rootserver-Systems, das heißt sie hat die letzte Hand auf dem so genannten A-Root-Server. Die Rootserver sind dabei die Rechner, welche als Wegweiser im Internet fungieren und die Domains in numerische Internetaddressen "übersetzen" und damit ihre weltweite Erreichbarkeit sicherstellen. Auf dem A-Root-Server abgelegt ist dabei die Liste aller Top-Level-Domains (TLD), die im Internet abfragbar sind. Dazu gehören zum Beispiel die Adressen mit der Endung .com oder .de, .fr, etc.. Und dieser Server wird zurzeit in letzter Instanz von den USA per Vertrag kontrolliert.

Es gibt weltweit derzeit 13 solcher Root-Server. Warum ist der so genannte A-Server so wichtig?

Es gibt eine Vereinbarung - die übrigens nicht vertraglich fixiert ist - zwischen allen Betreibern der 13 Root-Server, dass sie ihre Informationen von dem einen zentralen A-Root-Server kopieren. Das heißt, wenn einer eine Änderung in diesen zentralen Server einträgt (z.B. andere technische Informationen für .de oder .uk), dann kopieren alle anderen zwölf Root-Server diese Information und verbreiten diese anschließend gleichartig im Netz. Insoweit handelt es sich um eine sehr vage Macht, denn wenn die USA tatsächlich ihre Macht ausnutzen sollten und bestimmte Informationen zu einem Land im A-Root-Server löscht, ist fraglich, ob dann diese freiwillige Vereinbarung nicht zerbricht.

Aber wäre es denn theoretisch möglich, dass die USA alle Adressen zum Beispiel mit der Endung .de sperrt?

Theoretisch kann die USA die Information, die zu den .de-Adressen führt, aus dem A-Root-Server entfernen. Das würde dann auf die anderen zwölf Server kopiert und dann wären alle Adressen mit der Endung .de nicht mehr erreichbar.

Haben die USA in irgendeiner Form von ihrer Macht schon Gebrauch gemacht?

Nein, die USA an dieser Stelle von ihrer Macht noch nie Gebrauch gemacht.

Wenn aber die Macht der USA, wie Sie sagen, eher "vage" ist, und sie davon auch noch keinen Gebrauch gemacht haben, warum dann diese ganze Aufregung vor dem WSIS?

Es ist vor allem ein sehr symbolischer Streit. Ich glaube auch nicht, dass es eine große Gefahr ist, dass man die Top-Level-Domain eines Landes aus diesem A-Root-Server sperrt. Das große Problem liegt eher in der Diskussion, welche neuen Endungen zukünftig aufgenommen werden in diese zentrale Liste, wer darüber bestimmt und zu welchen Bedingungen diese Endungen aufgenommen werden. Hier liegt das wesentlich größere Konfliktpotential. Meiner Meinung nach sollte allerdings eine sehr restriktive und strenge Kontrolle bei der Vergabe von TLDs nicht das Ziel sein, sondern diese Entscheidungen sollten liberal gehandhabt werden. Man sollte ein Rahmenwerk schaffen, das möglichst flexibel ist und viele verschiedene Ansätze parallel erlaubt. Man sollte also keine strenge regulatorische Aufsicht und künstliche Verknappung implantieren.

Die USA sollen also ihre Kontrolle aufgeben?

Die USA üben derzeit keine strenge Kontrolle aus. Vielmehr ist es so, dass derzeit wenig Fortschritt stattfindet, da jede Aktion von ICANN im Moment stark kritisiert wird. Im Moment sind zum Beispiel nur lateinische Zeichen in den Rootservern erlaubt. Eine sogenannte internationalisierte Topleveldomain aus chinesischen oder arabischen Zeichen ist also nicht möglich. Hier wären mehr Pragmatismus und mehr Freiräume gefragt, anstatt dass man versucht, den kleinstmöglichen globalen Konsens zu finden, der es jedem Recht macht.

Aber chinesische und arabische TLD zu verhindern, das liegt doch gerade im Interesse der USA.

Das glaube ich nicht. Es gibt sicher weder ein Interesse der USA, Länder aus der Liste der Topleveldomains zu streichen – zumal die Inhalte über andere Pfade trotzdem erreichbar bleiben – noch gibt es ein US-Interesse, chinesische oder arabische Topleveldomains zu verhindern. Was die Einführung dieser Domains derzeit bremst, ist die Fokussierung ICANNs auf die kommerzielle interessanteren generischen Topleveldomains und die generell langwierige Entscheidungsfindung bei ICANN. Dieser dadurch resultierende fehlende internationale Fokus ist allerdings ein Grund für die derzeitigen Diskussionen, denn internationalisierte TLDs wären ja vor allem deshalb wichtig, damit das Internet nicht nur global, sondern auch lokal für bestimmte Communities nutzbar wird.

Das Gespräch führte Steffen Leidel

Sabine Dolderer ist Vorstandsmitglied von DENIC (Frankfurt/Main), der zentralen Registrierungsstelle für alle Internet-Adressen mit dem Kürzel ".de"