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Dopen für mehr Anerkennung

Lovis Binder
4. April 2017

Wissenschaftler gehen davon aus, dass im Amateursport immer mehr gedopt wird. Die aktuellen Zahlen des Zolls belegen diesen Trend. Das Geschäft mit illegalen Dopingsubstanzen ist so lukrativ wie der Drogenhandel.

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Beschlagnahmte Dopingware der Zollfahndung in Köln (Foto: DW/L. Binder)
Bild: DW/L. Binder

Die Zahl der Ermittlungsverfahren im Bereich Dopingkriminalität in Deutschland ist im letzten Jahr auf knapp 1300 Fälle angestiegen. Das ist fast zehnmal so viel wie noch vor zehn Jahren. "Wir müssen hier eine durchaus besorgniserregende Entwicklung feststellen", sagt Zollfahnder Wolfgang Schmitz.

Laut Zoll gehen die Täter immer professioneller vor. Der Fitnesswahn sorge für neue Kriminalität. "Seitens der Täter ist der Handel mit Dopingpräparaten ähnlich gewinnbringend wie der Schmuggel von Rauschgift", so Schmitz. In den letzten Jahren haben die Zollfahnder immer wieder Untergrundlabore aufgespürt, in denen mit professionellen Maschinen und Zutaten aus dem Ausland große Mengen an Doping hergestellt wurden.

Alwin: Man soll stolz auf mich sein

Anerkennung statt Titel und Geld

Auf der anderen Seite dieser Produktionskette stehen oft Hobbysportler wie Alwin (Name geändert). Er ist Mitte Zwanzig, spielt in einer der unteren Ligen Fußball und dopt. Für ihn geht es weder um Titel, noch um Geld. Als er vor zwei Jahren das Team wechselte, gehörte er zu den schlechtesten und schmächtigsten Spielern in seiner Mannschaft. Das frustrierte ihn.

"Ich möchte Anerkennung haben. Viel Anerkennung von den Zuschauern. Sie sollen wissen, dass sie auf mich zählen können, wenn ich auf dem Feld bin. Natürlich will ich es auch meiner Familie beweisen. Dass ich das kann, was ich mache und dass sie stolz auf mich sein können." Um dieses Ziel zu erreichen, nimmt Alwin seit zwei Jahren Anabolikatabletten - jeden Tag mindestens eine.

Auch wenn Anabolika im Fußball bisher eher selten entdeckt wurden, vertraut Alwin auf die Muskelmacher und ist mit den Resultaten zufrieden. Er hat nach eigenen Aussagen zehn Kilogramm an Muskelmasse zugenommen und fühlt sich im Zweikampf und Kopfballduell souveräner.

Unerwartet hoher Leistungsdruck

Viele Hobbysportler, die dopen, stehen unter großem Druck. Bei Mannschaftssportlern kann es die Angst sein, den Stammplatz zu verlieren. Bei Läufern die Befürchtung, die Fans am Streckenrand zu enttäuschen. Philip Schulz war viele Jahre Amateurradsportler. Er wurde irgendwann schwach und dopte, weil er unbedingt Profi werden wollte.

Schulz: Nur mit Doping kommt man weiter

"Ich hab mir das in den ersten Jahren angeguckt und dachte mir: Ja, Mist, so funktioniert es halt, so kommt man vom Amateur zur Pro-Tour." Schulz investierte viel Geld und Zeit in den Radsport, für den Schritt hin zum Profidasein fehlte jedoch immer ein Bisschen. Dass viele Kollegen um ihn herum ungeniert EPO oder Ephedrin konsumierten und bessere Zeiten fuhren, wurmte ihn.

Nach dem ersten Dopingkonsum gehörten Aufputschmittel und Stimulanzien dann zu seinem Alltag. "Zwischen Rennen, Training, Schlafenszeit, Essenszeit, nimmt man das ein, wie eine Aspirin", sagt Schulz. Irgendwann wurde er erwischt und gesperrt. Doping-Kontrollen sind eine Rarität im Amateursport, weil sie teuer sind und kaum ein Sportverband oder Veranstalter bereit ist, diese Kosten für Breitensportler zu übernehmen. Dass dennoch regelmäßig Amateursportler bei den wenigen Kontrollen auffliegen, zeigt, dass das Problem größer ist. 

Mangelndes Problembewusstsein

Schulz bereut das Dopen aber nicht - es habe einfach dazugehört. Bei den Profis wird gedopt, im Amateursport aber auch. Die Logik ist gleich. Der Unterschied: Im Profibereich gucken alle genau hin. Bei den Amateuren werde das Thema verniedlicht und verharmlost, sagt Mischa Kläber. Er ist Wissenschaftler an der TU Darmstadt und arbeitet für den DOSB.

Kläber spricht von einer Leistungsgesellschaft. Immer mehr Menschen sei es wichtig, sich zu beweisen. Man wolle zeigen, dass man ein Gewinnertyp sei. Viele machen dies im Job und immer häufiger auch im Sport. "Man tackert die Zeiten an die Bürotür, damit jeder weiß, man ist ein leistungsbereiter, ein sehr willensstarker Mensch, der wirklich in der Lage ist, solche Höchstleistungen wie eine Marathonveranstaltung abzuwickeln", sagt Kläber.

Schmitz: Gewinnbringender Handel

Unterschätztes Risiko

Die Folgen des Dopingkonsums können dramatisch sein. Vor allem, weil viele Hobbysportler leichtsinnig und naiv damit umgehen und die Risiken nicht erkennen.

Fabian (Name geändert) spielt Handball. Er nahm mehrere Wochen das Dopingmittel Ephedrin. Es hat ihm nach eigenen Aussagen beim Abnehmen geholfen, außerdem habe er sich damit fitter und aufmerksamer gefühlt. Weil alles so "problemlos" lief, plant er weitere Kuren. "Wenn ich jetzt so was Negatives gehabt hätte, so wie Herzrasen, dann hätte ich sofort damit aufgehört. Das wäre es mir nicht wert gewesen."

Diese Einstellung kann jedoch sehr gefährlich sein. Worst-Case-Nebenwirkungen wie Herzrasen, Depressionen oder Organschäden könnten oft erst Monate oder Jahre später auftauchen, warnen Ärzte. Außerdem hätten die meisten Dopingmittel Suchtpotential. Gewöhnt sich der Körper an die positiven Effekte, kann es gut sein, dass er die Gefahren ausblendet und die Nebenwirkungen gar nicht mehr wahrnimmt.

Umdenken tut Not

Studien zum Thema "Doping im Amateursport" gibt es nicht viele. Die vorhandenen aber, untermauern den Trend, den die aktuellen Zahlen des Zolls darlegen: Der Dopingkonsum im Hobbysport steigt an. Besonders viele Doper gibt es im Kraftsport - mehrere Studien belegen, dass in Fitnessstudios jeder Fünfte illegale, leistungssteigernde Substanzen konsumiert. Um dem Thema gerecht zu werden, müsse ein Umdenken stattfinden, fordern Wissenschaftler. Sowohl Sportler, als auch Verbände und Institutionen müssten die Problematik ernst nehmen, ansonsten bliebe "Doping im Amateursport" noch lange ein Tabuthema.