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Doppelpass in Deutschland soll erleichtert werden

23. August 2023

Lange war die doppelte Staatsbürgerschaft nur in Ausnahmen möglich. Das soll sich nun ändern. Für die Betroffenen eine willkommene, aber späte Reform.

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Symbolbild | Deutschland Iran | Doppelte Staatsbürgerschaft
Bild: Sven Simon/imago images

Wer gut integriert ist, soll künftig einfacher den deutschen Pass bekommen. Das Bundeskabinett stimmte jetzt einem Gesetzentwurf von Innenministerin Nancy Faeser (SPD) zu, das nicht nur die Anforderungen an die deutsche Staatsangehörigkeit senkt, sondern auch Mehrstaatlichkeit zulässt. Faeser sprach von einem modernen Einwanderungsrecht, "das unserer vielfältigen Gesellschaft und unserem modernen Land gerecht wird". Das gelte auch für den "weltweiten Wettbewerb um die besten Köpfe". Stimmt auch der Bundestag zu, kann das Gesetz in Kraft treten.

Es ist eine Reform, die sich die Ampelkoalition aus SPD, Grünen und FDP seit ihrem Antritt im Herbst 2021 vorgenommen hat. Die Deutsche Welle hat mehrfach über das Vorhaben berichtet und im Dezember vergangenen Jahres Menschen befragt, die davon betroffen sind.

Lächelnder Bundespräsident , daneben eine lächelnde junge Frau, die eine Urkunde vor sich hält
Einbürgerungszeremonie mit Bundespräsident Frank-Walter SteinmeierBild: John Macdougall/ADP/dpa/picture alliance

Zum Beispiel Marc Young. Für ihn kommt das alles zehn Jahre zu spät. "Damals wäre ich der treueste Deutsche gewesen, den man sich vorstellen kann", sagte er der Deutschen Welle. "Aber ich wollte meine US-Staatsangehörigkeit nicht aufgeben. Wenn man seine alte Staatsbürgerschaft behält, bedeutet das keine gespaltene Loyalität, wie es viele deutsche Konservative behaupten. Es zeigt nur, wer man wirklich ist." Young lebt seit 20 Jahren in Deutschland. Die lange politische Debatte über die Mehrfachstaatsbürgerschaft habe ihn ermüdet.

Das soll sich konkret ändern

Die geplanten Änderungen sind Teil einer umfangreichen Reform des deutschen Staatsbürgerschaftsrechts, mit der Fachkräfte in den massiv unterbesetzten Arbeitsmarkt gelockt werden sollen. 

Wer legal in Deutschland lebt, soll in Zukunft schon nach fünf Jahren statt, wie heute, nach acht Jahren einen deutschen Pass beantragen können. "Bei besonderen Integrationsleistungen" wie außergewöhnlichen Deutschkenntnissen oder besonders guten Leistungen in Schule und Beruf kann die Frist sogar auf drei Jahre verkürzt werden.

Wer eingebürgert werden will, muss sich zugleich zu den Werten einer freiheitlichen Gesellschaft bekennen. Ausdrücklich ausgeschlossen sind daher Menschen, die aus antisemitischen oder rassistischen Motiven Straftaten begangen haben. Voraussetzung soll auch sein, dass man seinen Lebensunterhalt in der Regel ohne Sozialleistungen bestreiten kann.

In Deutschland geborene Kinder ausländischer Eltern sollen automatisch Deutsche werden, wenn ein Elternteil bereits seit fünf Jahren "seinen rechtmäßigen gewöhnlichen Aufenthalt" in Deutschland hat.

Wer Deutscher werden will, soll die alte Staatsbürgerschaft dafür nicht mehr aufgeben müssen. Vor allem bei der Frage des sogenannten Doppelpasses hatte es immer wieder politische Auseinandersetzungen gegeben. Die Union hatte von einem "Verramschen" der deutschen Staatsangehörigkeit gesprochen.

Viel mehr Einbürgerungen anderswo in der EU

Mit der Reform würde sich Deutschland in puncto Staatsbürgerschaftsrecht einreihen in andere europäische Länder. Innerhalb der EU hatte im Jahr 2020 Schweden den höchsten Anteil eingebürgerter Ausländer mit 8,6 Prozent, in Deutschland waren es nur 1,1 Prozent. "Das deutsche Staatsangehörigkeitsrecht gründet sich auf das Prinzip, mehrfache Staatsbürgerschaften zu verhindern", so die auf Einwanderung spezialisierte Rechtsanwältin Greta Agustini gegenüber DW über die bisherige Rechtslage. 

Greta Agustini, Anwältin
Anwältin Greta Agustini hält eine Reform des Staatsangehörigkeitsrecht für überfälligBild: privat

Viele von Agustinis Klienten hatten bisher Schwierigkeiten, wenn sie sich um einen deutschen Pass bemühten. "Sie wollen ihre alte Staatsbürgerschaft nicht aufgeben, aber sie wollen auch die deutsche haben", sagt die Anwältin.

Nach Angaben des Statistischen Bundesamts leben zur Zeit rund 2,9 Millionen Menschen in Deutschland mit mehr als einer Staatsangehörigkeit. Das sind etwa 3,5 Prozent der Bevölkerung.

Respekt und Lohn für die Gastarbeitergeneration

Die Gruppe, welche die Auswirkungen des deutschen Staatsangehörigkeitsrechts mehr als andere zu spüren bekommt, ist die der Türkischstämmigen. Viele von ihnen kamen nach Deutschland, als das Land schon einmal dringend Arbeitskräfte brauchte. In der wirtschaftlichen Hochkonjunktur der 60er Jahre schloss die Bundesrepublik Verträge mit mehreren Staaten und heuerte von ihnen sogenannte Gastarbeiter an, die vor allem als einfache Industriearbeiter eingesetzt wurden.

Aslihan Yesilkaya-Yurtbay vom Verein Türkische Gemeinde in Deutschland, TGD, findet, die geplante Reform komme "zu spät" für viele der ehemaligen Gastarbeiter, trotzdem ist sie froh. "Für die Gastarbeitergeneration heißt dieser Schritt vor allem Anerkennung und Respekt für ihr Leben und ihre Arbeit in und an diesem Land", sagte sie der DW. "Viele türkischstämmige Menschen der ersten und zweiten Generation würden sich, glaube ich, dadurch gestärkt fühlen, weil sie immer schon ein Identitätsdilemma hatten."

Sehr viele hätten auf eine Reform gewartet und schon die Hoffnung aufgegeben. "Ich glaube, wenn das auch wirklich kommt, dass sie auch wirklich Deutsche werden, würde man sich vielleicht mit Deutschland mehr identifizieren", so Yesilkaya-Yurtbay.

Nichts Emotionales mehr

Marc Young glaubt, dass seine Erfahrung mit dem deutschen Staatsbürgerschaftsrecht ihm eine Ahnung davon gegeben hat, was Menschen mit türkischen Wurzeln in Deutschland jahrzehntelang erleben mussten. Doch Young hat seine Kinder in Deutschland erzogen und denkt nicht daran, das Land wieder zu verlassen.

Sollten das Gesetz kommen, wird er wahrscheinlich die deutsche Staatsbürgerschaft zusätzlich zu seiner US-amerikanischen beantragen. Es sei aber nichts emotionales, sagt Marc Young: "Für mich ist es dann eher ein bloßer Verwaltungsakt."


Bei diesem Artikel handelt es sich um eine aktualisierte Version eines Textes vom 7.12.2022

Christoph Hasselbach
Christoph Hasselbach Autor, Auslandskorrespondent und Kommentator für internationale Politik
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