Leben mit Down-Syndrom
22. Mai 2013Der deutsche Moderator Kai Pflaume hat eine Mission: Er möchte Menschen mit Trisomie 21, dem "Down-Syndrom", stärker ins Blickfeld der Gesellschaft rücken. In einer vierteiligen Serie, die im Juni im Ersten Deutschen Fernsehen ausgestrahlt wird, besucht er Menschen mit Down-Syndrom und erzählt aus deren Leben. "Zeig mir Deine Welt" heißt das Projekt. Sein Anliegen ist es dabei, zu zeigen, wie "normal" der Alltag mit dem Down-Syndrom sein kann.
Glücklich in ihrer eigenen Welt
Bei Menschen mit Down-Syndrom liegt durch eine Genmutation das 21. Chromosom oder Teile davon dreifach vor - deshalb auch die Bezeichnung "Trisomie 21". Da diese Behinderung verschieden stark ausgeprägt sein kann, leben einige Menschen ganz normal bei ihren Familien und gehen arbeiten, andere benötigen eine intensivere Betreuung.
Hilfe bekommen sie und ihre Angehörigen auch beim Down-Syndrom Netzwerk Deutschland. Dessen Vorsitzender ist Heinz Joachim Schmitz aus Köln. Er erlebt oft, wie Menschen ohne Behinderung auf Menschen mit Trisomie 21 reagieren: "Die Leute haben erstmal so ein bisschen Angst. Die gehen dann erstmal zwei Schritte zurück, aber dann auch wieder drei Schritte vor, wenn sie Kontakt mit ihnen hatten." Denn: Menschen mit Down-Syndrom seien oft fröhliche Menschen und weniger verbissen als andere. "Sie haben ihre eigene Welt, sind da sehr gefestigt und auch glücklich", sagt Schmitz. Dass viele zunächst zurückhaltend reagieren, wenn sie einen Menschen mit Down-Syndrom treffen, bedauert Schmitz sehr: "Menschen mit Down-Syndrom gehören zu unserer Gesellschaft dazu und dürfen nicht ausgegrenzt werden".
Kleinerer Aufmerksamkeitsumfang
André Zimpel ist Pädagoge und Neuropsychologe. Er führt derzeit eine Studie mit insgesamt 1000 Menschen mit Down-Syndrom durch. Er interessiert sich vor allem dafür, wie diese am besten lernen, sowie, welche Inhalte sie am besten lernen. Klar ist schon jetzt: Menschen mit Trisomie 21 haben einen kleineren Aufmerksamkeitsumfang. "Diese veränderte Aufmerksamkeit ist nicht nur eine Schwäche, sondern auch eine Stärke", sagt Zimpel, "diese kann aber an Förderschulen oft nicht gefördert werden, weil Menschen mit Trisomie 21 mehr auf Abstraktion angewiesen sind. Deshalb lernen manche schon mit zwei oder drei Jahren Lesen und Schreiben." Auch er wünscht sich, dass das Down-Sydrom gesellschaftlich stärker akzeptiert wird - so wie etwa Autismus. Leider, so Zimpel, lebten wir aber in einer Gesellschaft mit "Intelligenz-Kult", in der es kaum etwas Schlimmeres gäbe, als als "dumm" zu gelten: "In solch einer Umwelt ist natürlich die Geringschätzung für Menschen mit Trisomie 21 groß, weil ihnen die Intelligenz abgesprochen wird, was aber sachlich nicht richtig ist."
Schon seit Längerem gibt es in Deutschland so genannte Inklusions-Schulen, in denen Kinder mit und ohne Behinderung zusammen lernen. Davon würden nicht nur die Kinder mit Behinderung profitieren - es funktioniert auch umgekehrt: "Es ist gut vor allem für Kinder ohne Trisomie 21, denn die bekommen ganz oft die Gelegenheit zu helfen", weiß Zimpel. "Und in der Neuropsychologie können wir nachweisen, dass helfen genauso glücklich macht wie Schokolade oder im Lotto gewinnen".
Umstrittene Bluttests
Doch: Immer weniger Kinder mit Trisomie 21 kommen in Deutschland zur Welt. Der Grund liegt vor allem in der modernen Pränatal-Diagnostik, also den Untersuchungen von ungeborenen Kindern im Mutterbauch. Ärzte wissen immer früher immer mehr über das ungeborene Kind. Durch Bluttests an Schwangeren lässt sich auch das Down-Syndrom schon sehr früh diagnostizieren. Rund 90 Prozent der werdenden Eltern entscheiden sich dann, so wird geschätzt, die Schwangerschaft abzubrechen. Dieser "Praena-Test" ist in Deutschland seit 2012 zugelassen - so ethisch umstritten er auch ist. Experten kritisieren, dass der Test nicht medizinisch-therapeutischen Zwecken diene - das Down-Syndrom ist ohnehin nicht heilbar -, sondern einzig und allein der Selektion. Heinz Joachim Schmitz ist entsetzt, dass der Test zugelassen wurde: "Ich finde diesen Test absolut nicht gut, weil ich Angst habe, dass Menschen mit Down-Syndrom aussterben."
Dass jetzt ein in Deutschland bekanntes Gesicht wie Kai Pflaume das Down-Syndrom in den Fokus stellt, findet er dagegen sehr gut. Auch ein großer Teil der Arbeit des Netzwerks seien Aufklärung und das Schaffen von Akzeptanz. Denn: Nur, wer verstanden hat, dass das Down-Syndrom keine Krankheit ist, dass Menschen mit dieser Behinderung nicht dümmer, sondern einfach nur anders sind, der kann auch offen auf diese Leute zugehen.
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