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"Krieg der Propaganda" Folge 1: Das Verhängnis der Bündnisse

Marc von Lüpke-Schwarz26. Mai 2014

1914 zogen die Nationen Europas gegeneinander in den Kampf. Ausgetragen wurde der blutige Konflikt mit Waffen – angetrieben wurden die Soldaten jedoch nicht zuletzt durch das Mittel der Propaganda.

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Im Krieg der Propaganda
Bild: gemeinfrei

Brutal wie selten zuvor geht es auf dieser Landkarte zu. Ein deutscher Soldat rammt einem russischen Riesen sein Bajonett in die Nase, sein Waffengefährte aus dem Kaiserreich Österreich-Ungarn nimmt den Feind von Süden ins Visier. Aber auch im Westen Deutschlands sprechen die Waffen. Einen französischen Soldaten trifft brutal der Stiefel eines deutschen Offiziers im Rücken, der gleichzeitig mit seiner Pistole das kleine Belgien verdeckt.

Das Kriegsgeschehen hat der deutsche Zeichner dieser Propagandakarte eindrucksvoll zum Leben erweckt – und beschreibt mit spitzer Feder wie die Frontlinien der verfeindeten Bündnisse durch das Europa des Jahres 1914 liefen.

Im Krieg der Propaganda

Propaganda war ein seit Jahrhunderten eingesetztes Mittel zur Mobilisierung der eigenen Bevölkerung, der moralischen Herabsetzung des Kriegsgegners und der Rechtfertigung der eigenen Kriegsgründe und Ziele. Doch in keinem der vorherigen Konflikte wurde Propaganda in derartigem Maße von den Gegnern eingesetzt wie im Ersten Weltkrieg.

Im Krieg der Propaganda
Deutschland und Österreich-Ungarn beschwören auf einer Bildpostkarte ihr BündnisBild: picture-alliance/akg-images

Unzählige Plakate, Postkarten, Karikaturen, Lieder, Zeitungen und Zeitschriften, Flugblätter, Werke von Schriftstellern und Künstlern, Alltagsgegenstände wie Tassen und Teller, aber auch moderne Medien wie Fotografien und Filme dienten Propagandazwecken. Wie eben die obige Europakarte, die die Welt aus deutscher Sicht in Gut und Böse einteilte.

Die Karikatur der Bündnisse

"Deutschland und Österreich-Ungarn teilen gute deutsche Hiebe nach allen Seiten aus", heißt es hier im begleitenden Text. Gleich anschließend folgt die Erklärung, warum die Deutschen überhaupt gegen Russland kämpfen. "Russland will das Ganze verschlingen, das wird ihm aber nicht gelingen", lautet der holprige Reim. Und auch der deutsche Kriegsgegner im Westen bleibt nicht unerwähnt: "Frankreich zieht sich mutig zurück". Sprich: "feige". Deutlich kommt zum Ausdruck, dass Deutschland sich als Opfer einer Einkreisung sieht – durch das landhungrige Riesenreich Russland im Osten, durch den Erzfeind Frankreich im Westen. Und nicht zu vergessen das neidische Großbritannien, das auf der Karte als Männlein im Schottenrock auftrifft, und unter dem Saum seine Flotte verbirgt. Die deutsche Propaganda stellte den Kriegseintritt des deutschen Reichs als Notwehr dar – und rechtfertigte damit moralisch den sogenannten "Verteidigungskampf" mit "guten deutschen Hieben".

Die Demütigung Frankreichs

Neben der karikierenden Verspottung der deutschen Kriegsgegner illustriert die Karte aber vor allem das deutsche Dilemma: Das Land führte einen Krieg an zwei Fronten. Damit war der Ernstfall eingetreten, den die deutsche Außenpolitik seit der Gründung des Deutschen Reiches lange zu verhindern trachtete. Dieser deutsche Nationalstaat war 1871 entstanden, nachdem Preußen unter der Führung //dhm.de/lemo/html/biografien/BismarckOtto/index.html:Otto von Bismarcks mit seinen Verbündeten Frankreich besiegt hatte. Im Spiegelsaal des französischen Königsschlosses Versailles riefen die deutschen Fürsten das Kaiserreich aus – für die besiegten Franzosen eine Demütigung. Zudem annektierte Deutschland die Regionen Elsass und Lothringen.

Im Krieg der Propaganda Otto von Bismarck
Otto von Bismarck hatte versucht Frankreich mit seiner Bündnispolitik zu isolierenBild: picture-alliance/Bibliographisches Institut & F.A

Ziel deutscher Politik war es fortan Frankreich als unversöhnlichen Gegner zu isolieren. Das Deutsche Reich erwarb unter Bismarck nur zögerlich Kolonien – und vermied so Konflikte mit Großbritannien. Russlands Neutralität für den Kriegsfall mit Frankreich sicherte sich Bismarck 1887 durch einen "Rückversicherungsvertrag". Mit Österreich-Ungarn und Italien verband Deutschland der sogenannte "Dreibund", der wiederum für den Fall eines Krieges gegen Russland für gegenseitige Unterstützung sorgte.

Zerfall des Bündnissystems

1890 entließ Wilhelm II. allerdings von Bismarck als Reichskanzler. Noch im gleichen Jahr verzichtete Deutschland auf die Verlängerung des Rückversicherungsvertrags mit Russland. Vier Jahre später schlossen Frankreich und das Zarenreich ein Bündnis – Deutschland musste fortan mit dem gefürchteten Zweifrontenkrieg rechnen.

Schließlich schlossen 1904 Großbritannien und Frankreich eine Übereinkunft, die "Entente cordiale" genannt wurde: "herzliches Einvernehmen". Großbritannien suchte Unterstützung gegen den Ausbau der deutschen Flotte unter Wilhelm II. Russland schloss sich drei Jahre später der britisch-französischen Übereinkunft an. Deutschland blieb nun als letzter treuer Verbündeter nur Österreich-Ungarn.

Im Krieg der Propaganda
Drei Damen verkörpern auf dieser Propagandapostkarte die Entente aus Großbritannien, Frankreich und RusslandBild: picture-alliance/akg-images

Schüsse auf den Erzherzog

Als schließlich am 28. Juni 1914 die Schüsse auf den österreichischen Erzherzog Franz Ferdinand fielen, setzte sich auch ein verhängnisvoller Automatismus der Bündnisse in Bewegung, da jeder Staat seinen Bündnispartnern Unterstützung gewährte – und letztlich ganz Europa in einen verheerenden Krieg zog. Am 1. August 1914 trat Deutschland in den Ersten Weltkrieg ein. Er sollte auch zum ersten großen Krieg der Propaganda werden.