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Dokus im Kino

Annabelle Steffes4. Februar 2014

Langweilige Doku? Das war einmal! Originelle Geschichten, intensive Atmosphäre und lebendige Protagonisten - Die deutschen Dokumentarfilme sind vielfältig und oftmals spannender als so mancher Spielfilm.

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Copyright: augenschein Filmproduktion GmbH Dreharbeiten zu dem Dokumentarfilm "Tour du Faso"
Dreharbeiten zum Dokumentarfilm "Tour du Faso"Bild: augenschein Filmproduktion GmbH

"And the Oscar goes to … Searching for Sugarman!" – Der Dokumentarfilm rund um den Musiker Sugerman Rodriguez lockte im vergangenen Jahr ebenso viele Besucher ins Kino wie so mancher Spielfilm. Aber auch deutsche Filme wie "More than Honey", der das Bienensterben thematisiert, stehen den amerikanischen Produktionen in nichts mehr nach. Der Dokumentarfilm hat es auf die große Leinwand geschafft. Nach Zahlen der Filmförderungsanstalt kamen allein im Jahr 2012 rund 70 deutsche Dokumentarfilme in die Kinos.

Vor gut zwanzig Jahren war das nicht so. Da wurden Dokumentarfilme hauptsächlich für das Fernsehen produziert und verkümmerten auf einem Sendeplatz am späten Abend. Dass die Filme nun auf großer Leinwand zu sehen sind, ist den Finanzspritzen der TV-Sender und der über 20 staatlichen und regionalen Förderanstalten zu verdanken. Die größte unter den Regionalen, die Film und Medienstiftung NRW unterstützte allein im letzten Jahr 39 Dokumentarfilme mit rund 4 Millionen Euro.

Niemand wartet auf einen

Das klingt nach viel, aber der Weg eines Filmemachers ist damit keinesfalls vorgezeichnet. "Es gibt zu viel Nachfrage für zu wenig Angebot", sagt der junge Dokumentarfilmer Rami Hamze. "Das Medium Film hat sich in den letzten 10-15 Jahren demokratisiert". Handliche Digitalkameras erleichtern das Drehen und längst sind die Zeiten vorbei, in denen man sich noch mit 35 mm Bändern im Schnitt abmühen musste. Ein guter Dokumentarfilm muss sich aber noch durch mehr als gute Technik auszeichnen: Originalität, Atmosphäre und lebendige Protagonisten sind das A und O.

Foto: HUPE Film Rami Hamze lässt sich das Projekt "Kalkberg" erklären
Szene aus dem Film "Der große Demokrator"Bild: HUPE Film

Originell ist Rami Hamzes Debütfilm "Der große Demokrator" auf jeden Fall. Der Filmemacher sammelte 10.000 Euro Spendengelder und stellte sie den Bürgern des Kölner Stadtteils Kalk zur Verfügung. Sie sollten entscheiden, was damit passiert. Über zwei Jahre lang arbeitete Rami an seinem Erstling. Die Mühe hat sich gelohnt. "Der große Demokrator" feierte am vergangenen Samstag nicht nur Premiere, sondern war auch der Eröffnungsfilm des Dokumentarfilmfestivals "Stranger than Fiction".

Foto: Kino Gesellschaft Köln Jochaim Kühn, Rami Hamze, Dirk Steinkühler bei der Eröffnung von "Stranger than Fiction"
Festivaleröffnung von "Stranger than Fiction" v.l. Jochaim Kühn, Rami Hamze, Dirk SteinkühlerBild: Kino Gesellschaft Köln

Es gibt kein Strickmuster

Seit 16 Jahren veranstalten Joachim Kühn und Dirk Steinkühler nun schon dieses Festival und zeigen in Köln und vielen anderen Städten Nordrhein-Westfalens regionale und internationale Dokumentarfilme. Das Programm hat sich im Laufe der Jahre stark erweitert, ganz so wie die Themenvielfalt der Filme. "In den 70er Jahren waren Dokumentarfilme vorwiegend politisch", sagt Joachim Kühn im DW-Interview. "Mittlerweile gehen die Themen eher in Richtung Gesellschaft, Kultur und Philosophie". Dirk Steinkühler fügt hinzu: "Es gibt immer mehr Dokus, die sich mit persönlichen Themen auseinander setzen, wo auch die Autoren selber auftreten."

Eine Art "Strickmuster", eine Garantie dafür, ob ein Film gut ankommt oder nicht, gibt es allerdings nie. Die Geschmäcker sind eben auch bei Dokumentarfilmen verschieden. Das Festival "Stranger than Fiction" gibt einen guten Einblick in die derzeitige vielfältige Produktionslandschaft. Da gibt es Filme mit regionalem Bezug wie Hamzes "Der große Demokrator" oder stille Studien wie "Rememberance", die allein von der Schönheit ihrer Archivbilder leben. Es werden sehr ernste Töne angeschlagen: Der niederländische Film "Wrong Time, Wrong Place" rekonstruiert den Amoklauf von Anders Breivik, der im Juli 2011 auf einer norwegischen Ferieninsel 69 Menschen getötet hat.

Hinaus in die Welt

Wilm Huygens "Tour du Faso" ist ein Film, mit dem der Zuschauer sich in die Welt hinaus träumen kann. Huygen erzählt vom größten Radrennen Afrikas, dem "Tour du Faso" in Burkina Faso, wo deutsche Amateur-Abenteurer auf französische Ex-Profis und afrikanische Lokalmatadoren treffen. "Es war schön, eine andere Seite von Afrika zeigen zu können.", erzählt Wilm Huygen. "Da geht es um ein großes selbst organisiertes Ereignis, bei dem alle mit viel Herzblut dabei sind." Wilm ist ein spannender und zugleich sehr humorvoller Film gelungen, in dem zwei völlig verschiedene Welten aufeinander treffen: Europäischer Perfektionismus und afrikanische Spontaneität.

Copyright: augenschein Filmproduktion GmbH Team "Burkina Faso"
Modernes Mad Max: "Tour du Faso"Bild: augenschein Filmproduktion GmbH

Wilm wurde für seinen Film von mehreren Förderanstalten unterstützt. "Es ist wie eine Art Dominoeffekt. Glaubt einer an Dich, tun es die anderen auch". Allerdings bedauert Wilm, dass er keinen Fernsehsender mit an Bord hat. Damit sinken seine Chancen, dass "Tour du Faso" auch im Fernsehen gezeigt wird, wo ihn viel mehr Menschen sehen würden als im Kino.

Copyright: augenschein Filmproduktion GmbH Zuschauer beim"Tour du Faso"
Zuschauer bei der "Tour du Faso"Bild: augenschein Filmproduktion GmbH

Doku-Kassenschlager wie "More than Honey" sind im Kino selten. Die Begeisterung für das Genre steigt, dennoch machen die Dokufans nur rund fünf Prozent aller Kinobesucher aus. Allein von ihren Dokumentarfilmen können die wenigsten Regisseure leben. Viele arbeiten nebenher fürs Fernsehen, drehen Imagefilme oder machen Regieassistenz. Dokumentarfilmer ist vielleicht ein Traumberuf. Aber Filmemachen kostet Zeit, Geld und Energie und erfordert vor allem eins: Leidenschaft.