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Don Winslow: Krieg macht Kartelle reich

Matthias von Hein13. April 2016

Er recherchierte jahrelang über mexikanische Drogenkartelle. Im DW-Gespräch spricht der Bestsellerautor Don Winslow über den Drogenkrieg, und warum es der Politik so schwer fällt, die eingefahrenen Wege zu verlassen.

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Autor Don Winslow
Bild: picture-alliance/Ropi/B. Murialdo

Deutsche Welle: Nach 18 Jahren befasst sich die UN-Generalversammlung jetzt erstmals wieder mit dem Thema Drogen. Sind Sie überrascht, dass die Initiative zu dieser Sondersitzung von den Staaten Lateinamerikas ausging?

Don Winslow: Überhaupt nicht! Denn ihre Region bezahlt mit Blut für die Prohibitionspolitik. In Mexiko wurden über 100.000 Menschen ermordet, weitere 22.000 werden vermisst. In Mittelamerika sieht es wahrscheinlich genau so aus, obwohl wir das nicht wirklich wissen. Diese Gewalt wird von den Konsumentenländern in Amerika und Europa finanziert, wegen des Drogenhungers bei gleichzeitigem Drogenverbot.

In Mexiko waren die Medien kürzlich voll von Berichten über den Gefängnisausbruch und die Wiederverhaftung des Chefs des Sinaloa-Kartells: Joaqim Guzman. Hat die Verhaftung dieses prominenten Kartellbosses irgendetwas an der Verfügbarkeit von Drogen in den USA geändert?

Seine Verhaftung macht keinen Unterschied, und sie wird keinen Unterschied machen. Wir haben über die Jahre schon viele dieser Figuren verhaftet und denken jedesmal: "Das ist ein Sieg im Kampf gegen die Drogen". Aber das ist es nicht. Solange es diese gigantischen Gewinnchancen gibt, solange wird es jemanden geben, der diesen Top-Job haben will und der dafür auch kämpfen wird.

Es scheint, je härter der Krieg gegen die Drogen geführt wird, umso mehr Profit machen die Kartelle...

Der Grund ist: Die Kartelle und die Anti-Drogen-Bemühungen stehen in einer symbiotischen Beziehung. Die einen können ohne die anderen nicht existieren. Jedes mal, wenn man es schwerer macht, mit Drogen zu handeln, schafft man neue Profitmöglichkeiten für die Kartelle. Denn die verlangen dann mehr Geld von den Leuten, die Drogen durch ihre Territorien transportieren. Die Kartelle sind nicht wirklich im Drogen-Geschäft. Ich weiß, dass klingt paradox. Sie sind im Revier-Geschäft, im Einfluss-Geschäft, im Korruptions-Geschäft, im Einschüchterungs-Geschäft. Deswegen: Jedesmal, wenn man einen Versuch unternimmt, sie zu stoppen, erhöht man ihre Profite.

Mexiko Kampf gegen Kriminalität (Foto: ALFREDO ESTRELLA/AFP/Getty Images)
Machtloses Militär? In Mexikos Drogenkrieg starben in den vergangenen zehn Jahren rund 100.000 MenschenBild: ALFREDO ESTRELLA/AFP/Getty Images

Würde die Legalisierung von Drogen für die Kartelle eine echte Bedrohung sein, angesichts ihrer bereits jetzt enormen Ressourcen an Kapital, Menschen, Macht?

Das würde einen gewaltigen Unterschied machen! Ja, sie haben schon eine Menge Macht. Sie haben sich inzwischen massiv in die reguläre Wirtschaft eingekauft. Dieses Pferd ist raus aus dem Stall, und man wird es nicht mehr einfangen. Aber wenn wir den Geldstrom an diese gewalttätigen Organisationen stoppen könnten – 30 Milliarden US-Dollar pro Jahr allein durch das Kokain Geschäft in den USA – dann hätte das natürlich einen massiven Effekt. Legalisierung würde die Macht der Kartelle auch einschränken, weil sie nicht mehr den Handel kontrollieren würden. Sie würden dieses Monopol verlieren.

Warum ist es dann so schwer anzuerkennen, dass der Krieg gegen die Drogen gescheitert ist und einen neuen Weg einzuschlagen?

Dafür gibt es zwei Gründe: Der erste ist psychologisch. Wenn es um Drogen geht, wird unser Denken reflexartig, automatisch. Wir denken: "Drogen sind schlecht, Prohibition ist gut: Das ist die Antwort." Die zweite Ursache ist komplizierter und viel schwerer zu beheben. Es gibt ein Anti-Drogen-Establishment, das Milliarden von Dollar verdient mit dem Bau und der Unterhaltung von Gefängnissen, dem Verkauf von Ausrüstung, Gerichte, Anwälte, Polizisten und all das. Das ist ein Geschäft für sich geworden. Man hat also ein tief verwurzeltes Drogengeschäft und ein ebenso tief verwurzeltes Anti-Drogen-Geschäft. Beide sind voneinander abhängig.

Wird die UN-Drogenkonferenz daran etwas ändern?

Ich hoffe, dass Sie das wird! Zum einen erhöht sie das Problembewusstsein. Und zweitens: Die Länder Lateinamerikas, Mittelamerikas sagen endlich: Was ist die Realität? Wir reden zum Beispiel über das mexikanische Drogenproblem. Es ist aber nicht das mexikanische Drogenproblem. Es ist das amerikanische und europäische Drogenproblem. Wenn also diese Länder auf einer internationalen Bühne hervortreten und die Konsumentenländer damit konfrontieren, wird das einen Effekt haben, und ich bin hoffnungsvoll.

Don Winslow hat jahrelang über die mexikanischen Drogenkartelle und den Kampf der Polizeibehörden gegen sie recherchiert. Die Recherchen hat er in seinen Bestsellern "Tage der Toten" und "Das Kartell" verarbeitet.

Die Fragen stellte Matthias von Hein