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Doping oder nicht? Der Fall des Tennisstars Jannik Sinner

21. August 2024

Obwohl der Tennis-Weltranglistenerste Jannik Sinner zweimal bei Dopingkontrollen positiv getestet wurde, darf er weiter spielen - auch bei den anstehenden US Open. Die DW beantwortet die wichtigsten Fragen zum Fall.

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Jannik Sinner küsst den Siegerpokal der Cincinnati 
Open
Sinner gewann kürzlich die Cincinnati Open, ein Vorbereitungsturnier für die US Open Bild: Wally Nell/ZUMA Press Wire/dpa/picture alliance

Welche Stellung hat Jannik Sinner im Welttennis?

Die Zeit der "Big Three" im Tennis neigt sich dem Ende zu. Roger Federer hat den Schläger an den Nagel gehängt, Rafael Nadals Rücktritt steht bevor, und auch Olympiasieger Novak Djokovic dürfte mit 37 Jahren bald in Tennis-Rente gehen. Jannik Sinner wird zugetraut, dass er in die Fußstapfen der drei Superstars tritt. In diesem Jahr gewann der 23-Jährige mit den Australian Open sein erstes Grand-Slam-Turnier. Im vergangenen Juni - mit dem Halbfinal-Einzug bei den French Open gelang Sinner als erstem Italiener der Sprung an die Spitze der Weltrangliste.

Weshalb steht Sinner unter Dopingverdacht?

Sinner wurde am 10. und am 18. März bei Dopingkontrollen positiv auf die verbotene Substanz Clostebol getestet. Der erste Test wurde beim Masters-Turnier in Indian Wells in den USA genommen, der zweite acht Tage später während des Trainings. Clostebol ist ein anaboles Steroid, das den Aufbau von Muskelmasse fördert und die Leistung steigert. Clostebol wurde bereits im staatlichen Doping der früheren DDR eingesetzt. Die meisten Dopingfälle mit der Substanz wurden in Italien und Brasilien aufgedeckt. In beiden Ländern kann man Wundcremes und -sprays, die Clostebol enthalten, rezeptfrei in Apotheken kaufen.

Jannis Sinner schlägt im Finale der Australian Open 2023 eine Vorhand
Der Südtiroler Jannik Sinner gilt als Shootingstar des Tennissports Bild: Alessandra Tarantino/AP/picture alliance

2016 wurde Skilanglauf-Star Therese Johaug positiv auf die Substanz getestet. Wie sich später herausstellte, hatte die Norwegerin einen Sonnenbrand an der Lippe mit einer Hautcreme behandelt, die Clostebol enthielt und die ihr Teamarzt in den italienischen Alpen gekauft hatte. Der Internationale Sportgerichtshof (CAS) sperrte die viermalige Olympiasiegerin für 18 Monate, Johaug verpasste deshalb die Olympischen Winterspiele 2018 in Pyeongchang.

Warum wurde Sinner nach den positiven Dopingbefunden nicht gesperrt?

Die International Tennis Integrity Agency (ITIA) suspendierte den Tennisspieler in beiden Fällen vorläufig. Sinner legte Berufung ein und hatte Erfolg. Die ITIA akzeptierte erst einmal Sinners Erklärung: Ein Physiotherapeut aus dem Team habe ein Spray mit Clostebol genutzt, um eine eigene Hautwunde am Finger zu behandeln. Anschließend habe er Sinner ohne Handschuhe massiert und sporttherapeutisch behandelt. Dabei sei es zu einer "versehentlichen Kontamination" gekommen.

Die ITIA ist eine unabhängige Organisation mit Sitz in London. Sie wurde 2021 von den Tennisverbänden ATP, WTA und ITF sowie den Veranstaltern der vier Grand-Slam-Turniere gegründet, um einen sauberen Tennissport zu garantierte. Die ITIA ließ den Fall auch von einem unabhängigen Gericht prüfen. Dies habe bei einer Anhörung am 15. August festgestellt, "dass in dem Fall kein Verschulden oder keine Fahrlässigkeit vorlag", so die ITIA.

Wie ist das Echo auf den Fall Sinner?

Der Fall "stinkt zum Himmel", sagte der deutsche Pharmazeut und Doping-Experte Fritz Sörgel dem Portal "Sport 1". Es sei "nicht tragbar", dass Sinner bei den am kommenden Montag beginnenden US Open, dem letzten Grand-Slam-Turnier des Jahres, aufschlagen dürfe. Sinner müsse umgehend gesperrt werden, dann müsse der CAS über den Fall entscheiden. Eine Sperre von zwei bis vier Jahren sei möglich. Die Welt-Anti-Doping-Agentur (WADA) teilte mit, sie werde die Entscheidung der ITIA "sorgfältig prüfen" und behalte sich auch vor. gegebenenfalls Berufung beim CAS einzulegen. Die WADA war zuletzt wegen eines mutmaßlich vertuschten Dopingskandals im chinesischen Schwimmsport unter Druck geraten. 

Der Tennisverband ATP begrüßte den Freispruch für Sinner: "Wir freuen uns, dass bei Jannik Sinner keine Schuld oder Fahrlässigkeit festgestellt wurde". Es sei ein "robuster Untersuchungsprozess" gewesen, ließ die ATP wissen: "Dies war eine schwierige Angelegenheit für Jannik und sein Team und unterstreicht die Notwendigkeit für Spieler und ihr Umfeld, bei der Verwendung von Produkten oder Behandlungen äußerste Vorsicht walten zu lassen. Integrität ist das A und O in unserem Sport."

DW Kommentarbild Stefan Nestler
Stefan Nestler Redakteur und Reporter