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Radioaktivität - Wie wirken Jodtabletten?

4. März 2022

Nach den russischen Angriffen auf AKWs in der Ukraine steigt bei vielen die Angst vor einer hohen Strahlenbelastung. Jodtabletten vorbeugend einzunehmen, ist aber sinnlos und gefährlich.

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Ukraine Tschernobyl | Kontrollpunkt Dorf Tulgowitschi
Bei einem Störfall wie 1986 in Tschernobly entweicht radioaktives Jod als einer der ersten Stoffe.Bild: Viktor Drachev/TASS/imago images

Bei einem Störfall in einem Atomkraftwerk - etwa durch eine massive Beschädigung oder Zerstörung  - entweicht radioaktives Jod als einer der ersten Stoffe. Dieses radioaktive Jod kann das Schilddrüsengewebe verstrahlen, zerstören, und es kann zu Krebs führen.

Radioaktivität gelangt durch Einatmen in den Körper oder wird von der Haut aufgenommen.

Schilddrüsenkrebs, Tumore, Akute Leukämie, Augenerkrankungen, psychische Störungen bis hin zu Schädigungen des Erbgutes sind nur einige der schlimmsten gesundheitlichen Folgen, die eine hohe Strahlenbelastung beim Menschen verursachen kann.

Ist der Körper einer massiven Strahlendosis auch nur für kurze Zeit ausgesetzt, führt das binnen weniger Stunden oder Tage zum Tod. 

Wie sinnvoll ist die Gabe von Jod? 

Werden Jodtabletten verabreicht, sammelt sich auch dieses nicht kontaminierte Jod in der Schilddrüse an. Der Körper wird quasi mit dem Stoff überschwemmt. Eine hohe Dosis davon verhindert, dass sich gefährliches, kontaminiertes Jod in den körpereigenen Zellen festsetzt, denn der Speicher ist schon voll.

Gibt man also rechtzeitig ausreichend "gutes" Jod, ist für das "schlechte, radioaktive Jod" kein Platz mehr in der Schilddrüse. Es kann sich dort nicht ansammeln und wird über die Nieren ausgeschieden.

Unser Körper kann Jod nicht selbst produzieren. Wir müssen es von außen, beispielsweise über die Nahrung, zuführen. Damit ist unsere Schilddrüse in der Lage, Hormone zu bilden, die viele Funktionen unseres Körpers steuert, sogar die Entwicklung unseres Gehirns. 

Jodtabletten
Unser Körper kann Jod nicht selbst produzieren. Wir müssen es z.B. über die Nahrung aufnehmen.Bild: Fabian Sommer/dpa/picture alliance

Jodtabletten nicht vorsorglich einnehmen!

Bei der Beschädigung oder Zerstörung eines Atomkraftwerks und dem damit verbundenen Austritt von Radioaktivität ist es aber sinnlos, vorbeugend Jodtabletten einzunehmen, denn die Schilddrüse speichert Jod nur über einen gewissen Zeitraum.

Die unnötige Einnahme von hochdosiertem Jod kann sogar gefährlich sein, da viele Menschen in Deutschland sowieso schon an einer Schilddrüsenüberfunktion leiden. Ohne eine akute Gefährdung sollte niemand diese Tabletten einnehmen!

Nach Angaben des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz nukleare Sicherheit und Verbraucherschutz (BMUV) kann bei atomaren Unfällen jeglicher Art die Einnahme von Jodtabletten bis zu einer Entfernung von hundert Kilometern sinnvoll sein.

Dabei ist der richtige Zeitpunkt wichtig. Die Jodblockade soll am stärksten sein, wenn die Tabletten kurz vor oder während des Kontakts mit radioaktivem Jod eingenommen werden.

Cäsium und Strontium

Die radioaktiven Isotope von Jod 131 und Jod 133 sind verantwortlich für Schilddrüsenkrebs. Sie sind vor allem in den ersten Tagen nach einem atomaren Unfall in einem AKW, etwa durch massive Beschädigung oder Zerstörung, wesentlich für die Strahlenbelastung. 

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Gefährliche Bestandteile radioaktiver Strahlung sind auch die Radionukleide Strontium 90 und Cäsium 137. Sie lagern sich im Knochengewebe ab, was auch zu einem erhöhten Krebsrisiko führt.

Der Körper verwechselt diese Substanzen mit Calcium und baut die gefährlichen Stoffe in die physiologischen Prozesse im Muskel- und Knochengewebe ein.

Das Knochenmark aber ist dafür zuständig, neue Blutkörperchen zu bilden, und dieser Prozess kann durch die ionisierende Strahlung außer Kontrolle geraten. Dann kommt es zur gefürchteten und oft tödlich endenden Leukämie, dem Blutkrebs. 

Schädigungen des Erbgutes

Auch massive Schädigungen des Erbgutes kann radioaktive Strahlung verursachen, so wie es nach den Atombombenabwürfen am Ende des Zweiten Weltkrieges über den japanischen Städten Nagasaki und Hiroshima der Fall war. Kinder mit schrecklichen Missbildungen wurden geboren. 

Und auch bei einer Katastrophe wie im ukrainischen Atomkraftwerk Tschernobyl im April 1986 sind die Spätfolgen unübersehbar. 20 Jahre nach dem Unfall ist die Krebsrate in den meisten betroffenen Regionen um 40 Prozent angestiegen. Schätzungen zufolge starben allein in Russland 25.000 Menschen, die bei den Aufräumarbeiten am Reaktor mitgearbeitet haben. 

Kaum Behandlungsmöglichkeiten

Bei einer Verstrahlung gibt es kaum Hilfe. Entscheidend aber ist, ob es sich um eine Kontamination handelt oder aber um eine Inkorporation. Bei einer Kontamination lagern sich radioaktive Stoffe auf der Körperoberfläche ab.

Es mag banal klingen, aber in solchen Fällen versucht man, diese Stoffe mit normalem Wasser und mit Seifenschaum abzuwaschen.

Eine Inkorporation hingegen ist wesentlich riskanter, denn dabei gelangen die gefährlichen Stoffe direkt in den Körper, und es gibt kaum Möglichkeiten, sie auszuschwemmen. 

Intensität und Zeit sind ausschlaggebend 

Gemessen wird die Radioaktivität in Millisievert. Bei einer Belastung von 250 Millisievert oder 0,25 Sievert über einen kurzen Zeitraum, kann bereits eine Strahlenkrankheit auftreten. Die durchschnittliche Belastung aus der Umwelt beträgt nach Angaben des Bundesamtes für Strahlenschutz (BfS) etwa 2,1 Millisievert. Dieser Wert bezieht sich auf ein Jahr.

Bei 4000 Millisievert oder vier Sievert beginnt die sogenannte akute Strahlenbelastung. Die Sterblichkeit erhöht sich enorm. Ab sechs Sievert beträgt sie 100 Prozent. Der Betroffene hat keine Chance - diese Belastung führt unmittelbar zum Tod.