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Die Verlierer der WM: Die Fußballnäher aus Sialkot

Günther Keiffenheim10. Juni 2006

Markenfußbälle, wie sie auch bei der Fußball-WM zum Einsatz kommen, kosten hierzulande über 100 Euro. Den Profit machen die internationalen Sportkonzerne jedoch auf Kosten der Näher in armen Ländern - wie in Pakistan.

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Fußbälle werden oft in Billiglohn-Ländern produziert. Auch solche für die WM.Bild: gepa/Christian Nusch

Während der WM dauert ein Spiel 90 Minuten - mindestens. In dieser Zeit fertigt ein Näher, wie es sie beispielsweise im pakistanischen Sialkot gibt, vielleicht einen halben Fußball. Rund 80 Prozent der Weltfußballproduktion stammen aus Werken in und um das Industriezentrum im pakistanischen Nordosten. Global Player wie Adidas oder Nike lassen in Sialkot und Wazirabad nähen.

Fußbälle WM 2006 Fußball Symbolbild
Bei der WM dreht sich alles um den Ball.Bild: dpa

Während so ein Leder in deutschen Läden stolze 90 bis 190 Euro kostet, verdient Muhammad Nadin gerade einmal 40 Rupien, knapp 60 Cent, wenn er im Schatten des Maulbeerbaums im Hof eines von 15 Produktionszentren des Fußballgiganten Saga einen Lederball fertig hat. Er arbeitet Akkord, schafft vier bis fünf Bälle pro Tag, bringt also maximal 200 Rupien, knapp drei Euro. Da ist an Fußballspielen nicht zu denken: "Ich spiele nicht, keine Zeit", sagt Muhammad Nadin. "Ich muss Geld machen, mit Fußbällen." Er steht morgens vor sechs Uhr auf, verlässt das Haus, frühstückt unterwegs und dann gehts im Bus zur Arbeit. 750 Stiche oder zwei bis drei Stunden braucht er pro Ball. Die Arbeit schafft ihn.

Abgeriegelt wie Hochsicherheitstrakte

Seit kritische Berichte über die Ausbeutung in Betrieben der Weltkonzerne Nike und Adidas die Fußballwelt ein wenig angekratzt haben, sind sie abgeschottet wie Hochsicherheitstrakte. Interviews mit Arbeitern? Völlig unmöglich. Wer mit Medienvertretern redet, riskiert seinen Job. Dabei haben es die Akkordarbeiter von Saga noch recht gut, behauptet Lehrer Mukhtar Ahmed Tahir, der seine Privatschule gleich neben der Näherei betreibt.

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Es geht auch anders: Rahila, eine Näherin in Sialkot präsentiert einen Ball der Fair-Trade-Organisation gepaBild: gepa/Christian Nusch

Die Arbeiter nähen hier auch für die FIFA. Fußbälle also, die auch bei der Fußball-Weltmeisterschaft zum Einsatz kommen. "Die Näher haben gute Arbeitsbedingungen", sagt Tahir. "Prima Arbeitsplätze. Schlechter sieht es für andere Arbeiter aus." Bis zu 14 Stunden in dunklen Hallen auf dem Boden sind da keine Ausnahme. Dazu kommt die ungesunde Politur, die vielen Probleme macht - von den Verhältnissen in den Gerbereien ganz zu schweigen. Seit Kinderarbeit von den Konzernen verboten wurde, hat man die Kinder in noch abgelegenere, noch verkommenere Klitschen abgeschoben, wo sie die frischen Häute mit Urin gerben.

Billig-Fußbälle aus dem Land des Cricket

Die wenigsten der Näher werden eines der Spiele anschauen - denn der Volkssport in Pakistan ist Cricket und einen Fernseher hat keiner von ihnen. Saad Gul, einer der wenigen Fußballenthusiasten im Land der Weltfußballproduktion, ist sich dennoch sicher, dass er beim Eröffnungsspiel irgendwie dabei sein wird: "Ja, ich liebe Fußball. Und ich will unbedingt ein guter Spieler werden." Förderung jedoch gibt es keine, in Pakistan konzentriert sich alles auf Cricket.

Seine Ambitionen auf die Qualität eines Weltfußballers unterstreicht Saad Gul dann mit vagen und diplomatischen Hinweisen auf den künftigen Weltmeister, wobei er den deutschen Interviewer höflich hoffnungsfroh stimmt: "Also ich werde Brasilien anfeuern, weil die auch die letzten beiden Titel geholt haben. Diesmal glaub ich aber, haben sie keine Chance. Da gibt's zu viele gute neue Mannschaften wie Deutschland und England, mit vielen guten neuen Spielern. Die Zeit wird zeigen, wer das Zeug zum Champion hat." Wer Verlierer wird, steht aber schon vor dem Eröffnungsspiel fest: Die Fußballnäher aus Sialkot.